Der Fläming im Wechsel der Jahreszeiten
Das absprechende Urteil über den Fläming ist
ebenso alt als ungerecht.
Der allerdings unbeglaubigte Ausspruch Luthers: „Ländeken, du bist ein Sändeken“, ist längst widerlegt, seitdem die Fortschritte der Landwirtschaft dieses
Gebiet in eine Kulturlandschaft umwandelten.
Allerdings ist im Fläming nicht das zu finden, was der moderne Mensch unter landschaftlicher Schönheit versteht. Es mangelt ihm das Vielfaltige der Gebirgslandschaft, welche alljährlich Tausende in die Alpen oder in die deutschen Mittelgebirge lockt. Und doch bietet der Fläming denen, die sich nicht mit einer oberflächlichen Kenntnis begnügen, wie sie vielleicht der besitzt, der vom Schnellzug Frankfurt-Berlin aus dieses Gebiet mustert, sondern tiefer in seinen Charakter eindringt, eine Fülle eigenartiger Schönheiten.
Sehr treffend charakterisiert diese der Geograph Ratzel mit den Worten:
„Die Urgroßväter waren besser daran, die zwar nicht die Alpen oder das Riesengebirge lockten, die aber in diesen wohl angebauten Flächen mit ihren Wäldern und unter alten Bäumen vergrabenen Dörfern ihr Ideal landschaftlicher Schönheit sahen.
Sie waren zufrieden mit ihrer Heimat und würde die Urenkel bedauert haben, die so wenig daraus zu machen wissen.“
Diese mannigfaltige Schönheit, welche der Flämingslandschaft bei aller Einheit eigen ist, offenbart diese zu jeder Jahreszeit in besonderer Weise. Eine wilde Romantik zeigt sie zur Zeit der Schneeschmelze. Dann Rauschen von dem Plateau die trüben Wasser nieder und machen die Rummeln zu tosenden Wildbächen, die öfter vernichtend über das „Gebild der Menschenhand“ sich ergießen und die Talmulden in wogende Seebecken verwandeln.
Der Flämingbewohner weiß zur Genüge von den verheerenden Wirkungen dieser Schmelzwasser zu berichten, die in einem heimischen Dichter, Anton Niendorf aus Niemegk,
ihren Schilderer gefunden haben.
Ein anderes Bild zeigt die Flämingslandschaft im Sommer.
Das ganze Gebiet trägt dann das Gepräge der Ruhe,
des tiefen Friedens, der Behäbigkeit.
Auf den weitausgedehnten Feldern bieten die verschiedenen Kulturpflanzen ein abwechslungsreiches Farbenbild.
Hier wogen die Kornfelder in goldenen Wellen,
im heutigen Land Sachsen-Anhalt u. Brandenburg
die dem Fläming den Ehrennamen „Kornkammer Sachsens“ verschafften.
Zu ihnen gewährt das Himmelblau des Flachses,
dessen Anbau in neuerer
Zeit wieder mehr in
Aufnahme gekommen ist
und das leuchtende Gelb
der stark duftenden Lupinen einen farbigen Kontrast,
dessen Wirkung durch ein eingestreutes Stück von rotflammendem Mohn noch erhöht wird.
Daneben erstrecken sich ausgedehnte Strecken, die mit
Buchweizen bestanden sind, auf dessen Blüte sich ungezählte Scharen emsiger Bienen tummeln.
Den dunklen Rahmen des Bildes bildeten die mit Birken
vermischten Kiefernwälder, deren Grün sich in der Weite mehr
und mehr mit dem Blau des Himmels mischt und somit dem bunten Landschaftsgemälde einen neuen Farbenton einfügt.
Den Kulturcharakter, den die Sommerlandschaft des Fläming zeigt, verleugnet auch der Herbst nicht. Überall trifft das Auge auf umfangreiche Getreidediemen, die dem reichen Erntesegen beredtes Zeugnis ablegen, in dessen sich auf den nahen und fernen Hügeln die Mühlen lustig im Winde drehen, die diesen Segen in das nährende Mehl umwandeln.
Auf den weiten Stoppelfeldern grasen zahlreiche Schafherden, inmitten deren der Hirt, auf seinen Stab gelehnt, träumerisch in die Ferne schaut oder auch an einem Strumpfe strickt, während sein wachsamer vierbeiniger Gehilfe die Herde umkreist, um sie von dem angrenzenden Rübenfelde fernzuhalten.
Vom Wege her und von zahlreichen Waldblößen aber leuchten
in roter Glut die Glöckchen des Heidekrautes in verführerischer Pracht.
So bietet der Fläming in jeder Jahreszeit für jeden, der vorurteilslos schlichte Schönheiten zu schauen und zu werten versteht, das Bild einer charaktervollen Landschaft.
Richard Erfurth
(gehe zu Veröffentlichungen R. Erfurth)