Ein Gang durch die städtischen Parkanlagen

Neben den historischen Gedenkstätten fesseln jeden Besucher der Lutherstadt die ausgedehnten Anlagen, welche die Zierde und den Stolz Wittenbergs bilden. Nicht viele deutsche Städte dürften etwas Gleichwertiges aufzuweisen haben. Sie sind unter Benutzung der alten Festungswerke geschaffen und von Jahr zu Jahr erweitert und verschönert worden. Weite Rasenflächen, unterbrochen von Blumenbeeten, Blütenstauden, dunklen Coniferen, lichten Laubbäumen, Blütensträuchern und blitzenden Gewässern, vereinigen sich zu einem anziehenden Gesamtbilde, dem die verschiedenen Denkmäler ein besonderes historisches Interesse verleihen.

Anlagen im botanischen Garten / Im Hintergrund das Eunicke-Denkmal

Der umfangreichste Teil der Anlagen beginnt am Schloßtor.
Auf dem oberen Hauptwege gelangt man zunächst zum „Batteriestein“, der zum Andenken an die hier im Januar 1814 erbaute Batterie errichtet wurde, mit welcher die Preußen die Festung sturmreif schossen. Gegenüber erhebt sich auf einer Anhöhe der ehemalige Kasinogarten, der in die städtischen Anlagen einbezogen wurde.
Auf der Westseite trägt er das „Tauentziendenkmal“.

Tauentziendekmal im ehemaligen Kasinogarten

Es wurde vom Offizierskorps des ehemaligen 20. Infanterieregiments dem Befreier Wittenbergs vom französischen Joche, Graf Tauentzien, und gleichzeitig seitens der Stadt Wittenberg dem Andenken seines ehemaligen Infanterie-Regiments Nr. 20 Graf Tauentzien von Wittenberg gewidmet, das bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919 hier in Garnison stand. Nicht weit vom Batteriestein erinnert der Efeu umsponnene „Entfestigungsgedenkstein“ an die im Jahre 1873 begonnene und von der Bürgerschaft freudig begrüßte Entfestigung Wittenbergs, die der Stadt die Möglichkeit schuf, sich auszudehnen.

Ein Kiespfad führt hinab zum Grunde, an einem Gewässer vorüber, auf dem sich einige Schwäne tummeln und zum „Botanischen Garten“ – einer sehenswerten, der Belehrung dienenden Sammlung von allerlei Pflanzengattungen. Darüber am oberen Hauptwege erblickt man eine steinerne Schmuckbank, deren hoher Aufbau das Medaillon Bild des Majors a. D. Stadtrat Fritz Eunicke trägt, der sich um die Schöpfung der Anlagen hervorragende Verdienste erworben hat.

Denkmal der Gefallenen des 20. Infanterie Regiments

Nach Osten zu sendet ein Springbrunnen seinen starken Wasserstrahl in die Luft. In seiner Nähe erhebt sich das Kriegerdenkmal zur Erinnerung an die siegreichen Kämpfe der Jahre 1864, 1866 und 1870/71.

Nach Überschreiten der verlängerten Juristenstraße gelangt man zu den Anlagen am Schwanenteich, der einen Rest des früheren Festungsgrabens bildet.

Am Schwanenteich

Die hohen m Blumenrabatten, Blütenbüschen und Bäumen geschmückten Ufer, welche ihn umrahmen, und das weiße, leuchtende Gefieder der Schwäne, die durch seine grüne Flut ziehen, vereinigen sich zu einem reizvollen Bilde.
Diesem fehlt freilich auch das ernste memente mori nicht:
Am rechten Ufer ragt ein hoher Gedenkstein empor, der – wie die Inschrift auf der Marmortafel meldet – errichtet wurde zum Gedenken an den Musketier Steinert, der hier am 9. Dez. 1883 ertrank, als er vier Kinder retten wollte, die auf dem Eis des Schwanenteiches eingebrochen waren.

Am östlichen Ufer erhebt sich das 1923 errichtete und nach dem Entwurf des Professor Manzel – Berlin gefertigte Denkmal für die im Weltkriege gefallenen Offiziere und Mannschaften des
– Infanterie  – Regiments Nr. 20;
– des Reserve – Regiments Nr. 20 und des
– Landwehr – Regiments Nr. 20.

Der Schwanenteich

Die steil abfallende Uferwand der Westseite des Schwanenteichs trägt eine Ehrentafel für den Ehrenbürger der Stadt, Stadtrat Paul Leonhardt, der sich um die Erweiterung und Pflege der Anlagen sehr verdient gemacht hat.

Nach Osten hin finden diese ihre Fortsetzung in den Anlagen am Melanchthon Gymnasium, dem schattigen, von Nachtigallengesang belebten Amselgrund und Postgrund in der Nähe des stilvollen Postgebäudes.

Luthereiche

Den wirkungsvollen Abschluß bilden die Anlagen an der Luthereiche. Sie gruppieren sich um einen im Jahre 1925 nach dem Entwurfe von Bildhauer Rex errichteten Schmuckbrunnen – einem Geschenk des Stadtrats a.D. Paul Friedrich.
Das besondere  Interesse beansprucht die weitausladende Luthereiche, welche die Stelle bezeichnet, an der Martin Luther am 10. Dez. 1520 die päpstliche Bann-Androhungsbulle verbrannte und damit auch äußerlich die Trennung von der Papstkirche vollzog.

Das im Süden der Stadt gelegene ehemalige Festungsgelände ist gegenwärtig noch in der Aufbereitung begriffen. Es ist im Wesentlichen der Anlage von Sportplätzen vorbehalten, von denen einige bereits eingerichtet sind.

Daneben sind aber auch für Anlagen verheißungsvolle Anfänge gemacht, so daß in Zukunft auch dieser Teil sich dem schönen Gesamtbilde, welches Wittenbergs Anlagen bieten, würdig einfügen wird.

Richard Erfurth †

aus: Luth. Wittenberg – Die Wiege der Reformation 1927

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