Flurnamen in der Gemarkung Straach

1957.06. Wittenberger Rundblick

Flurnamen in der Gemarkung Straach
Die Flurteile und sogar einzelne Felder in unseren Gemarkungen haben Namen wie jeder Mensch, jedes Tier oder Ding, um sie voneinander unterscheiden zu können. Je mehr Land in der Flur gerodet und unter den Pflug genommen wurde, je mehr Feldstücke der einzelne Bauer in den verschiedenen Flurteilen der Dorfmark besaß, desto notwendiger wurde das Unterscheidungsmerkmal durch einen kurzen Namen statt einer langen umschreibenden Lagebestimmung.
Der Name für einen Flurteil war nicht irgend ein willkürlicher. Er bezeichnete ein Wesensmerkmal, eine Besonderheit oder ein Ereignis bei der Rodung und Urbarmachung. Einige Flurnamen sind abgeleitet von einer Lagebezeichnung zu einem Merkmal in der Feldmark, spätere Namen oft nach den Besitzern gegeben. Die vielfachen Veränderungen im Bild des Dorfes und seiner Flur und die dadurch bedingten neuen Gegebenheiten in der Bodengestalt, der Wege und Bachläufe und des Baumbestandes oder des verschwundenen Waldes, entsprechen oft nicht mehr dem Sinn des Namens. Viele Namen sind daher auch außer Gebrauch gekommen, während andere sich wieder bis in die Jetztzeit erhalten haben. Flur- und Wegenamen sind ein Stückchen Kulturgeschichte innerhalb der heimatkundlichen Forschung. Die Namen zu sammeln, sie kartenmäßig aufzuzeichnen, den nicht mehr gebräuchlichen nachzuforschen und ihren Sinn zu deuten, ist eine Teilaufgabe der Heimatforschung. Neue Flurnamen entstehen, die den schnellen Veränderungen, den dadurch geschaffenen neuen Gegebenheiten und den Menschen einer neuen Gesellschaftsordnung entsprechen, die den Boden heute bestellen und oft nicht die Tradition der alten Flurnamen kennen.
Die ältesten Einwohner eines Dorfes kennen meist noch die alten Namen. Als Quelle für die Flurrnamensforschung kann vor allem auf die Separationsakte und Separationskarte des Dorfes hingewiesen werden. Alte Kauf- und Erbverträge bieten ebenso Quellenmaterial.
An dem Beispiel der Flur Straach soll einmal als Anregung und zur Nacheiferung der Versuch einer Flurnamenzusammenstellung und der Deutung der Namen gemacht werden.


Die Wildbahn
Feld an der Nordspitze der Straacher Flur gelegen. Es liegt am Wald, das
die Jagenbezeichnung Wildbahn hatte. (Wildreiches Wald- und Jagdgebiet der Anhaltischen Fürsten. Die Jagen heißen Straacher, Senster und Marzehner Wildbahn.)
Hinter dem Graben
Feld und Wiesengelände östlich der Wildbahn. Eine Geländesenke im
Nordteil der Flur, die als Graben bezeichnet wird, gab dem Flurteil den
Namen.
Am Niemegker Weg
Die Feldflur rechts und links des alten Handelsweges nach Niemegk.
Wahrscheinlich waren für den südlichen Teil noch besondere Flunnamen
in Gebrauch, die nicht mehr erhalten sind.
Der Eichberg
Feld südlich der Flur hinter dem Graben. Früher flacher Hügel, Unland,
das mit Eichengestrüpp bewachsen war. Hierher wurde das Vieh zur
Weide getrieben. Später wurde der Hügel gerodet und urbar gemacht
(1870 schon als Feld benutzt), der flache Hügel wurde durch die landwirtschaftliche Nutzung noch mehr abgetragen und geebnet. Der Flurname ist noch heute im Gebrauch.
Der Erbsberg
Kleine Erhebung zwischen der Flur Eichberg und dem Hack. Der Flurname konnte bisher noch nicht weder geschichtlich noch etymologisch gedeutet werden. Mit dem Anbau der Erbsfrucht hat der Name aber nichts zu tun.
Das Hack
Südlich des Erbsberges bis zum Dorf und zur Berkauer Straße. Lehmigmergeliges Land auf der Höhe hinter dem Dorf, das bei nassem Wetter leicht hart und fest wie eine Scheunentenne wird und oft gehackt, d. h. gelockert werden muß. Name sicher schon aus sehr alter Zeit. Beispiel für sinngemäße, volkstümliche Namensgebung. Früher waren dort Lehmgruben.
