1931.06.20. Unser Heimatland
Unsere Lutherstadt Wittenberg besitzt eine stattliche Zahl von Hausinschriften namentlich aus älterer Zeit. Der Verfasser hat sich der Mühe unterzogen, diese zu sammeln. Sie sollen an dieser Stelle wiedergegeben werden.
Beim Eintritt in die Stadt fällt der Blick des Besuchers zunächst auf den Ostgiebel des Augusteums. Bei seiner Erneuerung im Jahre 1900 wurde dieser mit einer in großen Formen gehaltenen Nachbildung des Universitätssiegels geschmückt, die das Relief-Brustbild des Stifters der Universität Kurfürst Friedrichs des Weisen zeigt mit der Inschrift: “
„Frid. 3. Me auspice docere coepit S. Universit. Wittenberg 1502.“ (Friedrich III. Unter meinem Schirm hub sie zu lehren an. Siegel der Universität Wittenberg 1502.“)
Die Decke im Durchgangsflur des Augussteums trägt an dem breiten Querbalken Aussprüche Luthers, und zwar auf der Vorderseite:
„Ich hab einmal des Papstes Dekret zu Wittenberg verbrannt, und ich wollts wol noch einmal verbrennen.“
Auf der Rückseite:
„Es liegt nichts an mir, aber Christi Wort will ich mit fröhlichem Herzen und frischem Mute verantworten, niemand angesehen, dazu mir Gott einen fröhlichen, unerschrockenen Geist gegeben hat“
Auf dem abschließenden Torbogen stehen die Worte:
„Niemand lasse den Glauben daran fahren, daß Gott durch ihn eine große Tat will. D. M. Luther.“
An der nördlichen Außenfront des Lutherhauses erblickt man zwischen den alten Butzenfenstern der Lutherstube unter einem mit reichem Maßwerk geschmückten Baldachin das Brustbild Luthers (verfertigt 1876 von Schober in Halle) mit der Unterschrift: „hier lebte und wirkte D. Martin Luther von 1508 bis 1546.“
In den darunter liegenden Räumen war bis 1928 die Lutherschule untergebracht. An dem Deckenbogen des Hausflures steht:
„Gottes Wort, Lutheri Lehr, vergehet nun und nimmermehr.“
Das fünf Häuser weiter gelegene Melanchthonhaus trägt an seiner Vorderseite eine gußeiserne Tafel mit der Inschrift:
„Hier wohnte, lehrte und starb Philipp Melanchthon.“
Als ein Mangel muß es empfunden werden, daß an der benachbarten Fridericianumkaserne, an deren Stelle einst die Hauptgebäude der von Friedrich dem Weisen 1502 gegründeten Universität sich befanden, keine entsprechende Inschrift auf die Bedeutung dieses Ortes hinweist.
An dem Geschäftshaus von C. G. Holzhausen, Collegienstraße 90, trägt eine Steintafel die Inschrift:
„Joel II: Quicungue invocaverit nomen Domini salvus erit.“
(„Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.“)
Die Stadtkirche trägt auf ihrer Südseite eine unter dem Dach angebrachte Inschrift, welche sich auf die im Jahre 1570 erfolgte Erneuerung des Gotteshauses bezieht und in deutscher Übersetzung lautet:
„Mein Haus ist ein Bethaus. Dessen Säuberung von den Papisten, die es zur Mördergrube gemacht, ward begonnen 1517 durch den teuren Gottesmann D. Martin Luther und ist dabei geblieben durch Gottes Hilfe bis zum gegenwärtigen Jahre 1570, in welchem eine Erneuerung des Kirchengebäudes geschehen ist. Gott hat sein Reich aufgerichtet. Dasselbe wolltest du, Gott, uns stärken, denn es ist dein Werk. Ps. 68, 29. d. 6. September 1570.“
Das benachbarte, in der Südostecke angebrachte eigenartige Sandsteinrelief wird als eine Verspottung der Juden und die darüber befindliche Inschrift „Rabbini Schemhamphoras“ als hebräische Zauberformel gedeutet.
