Grundschule Reinsdorf – ein Beispiel für viele

1957.07. Wittenberger Rundblick

Grundschule Reinsdorf – ein Beispiel für viele


Der Neubau der Grundschule Reinsdorf ist ein Beispiel für viele in unserer Republik und für den Kreis Wittenberg. Wir sind eigens nach Reinsdorf gefahren, um diese moderne und schöne Schule zu besichtigen. Unser Weg führt am Wasag-Gelände vorbei, wo jahrzehntelang gefährliche Mittel der Vernichtung hergestellt wurden. Die Orte, die wir durchfuhren. sind alter historischer Boden. Die ältesten Nachrichten reichen zurück bis in das Jahr 1187.
In einer Urkunde des Klosters Leitzkau“, – So lesenwir,
„wird der Ort Dobien erstmalig als Burgwarte erwähnt, womit die Ortsgründung und Entwicklung eng verbunden ist. Burgwarte dienten zum Schutz der alten Handelsstraßen, von denen die eine in Richtung Belzig von Wittenberg aus an Dobien vorbeiführte, Der heutige Wallberg, der die Umgebung überragt, hat diese Burgwarte, die Wallburg, getragen.“
Wir unterhielten uns am Rande der Straße mit einem alten Einwohner von Reinsdorf. Er weiß von den großen Explosionen der Jahre 1915, 1917, 1925 und 1935 zu berichten. Viel wurde beschädigt, wertvolles Gut wurde ein Opfer der Kriegsvorbereitungen.
Aber der alte Einwohner weist uns den Weg zur neuen Schule, und wir spüren etwas von dem Stolz über diese Einrichtung, die hier geschaffen wurde.

Viele halfen mit
Was am 3. November 1956 der Oeffentlichkeit übergeben wurde, ist ein Ergebnis der Schaffensfreude der gesamten Bevölkerung. Was wir sahen, ist der erste Bauabschnitt, und wir spüren etwas von den Einrichtungen einer unter den modernsten Gesichtspunkten entwickelten Schule. Ein berechtigter Stolz spricht aus den Augen der Menschen, die hier unterrichten – und Freude und Frohsinn sprechen aus den Augen der vielen Jungen und Mädel, die in landschaftlich schöner Umgebung lernen und schaffen können. Direktor Schönemann erzählt uns von den katastrophalen Schulverhält nissen in den Jahren nach 1945.
In den drei Schulgebäuden mit acht Klassenräumen mußten 17 Klassen mit 600 Kindern unterrichtet werden. Interessant ist ein Einblick in die Schulchronik.
Bestimmte Nachrichten über die Schule beginnen mit dem .Jahre 1564. Zum ersten Male ist neben dem Pfarrer auch ein „Custos“ genannt. Unterricht wurde zuerst in der Lehrerwohnung, später in dem ersten Schulhause erteilt. Dieses erste Schulhaus ist 1637 der Zerstörung anheimgefallen. Man darf jedoch aus dessen Vorhandensein noch nicht schließen, daß die Jugend planmäßigen Unterricht genossen hat. Ein neues Schulhaus entstand 1648 als Fachwerkbau mit Strohdach, das bis 1852 etwas nördlicher der jetzigen alten Schule seinen Standort hatte. 1852 erfolgte die Einwe ihung der heutigen alten Schule in der Dobiener Dorfstraße.
Im Jahre 1949 entwickelte die Schulleitung mit der Gemeinde einen Antrag zum Bau e i ner Zentralschule.
Im Jahre 1953 war es so weit, der moderne Schulbau in Reinsdorf konnte projektiert werden. Im Rahmen des Aufbauwerkes leistete die Reinsdorfer, Dobiener und Brausdorfer Bevölkerung wertvolle Arbeit. Allen lag der Schulneubau am Herzen, jung und alt half nac h besten Kräften mit. Der zweite Bauabschnitt und der Bau der Turnhalle gewinnen mehr und mehr an Form. Es wird ein glücklicher Tag für Lehrer und Kinder sein, wenn der gesamte Bau seiner Bestimmung übergeben werden kann. Hier macht das Lehren und Lernen Freude, hier kann eine Generation heranwac hsen, die sich der hohen Verantwortung als Bürger unseres Staates bewußt ist.
Peter ist stolz auf seine Schule
In der Pause unterhielten wir uns mit den Jungen und Mädeln, die das
Glück haben, Tag um Tag diese Schule zu besuchen. Um den großen Globus – ein Beispiel moderner Anschauungsmittel – steht Peter Kaufmann und erklärt seinen Mitschülern das weite Meer mit den Hauptschiffahrtslinien.
„Ich will selbst einmal zur See fahren!“ – das sagt er uns mit strahlenden Augen. Dabei umfaßt er mit seinen Armen die „weite Welt“, als wollte er sagen: All das will ich umfahren, all das will ich sehen und erleben!
Freudig berichtet uns Peter, daß seine schulischen Leistungen in der neuen Schule besser geworden sind. Er begründet das schlicht und einfach:
„Hiermacht mir das Lernen viel Spaß!“
Dieser aufgeweckte Junge weiß aber auch, daß all das, was hier geschaffen wurde, das Ergebnis, das Werk fleißiger Hände ist.

Vor der Schule treffen wir noch Helga, Doris und Wolfgang – es sind Schüler der 7. Klasse. Sie haben selbst mitgeholfen, Aufbaustunden zu leisten. Auch aus ihren Augen spricht Freude. Für sie ist all das, was sie Tag für Tag erleben dürfen, nichts Selbstverständliches – sie spüren etwas von dem Wert unserer neuen Schule, die den Jungen und Mädeln die besten Voraussetzungen gibt, das Leben zu meistern,
Jugend voller Zukunft
Eins der schönsten Erlebnisse, die wir in Reindorf hatten, war wohl der Besuch einer Unterrichtsstunde. In modernen Räumen mit viel Licht und Sonne saßen die Jungen und Mädel und lernten. Diese jungen Menschen haben ganz klare Vorstellungen von ihrer Zukunft. Sie umreißen heute bereits die Perspektiven des Berufes, den sie einmal erwählen wollen. Während wir Raum für Raum besichtigen und Freude an der künstlerischen Ausgestaltung der Schule haben – ich denke dabei besonders an die guten Arbeiten des Wittenberger Malers Wenzel – stürmen die Jungen und Mädel an uns vorbei.
Ein Schultag ist zu Ende, es winkt die Sonne und Freizeit. Ist es ein Wunder, daß man selbst noch einmal jung  sein möchte, – glücklich, unbeschwert und voll Zukunft.

Dr. Ernst Scheffler
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Mit dem Wissen kommt das Denken,
und mit dem Denken der Ernst
und die Kraft in der Menge.

Alexander von Humboldt.

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