Es ist eine bekannte Tatsache, daß manche Nachbardörfer auch in unserer lieben Heimat einander „nicht grün“ sind, oft aus nichtigen Gründen, manchmal sogar aus gar nicht erkennbarer Ursache. Daß aber diese Abneigung zu einem regelrechten Krieg ausartet, dürfte doch zu den seltenen Erscheinungen gehören. Und doch ist einmal ein solcher und noch dazu recht langer und wunderlicher Krieg zwischen den Nachbardörfern Apollensdorf und Griebo geführt worden.
Im „Grenzabschied“ vom Jahre 1648 war zwischen Kursachsen und Anhalt vereinbart worden, daß die Grenze vom „dicken Baume“ auf Wörlitzer Flur in der Elbe auf die Flur von Griebo zulaufen sollte, wo im Heger ein Malstein stand. Dieser war jedoch mit der Zeit weggewaschen worden. Der nächste Stein aber stand erst 50 Ellen landeinwärts auf dem hohen Ufer, wo der Apollensdorfer Bach in die Elbe floß. Bei den wiederholten Überschwemmungen hatte aber der Bach sein Bett verändert. Während er früher im spitzen Winkel zur Elbe lief, bildete er jetzt einen rechten Winkel. Das Land, welches zwischen dem früheren und dem nunmehrigen Bachlaufe lag, bildete sich nun zum schönsten Zankapfel, zum „Streitwerder“, aus.
Im Jahre 1696 ließ der Fürst von Anhalt-Zerbst auf diesem Werder die Weiden schneiden, und da die Universität Wittenberg mit dem Hinweis auf ihr Eigentumsrecht Widerspruch erhob, so ließ er die Weiden durch Grieboer Bauern bewachen. Der Streit wurde diesmal noch gütlich beigelegt, aber unter der Asche glühte das Feuer der Zwietracht in den nächsten 20 Jahren weiter und schlug von 1716 bis 1728 wiederholt in hellen Flammen empor.
Die von Apollensdorf beschuldigten die von Griebo, sie hätten den Lauf des Baches absichtlich verändert, während diese das gleiche von den Apollensdorfer Bauern behaupteten. Im Jahre 1716 kam es zur ersten „Schlacht“ zwischen beiden Dörfern, als die Grieboer die Weiden, welche die Apollensdorfer geschnitten hatten, sich aneignen wollten. Die von Apollensdorf waren in der Übermacht, und nur der Besonnenheit des Grieboer Ortsschulzen war es zu danken, daß kein Blut floß. Freilich konnte er nicht verhindern, daß dem Bauer Friedrich von Griebo seine Axt fortgenommen wurde, welche die Apollensdorfer als Siegesbeute heimbrachten.
Sechs Jahre lang herrschte wieder Waffenstillstand. Als aber im April 1723 der Förster Halbenz mit den Kossäten aus drei anhaltischen Dörfern im Streitheger neue Weiden pflanzte, suchten die Apollensdorfer dies zu verhindern und attackierten unter Führung eines in ihrem Dorfe einquartierten kursächsischen Reiters die Arbeiter, wurden aber von diesen zurückgetrieben. Da dem zuständigen Amtmann von Coswig das Gerücht zugetragen wurde, es lägen kursächsische Soldaten im Hinterhalt versteckt, so sammelte er 50 streitbare Coswiger Bürger und rückte mit dieser Macht gegen die Apollensdorfer vor, die sich ihrerseits mit Spießen, Stangen und Mistgabeln wehrten. Die Bewaffnung der Grieboer mag freilich auch nicht anders beschaffen gewesen sein. Diesmal errangen die Anhaltiner einen vollständigen Sieg und machten sogar zwei Gefangene, den Müller von Apollensdorf und dessen Frau, die so unflätig auf den Fürsten von Zerbst geschimpft hatte, daß es der Amtmann nicht zu berichten wagte,
„weil es nicht für Sr. hochfürstl. Durchlaucht gnädigste Ohren passen würde“. Die seinerzeit an die Apollensdorfer verlorene
Axt bekamen sie freilich vorläufig nicht zurück, und den Müller mußten sie wieder ausliefern. Die Frau aber wurde längere Zeit
„in leidlichem Gewahrsam“ gehalten.