An dem Hause Kirchplaz Nr. 14 bezeichnet eine im Jahre 1926 angebrachte Gedenktafel aus Kalksandstein die Wohnung des Liederdichters Paul Gerhardt, der in der Familie des damaligen Archidiakonus Fleischhauer als Hauslehrer tätig war. Die Tafel trägt unter einer singenden Nachtigall die Inschrift:
„Befiehl du deine Wege.“ Der Dichter deutscher Kirchenlieder Paul Gerhardt wohnte in diesem Hause von 1628 bis 1642.
Das den Kirchplatz auf seiner Nordseite begrenzende Gebäude der Druckerei des „Wittenberger Tageblatt“ (Fr. Wattrodt) beherbergte bis zum Jahre 1888 das Wittenberger Gymnasium. Darauf weist sowohl eine Inschrift auf seiner Vorderfront als auch auf der dem Kirchplatz zugekehrten Rückseite hin. Letztere trägt über der Tür eine Sandsteintafel, die unter dem kursächsischen Wappen eine lateinische Inschrift enthält, die in deutscher Übersetzung lautet:
„Sprüche 2, 2: Lerne, mein Sohn, Weisheit, und mein Herz wird sich freuen, daß denen geantwortet werden kann die mich schelten, Nach Colos. Kap. 2 B. 3: In Christus liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen. Im Jahre 1564 im Monat Juli wurde der Bau dieser Schule begonnen, in welcher Zeit der hochberühmte Fürst August von Sachsen des heiligen römischen Reiches Kurfürst etc. diese Lande regierte, der durch seine Freigiebigkeit zu diesem Bau verhalf. Der Pfarrer dieser Kirche war: D. Paul Eber aus Kitingen und der Bürgermeister dieser Stadt Herr Thomas Heilinger.“
Die auf der Vorderseite des Hauses befindliche Inschrift lautet: „Gymnasium Wittenbergense, restauratum et amplificatum an. 1828. Quam iuvat ingenuas vitam coluisse per artes et semper studiis invigilare bonis.“
(Wie nützlich ist es, das Leben durch heimische Künste zu verschönen und immer edler Wissenschaft obzuliegen.“)
Am Bugenhagenhaus (Superintendentur) befindet sich folgende Inschrift:
„Deo Votis Annuente sub Auspiciis Friderici Augusti Reg: Polon: Elect. Saxon. hisce Aedibus vetustate ad occasum inclinatis Joanne Georg: Abicht S. S. Theol: JDP. Past: et Sup. Gen. Novus ortus Novumque decus sub Regimine: Joannis Pauli Reilii Cons: Regent: Accurante Justo Augusto Fleischhauero Aerar: Eccles: Praef: Felici Sidere Rediit Anno MDCCXXXI.“
(„Unter Gottes Schutz und unter der Gunst Friedrich Augusts, Königs von Polen, Kurfürsten von Sachsen entstanden wiederum neu und empfingen neue Zier diese Gebäude, welche infolge ihres Alters zum Untergang bestimmt waren, da Johann Georg Habicht, Doktor der Theologie, Pastor und Generalsuperintendent war. Die Erneuerung fand statt unter Leitung des regierenben Bürgermeisters Johann Paul Reilius und unter Beihilfe des kirchlichen Schatzmeisters Justus August Fleischhauer bei glücklichen Gestirnen im Jahre 1731.“)
Die darüber befindliche gußeiserne Gedenktafel berichtet:
„Hier wohnte, wirkte und starb D. Johannes Bugenhagen, General-Superintendent des Kurkreises, geboren zu Wollin in Pommern den 24. Juni 1485, gestorben in Wittenberg den 20. April 1558. Hebräer 13, 7.“
Das Pfarrhaus Jüdenstraße 36 trägt nachstehende Inschrift: „Autore ac Promotore Deo ter optimo maximo bina haec ministorum ecclesiaticorum domicilia sub regimine Dn. Friderici Augusti Polon: regis et elect: Saxoniae Pastore ac Superintendente Generali Caspare Loeschero Theol. Doct: et Prof: Publ. Consule regente Johanne Erico Ostermanno J. U. Cand: et Senatus urbani seniore sumptibus aerarii sacri curante eiusdem Praefecto Godofredo Zimmermanno Senatore ac Bibliopola´ex fundamentis restituta sunt. Anno Christi MDCCXVI.“