Die Sorge
Zwischen Graboer Weg und Berkauer Straße gelegen. Früher bewaldet,
leichter Sandboden, ausgewaschener Mergel, zum Teil Unland, heute Feld mit neuen Rodungen. Ein großer Teil des Unlandes wurde erworben von der Hörnickeschen Wirtschaft. Der Name soll etwa in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch die Groß- oder Urgroßmutter des letzten Besitzers der Wirtschaft entstanden sein. Deren Ausspruch beim Erwerb des Unlandes und der Rodung war: „Da haben wir uns bloß eine neue Sorge aufgeladen“. Der Name Sorge blieb an dem Flurteil hängen und ist noch heute im Gebrauch.
Pfarracker
Im Westen des Dorfes zwischen dem Hang an der Marzehner Straße und dem Bülziger Weg gelegen. Pfarracker oder Pfarrfeld, das Feld, das der Kirche und Pfarre gehört, früher vom Pfarrer selbst bewirtschaftet wurde und heute verpachtet ist. Das Stück hinter dem Kirchhof und der Schule heißt Schul- und Kirchenacker. Es diente als Dotation der Lehrerstelle.
Das Bruch, Bruchwiesen
Südlich der Marzehner Straße gelegen. Sumpfiges, mooriges Wiesenland, das bis ans Dorf reicht. Quellgebiet des Rischebaches.
Am Sportplatz
Links der Bülziger Straße. Name erst in neuerer Zeit entstanden. Sandiges Feld, genannt nach dem dort angelegten Sportplatz. Die Felder rings herum bis nach dem Kahlgrund heißen jetzt danach.
Der Quarksack
Als Quarksack wird ein spitz zulaufendes, fast dreieckiges Stück Land im
Pfarrfeld bezeichnet, das in einer Senke hinter dem Dorf rechts der Bülziger Straße liegt. Hier war früher eine Tongrube, die von den Straacher Töpfern benutzt wurde. Nach der Ausbeutung wurde sie als Schuttabladeplatz benutzt und langsam ausgefüllt. Es war ein wertloses Stück Land, das in der Mitte ein Wasserloch, ei:nen Kolk, hatte.
Dieses Stück Land gehörte ursprünglich der Pfarre. Es wurde dem Hüfner Hörnicke zur erblichen Nutzung überwiesen für das Recht des Pfarrers, auf dem Hof des Hörnicke das Wasser zu holen. Aus den Akten der Pfarre:
„Verhandelt zu Straach den 26. Juli 1842. Zu Folge der Beschwerde
des Pfarrers Schroer, daß der Hüfner Hörnicke das Wasserloch auf seinem Acker, woselbst die Pfarre berechtigt ist, Wasser zu holen, ausfüllte, hatte der Unterzeichnete in Gegenwart
1. des Pastors Schroer,
2. des Richters Bölke,
3. des Hüfners Hörnicke
den genannten Kolk besichtigt und fand denselben. fast ganz mit Erde und Steinen ausgefüllt. Der G. Hörnicke bat, ihm die Ausfüllung des Wasserloches zu gestatten und erklärte sich bereit, der Pfarre zu Straach auf immerwährende Zeiten und vorzugsweise das Recht zu gewähren, das zum Gebrauche benöthigte Wasser aus seinen beiden Brunnen zu holen. Der Herr Pastor Schroer accentirte diese Anerbietung und Unterzeichneter fand nichts dagegen einzuwenden.
Gezeichnet Schroer Pfarrer,
Bölke Richter,
Hörrnicke.
gez. von Jagow, Königl. Landrath. „
Auch dieser Name ist wieder das typische Beispiel volkstümlicher Namensgebung. Sack bedeutet soviel wie Ende Zipfel. Quark ist eine wertlose Käseart, also etwas Wertloses. Quarksack war demnach der wertlose Zipfel Landes, um den man den Herrn Landrat bemühte.
Dorns Berg
Hügelkuppe südlich des Dorfes. Sandige, kiesige Kuppe an der Höhe neben dem Schulweg, mit Birken und Kiefernkusseln, genannt nach dem
Besitzer, dem Hüfner Dorn. Obgleich der Name des ehemaligen Besitzers im Dorf nicht mehr vorkommt, ist die Flurbezeichnung heute noch im Gebrauch.
Die Grashöhe
In der Nähe von Dorns Berg gelegen. Früher mit trockenem Gras bestandene sandige Kuppe, heute Feld. Name kaum noch im Gebrauch. Heute sind dort Schrebergärten angelegt.