Der Groll der beiden Nachbardörfer aber fraß im stillen weiter
und kam nach fünf Jahren erneut zum Ausbruch. Am 12. November 1728 hatte der Förster Halbenz durch anhaltische Flurschützen
15 Apollensdorfer Pferde, die beim Weiden über die Flurgrenze gelaufen waren, pfänden und zum Ortsschulzen in Griebo bringen lassen. Hier sollten sie im verschlossenen Stalle zurückbehalten werden, bis für jedes Pferd 8 Groschen, oder insgesamt 3 Taler Pfandgeld gezahlt worden wären. Die über dieses Verlangen empörten Apollensdorfer aber zogen nach Griebo, erbrachen
in Abwesenheit des Schulzen den Stall und führten ihre Pferde
im Triumph mit sich fort. Das bekam ihnen jedoch sehr übel;
ein Apollensdorfer Hüfner wurde gebunden und als Geisel
nach Coswig ins Gefängnis gebracht. Durch Vermittelung
der Wittenberger Universität, der das Dorf Apollensdorf als
Lehen gehörte, kam ein Vergleich zustande, wonach die Apollensdorfer 7 Taler Strafe zahlten und dem Bauer Friedrich
seine Axt zurückgaben.
Jetzt endlich machten beide Dörfer Frieden miteinander und haben seitdem, hoffentlich für immer, als „getreue Freunde und Nachbarn“ nebeneinander gewohnt im Gedenken an das Sprichwort
„Friede ernährt, Unfriede verzehrt“.
Aber auch die beiden Länder Anhalt und Kursachsen, die hinter dem Streite der beiden Grenzdörfer lauerten, beschlossen, den Grenzstreitigkeiten ein Ende zu machen. Zu deren Schlichtung erschien der bekannte kursächsische Minister Graf Brühlau Dresden in eigener Person an Ort und Stelle. Im großen und ganzen wurde der Streit zugunsten von Anhalt entschieden. Die Grieboer erhielten das Recht zugesprochen, in die Elbe hinein Buhnen zu bauen und ihre Wiesen durch einen Damm gegen das Hochwasser zu schützen. Immerhin aber zog sich die völlige Beilegung des Streites bis zum Jahre 1754 hin.
Der von Kurfürst Johann Friedrich seinerzeit erhobenen Forderung, wonach die Elbe, soweit er sie von seinem Schlosse in Wittenberg aus sehen könne, kursächsisch sein sollte, ist durch eine spätere Grenzregulierung, bei der das Abkommen vom Jahre 1754 als Unterlage diente, im allgemeinen entsprochen worden.
Hierbei mag ein bei früheren Grenzbesichtigungen geübter eigenartiger Gebrauch erwähnt werden:
Bei diesen Grenzbesichtigungen nahm man die größeren Schulkinder mit, damit diese sich bereits in jungen Jahren den Lauf der Grenze und die Lage der Grenzsteine ins Gedächtnis einprägten.
Um letzteres recht eindringlich zu gestalten, war es an manchen Orten üblich, den Jungen an jedem Grenzsteine eine Maulschelle zu verabreichen, wofür sie dann nach Beendigung der Grenzbesichtigung als Entschädigung eine Bratwurst erhielten. In Griebe und Apollensdorf gab es allerdings keine Ohrfeigen aber zum Leidwesen der Jugend auch keine Bratwürste; dafür aber wurden die Knaben bei de Grenzbesichtigung etwas unsanft auf die Grenzsteine gesetzt.
Richard Erfurth †