(„Unter dem Schutz und der Förderung des dreieinigen guten und großen Gottes wurden diese zwei Wohnhäuser kirchlicher Beamten (Pfarrhäuser) unter der Regierung des Herrn Friedrich August, Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen auf Kosten der Kirche von Grund auf wiederhergestellt, da Pastor und Generalsuperintendent Kaspar Loescher, Doktor der Theologie und öffentlicher Professor, regierender Bürgermeister Johann Erich Ostermann, beider Rechte Kandidat und Senior des Stadtsenats, und Schatzmeister Gottfried Zimmermann, Senator und Buchhändler, war. Im Jahre des Herrn 1716.“)
Am Rathaus bezeichnet die an der Südwestecke der Hauptfront angebrachte Jahreszahl 1524 den Beginn des Baues und die Zahlen 1768, 1868 und 1926-28 seine wiederholten Erneuerungen. Der im Jahre 1573 errichtete und reich im Stil der Renaissance verzierte Balkon trägt eine ganze Reihe von Inschriften, von denen hier nur jene, die als eigentliche Hausinschriften angesprochen werden können, wiedergegeben werden sollen. An der Vorderseite des Balkons steht:
„Fürchte Gott, ehre die Obrigkeit und sei nicht mit den Aufrührern.“
An der Ostseite:
„Jedermann sei untertan der Obrigkeit. Paulus an die Römer XIII.“ Unter dem Balkon:
„Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin, dir zugut. Paulus an die Römer.“
An der Westseite:
„Es ist keine Obrigkeit ohne von Gott. Wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Paulus an die Römer XIII.“
Unter dem Ballon:
„Durch mich regieren die Könige, und die Ratsherren setzen das Recht. Proverb. XII.“
Rings um den Balkon läuft die Inschrift:
„Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst.“
Zu den Hausinschriften ist auch der auf der metallenen Gedenktafel in der Vorhalle des Rathauses angebrachte Spruch zu rechnen, den Oberbürgermeister Wurm anläßlich des Richtefestes des erneuerten Rathauses im Jahre 1927 verfaßte:
Bleib Rathaus im neuen Gewande
ein Fels in Fried und Gefahr.
Blick stolz in Lutherische Lande
für weitere vierhundert Jahr.
Unweit des Rathauses, Jüdenstraße Nr. 16, befindet sich über dem Hauseingang die Inschrift:
„Unter dem Schutz des Allerhöchsten erbaut durch den Bürger und Tuchschärer Paul Weck im Jahre 1804.“
Der Erkerbau des Hauses Nr. 4 in der benachbarten Bürgermeisterstraße trägt im ersten Stockwerk die Inschrift:
„Vater Philipp hauste hier bis 1904.“
Die Inschrift erinnert daran, daß sich an diesem Orte früher die
Militär Hauptwache mit der Militär Arrest Anstalt – in der Soldatensprache „Vater Philipp“ genannt – befand, die im Jahre 1904 nach dem Neubau in der Verlängerten Bürgermeisterstraße, dem Schwanenteich gegenüber, verlegt wurde.
Das Haus Mittelstraße Nr. 4 trägt einen eingemauerten Stein mit der Inschrift:
„Maxima Petra Domus Est Bene Parta Domus MDCCLIV.“
(Der größte Stein des Hauses ist das gut begründete Haus. 1754)
In der Mittelstraße, am Hause Nr. 52, befindet sich eine Sandsteintafel mit der Inschrift:
„Gottes Wort und Lutheri schrift
ist des Papst und Calvini Gift.“
Dieser Stein ist repariert und dies Haus erbauet von Gottfried Brädickow 1717.“
Die Inschrift kennzeichnet die Abneigung gegen das Papsttum und die Lehre Calvins, dessen Anhänger im Kurfürstentum Sachsen den härtesten Verfolgungen ausgesetzt waren.