Die Brunnenwiesen
Wiesen rechts und links des Rischebaches hinter dem Dorf. Der Name ist
erst in den letzten fünf Jahrzehnten im Gebrauch, entstanden nach den
Brunnen, die von der Stadt Wittenberg angelegt wurden. Die Brunnen
liefern das Wasser für die Lutherstadt.
Der Kahlgrund
Im Südwesten des Dorfes gelegen. Ursprünglich hatte nur der kahle, nicht bewaldete Talzug mit Wiesen und Feld diesen Namen. Einst waren hier auch Tongruben für die Straacher Töpferei. Dieser „Kahle Grund“ gab dann dem ganzen Flurteil, also auch dem umgebenden Wald, den Namen. Der Name muß schon sehr alt sein, er ist schon vor der Separation gebräuchlich gewesen.
Das Gründigen
Wiesen und Feld im Grund am Schulweg bis zur Höhe, vom Wald des
Kahlgrundes begrenzt. Im Grund eine Quelle.
Die Nachthainichte
WieselIlgelände zwischen Wittenberger Straße und der Eisenbahnlinie bis zur Alten Mühle. Dieser eigenartige Name, mit dem man zunächst nichts anfangen kann, tritt sehr oft in den Fluren des Kreises Wittenberg als Flurname auf, z. B. Labetzer Flur. Zerlegt man den Namen in das Wort
nackt, das zu Nacht abgeschliffen wurde im Sprachgebrauch, und in Hain,
so kommt man zunächst zu folgender etymologischer Deutung: nackter
Hain, d.h. gerodeter Auewald, der in dem nassen Gelände rechts und
links des Rischebaches gestanden haben könnte. Die Brunnenwiesen gehörten ursprünglich zur Nachthainichte. Heute ist der Name beinahe vergessen im Sprachgebrauch des Dorfes.
Der Name ist schon sehr alt und ist wahrscheinlich anders zu deuten:
Nachthainichte sind von Hecken, Strauchwerk und Bäumen eingefriedigte Viehweiden, in denen das Vieh auch des Nachts verblieb. Haie, verändert im Sprachgebrauch in das sinnverwandte Wort Hain, bedeutet nach Hoffmanns Fremdwörterbuch Hecke. Ursprünglich hatte es den Sinn von einer Waldstelle, die von Sträuchern abgegrenzt war, später dann übertrug man den Namen Haie auch auf von Strauchwerk umgrenzte Wiesen- und Weideflächen (ähnlich den „Knicks“ in Norddeutschland, Holstein)
Am Sandberg
Mehrere Meter ansteigender steiler Hügel aus feinem, weißem Sand neben der Wittenberger Straße im Osten des Dorfes. Die an ihm vorbeiführende neue Straße des Dorfes erhielt danach ihren Namen. Aber auch das Ackerland auf der Kuppe erhielt danach den Namen.
Der Schweineanger
Unland, sandiger Boden, ehemals mit Kusseln und Gestrüpp bestanden, z.T. urbar gemacht, zwischen Waldstraße und Sandberg gelegen. Ob es Tatsache ist, daß dort das gefallene Vieh verscharrt wurde, also Schinderkeite oder Schindanger war, läßt sich nicht mit Gewißheit nachweisen. Es ist aber durchaus möglich, da das Unland abseits des Dorfes lag, (Am Sandberg und die Waldstraße wurden erst viel später als Erweiterung des Dorfes angelegt.) wahrscheinlicher ist aber, daß die Bewohner der Berkauer Straße auf diesem Unlandacker ihre Schweine getrieben haben. So ist der Name wahrscheinlich zu deuten; angar aus dem Althochdeutschen bedeutet Grasland.
Der Birkengrund
Der Grund in Fortsetzung der Waldstraße vor den bewaldeten Höhen,
mit Birken und Kiefernschonung bestanden, früher mit Hochwald bestanden. Name wahrscheinli·ch erst nach dem Kahlschlag nach der Jahrhundertwende entstanden.
Das Grabische
Feld hinter dem Dorf südlich des Graboer Weges, sandiger Boden. Name
nach dem Weg nach Grabo.