Am Holzmarkt Nr. 62, dem Lindauschen Hause, in dem sich früher die bekannte Zimmermannsche Buchhandlung befand, trägt eine Steintafel neben zwei allegorischen Figuren die Inschrift:
„Utilitas Hinxit Labor Ac Industri Servat.“
(Zum Wohlergehen hier dient Arbeit und Regjamleit.“)
Am ehemaligen Knabenrettungshaus (Glöcknerstift), Poststraße 17, befindet sich eine gußeiserne Gedenktafel mit der Inschrift:
„Dieses Knaben-Rettungshaus gründete am 1. Oktober 1856 der zur Zeit hier lebende Kgl. Justizrath Eduard Feodor Gloeckner, geboren am 13. April 1812 in Borna Kgr. Sachsen, gestorben am 22. Februar 1885 zu Dresden.
Sprüche 10, 7: „Das Gedächtnis des Gerechten bleibt im Segen.“
Ueber der Haupteingangstür des Hauses steht der Spruch, der auf die Erweiterung der Anstalt hinweist:
„Unverzaget mit Gott gewaget. 1874.“
Das Haus von Kaufmann Paul Friedrich, Ecke Mittelstraße-Neustraße, trägt zu beiden Seiten des der Neustraße zugekehrten Portals folgende Inschrift:
„Deutsch sein und deutsch bleiben,
deutsch sprechen, deutsch schreiben,
deutsch denken, deutsch wandeln,
wahr und deutsch handeln.“
Am ersten Haus der Schloßstraße der Adler-Apotheke (Cranachhaus), verkündet eine gußeiserne Gedenktafel:
„Lucas Cranach, Maler zu Wittenberg, wie er sich stets selbst geschrieben, wurde 1472 zu Kronach in Franken geboren, kam 1504 nach Wittenberg, kaufte 1520 diese Apotheke, war von 1535 bis 1544 Bürgermeister und starb am 16. Oktober 1553 in Weimar. Die Stadt Wittenberg im Jahre 1872.“
Über der Toreinfahrt des Hauses zwischen den Wappen des Professors Wernsdorf, Lucas Cranachs und bes Professors Leysers steht folgende lateinische Inschrift:
„Aedes vetustate exesas claris quondam nominibus Cranachiorium, P. et W. Lyserrorum, C. Ziegleri, J. G. Bergeri, Ern. Frid. Wernsdorfius D. ad decus urbis patriae refecit MDCCXXIII.“
(„Dies vom Alter verfallene Haus, berühmt einst durch die Namen der Cranache, Polykarp und Wilhelm Leyser, Kaspar Zieglers und J. G. Bergers, hat Dr. Ernst Friedrich Wernsdorf zur Zierde seiner Vaterstadt wiederherstellen lassen im Jahre 1723.“)
Am Treppenturm an der Hofseite des Hauptgebäudes ist eine Sandsteinskulptur eingemauert, die nach der Fahne, die sie in der Hand hält, landläufig der „Fahnenritter“ genannt wird und Kurfürst Friedrich den Großmütigen darstellt, worauf auch die darüber angebrachte Inschrift hinweist, welche lautet:
„Johann Friedrich der Großmütige, Stifter der Universität Jena, Kurfürst von Sachsen 1532 bis 1547, gestorben in Weimar 1554.“
Im Hinterhaus von Schloßstraße Nr. 2 (,,Schwarzer Bär“), einem alten Fachwerkbau, dessen Entstehung in die Reformationszeit zurückreichen mag, befindet sich folgende Inschrift:
„Jerem. XXII: Wehe dem, der sein Haus mit Sünden bauet und sein Gemach mit Unrecht.“
Das Haus Schloßstraße Nr. 4, in dem einst der in Luthers Lebensgeschichte vielgenannte Goldschmied Christian Döring wohnte, trägt auf der Hofseite einen Sandstein mit einer Blume und die Buchstaben A. B. 1597, was darauf hinweist, daß im Jahre 1597 Andreas Blume das Haus erwarb. Darüber steht:
„Gottes Wort, Lutheri Lehr,
vorgehet nun noch nimmermehr,
und obs gleich bisse noch so sehr
die Calvinisten an ihr Ehr.“
Wie die bereits angeführte Inschrift in der Mittelstraße, weist auch diese auf die Abneigung der Lutheraner gegen die Calvinisten hin.