Der Schallin
Name für das Waldgebiet südöstlich des Dorfes bis zur Flurgrenze. Der
Name läßt sich ableiten von dem mittelhochdeutschen Wort schal, d. h.
schallen, verschollen. Nach noch jetzt vorhandenen sagenhaften Erzählungen soll in der Senke des Nebentalzuges ein Dorf gewesen sein, von dem man noch Mauerreste im vorigen Jahrhundert gefunden haben will. Es besteht die Möglichkeit, daß dort versteckt eine wendische kleine Siedlung gewesen ist, die aber schon bei der deutschen Besiedlung des Dorfes Straach verschwunden sein muß. Wahrscheinlich ist das Dorf im Schallin schon verschwunden gewesen, ehe die Deutschen und Vlamen den wendischen Rundling Stracho erweiterten. Da der Name Schallin schon in den ältesten Urkunden vorkommt, also sehr lange im Gebrauch ist, ist anzunehmen, daß schon die ersten Einwohner Straachs von dem sagenhaft verschwundenen und verschollenen Dorf sprachen.
Schallin, das Verschollene, galt als Flurbezeichnung für die gesamte Flur. Auf keinen Fall ist aber dieses sagenhafte Dorf eine wüste Mark des Mittelalters, denn dann wäre irgend eine urkundliche Erwähnung vorhanden.
Die Bullerspringe
Im Schallin gelegene Tal- und Wiesenschlenke, nahe der Wittenberger
Straße. Quelle eines Wassergrabens, durch Senkung des Grundwasserstandes nicht mehr sehr wasserreich. Der Name läßt sich nicht einfach deuten. Ob dort einmal eine Viehweide war oder die Bullen gehütet wurden, steht nicht fest. Ob der Name damit überhaupt in Zusammenhang zu bringen ist, ist wohl anzunehmen, aber zunächst nicht beweisbar. Diese Deutung wäre am naheliegendsten. Im lateinischen bedeutet bulla auch Wasserblase.
Das wäre ein Hinweis auf die Quelle.
Flachsreute (auch mit th)
So heißt die kleine nasse Bruchwiese im Schallin an der Wittenberger
Straße in der Nähe der Nudersdorfer Grenze, nicht weit von der Bullerspringe. Der Name kommt von Flachsröte oder Flachsröste. d.h. aus dem mittelhochdeutschen roezen = mürbemachen. Das Rösten der Stengel des Flachses (Kaltwasserröste) wird hier von den Straacher Bauern ausgeübt worden sein. Die Abwandlung von rösten, röten zu reuten oder reuthen, was im Mitteldeutschen roden, rütteln, locker machen bedeutet, beruht wohl nur auf einer Lautverschiebung.
Wegenamen
Die Feldwege, Straßen und Chausseen haben meist ihren Namen nach den Orten, wohin sie führen. Einige Wege aber bedürfen einer Erklärung
und Deutung.
Der Mühlweg
Er verläuft durch den Schallin von der Wittenberger Chaussee nach der
Berkauer Straße. Die Bauern von Berkau, Kerzendorf und Weddin benutzten ihn als kürzesten Weg, um ihr Korn zur Alten Mühle zu fahren,
Wassermühle, die nicht mehr in Betrieb ist.
Der Schulweg
Er führt von Nudersdorf bald rechts, dann wieder links neben der Bahn
entlang zum Westeingang von Straach. Sein Name ist heute unverständlich. Nudersdorf besaß früher weder Kirche noch Schule. Die Kinder muß­ten nach Straach zur Schule, das Kirch­ und Schulort war. Vom kleinen alten Dorf Nudersdorf war dieser Feldweg die kürzeste Verbindung zur Schule. Der Name ist noch heute im Gebrauch.
Der Triftweg oder die Trift
Feldweg im Nordteil der Flur, vom Niemegker Weg bis zur Berkauer
Straße. Ehe er die letztere erreicht, biegt er im rechten Winkel nach Süden ab. Der Name kommt von treiben, auf ihm wurde das Vieh zum Eichberg zur Weide getrieben,
Der Grenzweg
Der eigentliche Grenzweg verläuft an der Westgrenze der Flur von der
Marzehner Straße bis zur Wildbahn, seine Verlängerung von der Marzehner Straße nach Süden ist durch Flurveränderung mehrmals unterbrochen. Der Feldweg ist breit, mehrere Grenzsteine mit dem anhaltischein Wappen standen an seinem Rand. Ein schmaler Feldweg an der Nordgrenze der Flur wurde Berkauer Grenzweg genannt.
Niemegker Weg
Feldweg durch den Nordwestteil der Flur nach Norden, dann abbiegend
etwas nach Nordosten, führt an dem Flurteil Wildbahn vorbei. Alte Verkehrs-­ und Handelsstraße in den Fläming, nach Niemegk. Die heutigen Verkehrsstraßen verlaufen anders.

Erich Hesse

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