Zum 13. Juni 1925

Am 13. Juni d. Js. sind 400 Jahre verflossen, seit Dr. Martin Luther mit raschem Entschlusse Katharina von Bora als Ehegemahl und Hausfrau in die verödeten Räume des Wittenberger Augustinerklosters heimführte – ein Entschluß, der selbst bei seinen vertrautesten Freunden mit gutem Grunde die schwersten Bedenken auslöste.

Katharina von Bora war eine geflüchtete Nonne. Als neunjähriges Kind war sie von ihren Eltern in das Nonnen- Kloster von Nimbschen bei Grimma gebracht worden, um sie als armes adeliges Fräulein auf Lebenszeit versorgt zu wissen. Fünfzehn Jahre hatte sie bereits dort zugebracht. Da drang von Grimma her der Luthergeist auch in das Nonnenkloster.
„Laßt uns nach Hause!“ flehten die Nonnen ihre Eltern an, aber ihre Bitten stießen auf taube Ohren. Da faßten ihrer neun, unter ihnen Katharina von Bora, den Entschluß zur Selbsthilfe. Sie wandten sich an Luther, und dieser schickte ihnen in dem Kaufmann und Fuhrherrn Leonhard Koppe aus Torgau den rechten Mann.
Durch seine jahrelangen geschäftlichen Beziehungen mit dem Kloster fiel sein riesiger Planwagen keinem auf.
Die Legende berichtet, daß er den neun Nonnen, die sich ihm anvertrauten, Heringsfässer übergestülpt und sie so ungefährdet aus dem Kloster geführt habe.

Am Osterdienstag traf er mit ihnen in Wittenberg ein, wo sich Luther ihrer tatkräftig annahm. Katharina von Bora fand zuerst im Hause des Magisters Philipp Reichenbach liebevolle Aufnahme und dann bei der Gattin Lukas Cranachs ein Heim. Es fehlte ihr nicht an Bewerbern. Für einen von ihnen, den Doktor Glatz, machte Luther selbst den Freiwerber. Aber auch er erhielt einen Korb, und sie ließ Luther durch Amsdorf sagen, er möge doch mit dem Galatius aufhören, und leise, kaum für Amsdorf vernehmbar, fügte sie hinzu:

„Ja, wenn Luther käme“.

Und Martin Luther faßte sich ein Herz und hielt um ihre Hand an, die sie ihm freudig reichte. Unter Anteilnahme von Justus Jonas, Dr. Apel, dem Professor der Universität, Lukas Cranach und des Stadtpfarrers Johann Bugenhagen hielt er am 13. Juni 1525 Hochzeit und nach damaligen Brauch am 27. Juni unter allseitiger Anteilnahme seiner Freunde und der Wittenberger Bevölkerung mit seiner jungen Frau den ersten öffentlichen Kirchgang. Reicher Segen ist aus dieser seiner Tat, durch die er die christliche Ehe weihte, für unser Volk entsprossen. Der geächtete und gebannte Mönch wurde der Begründer des evangelischen Pfarrhauses, aus dem Jahrhunderte hindurch gewaltige Segensströme ausgegangen sind auf das deutsche Volk und das ganze Kulturleben.

„In den Zeiten nach Jena war Deutschland in den protestantischen Pfarrhäusern“. Kein geringerer als Bismarck hat dieses ehrenvolle Wort vom deutsch-evangelischen Pfarrhause gesprochen. Und wer wollte es leugnen, dass die Tausende von Pfarrhäusern auf dem Lande und in den Städten als Pflegestätten evangelischen Glaubens und evangelischer Liebestätigkeit, als Hort echter Bildung von unberechenbarem Segen geworden sind für die einzelne Gemeinde wie für das gesamte Land.

In seinem Buche vom evangelischen Pfarrhause sagt Baur:
„Die Vaterschaft Gottes und der Menschen Kindschaft – wieviel tiefer als durch den familienlosen Priester sind sie durch die evangelischen Pfarrer gepredigt worden, die eigene liebe Kinder aus Vaterherz pressen durften“.
Kann man sich ein innigeres Verhältnis denken, als das Vater Luthers zu seinen Kindern! Ein redendes Zeugnis dieses herzinnigen Verhältnisses ist der bekannte Brief an seinen Sohn Hänschen, wo er trotz aller Sorgen und Nöte der Zeit im entzückenden Plauderton den schönen Paradiesgarten schildert, in den alle frommen, fleißigen Kinder kommen.
Und wer möchte jenes wundervolle von ihm auf die Weihnacht Christi gedichtete Kinderlied missen
„Vom Himmel hoch da komm ich her“, ohne das wir uns eine  Weihnachtsfeier kaum denken können! Und welche rührend starken und aufrichtenden Trostesworte findet der Vater Luther beim Tode seines Lieblingstöchterchens Magdalene!

Und nicht minder innig und zart ist das Verhältnis zu seiner Käte, die er oft scherzend seinen „Herrn Käte“ nennt, und von der er betont:

„Ich bin im Besitz meiner Käte glücklicher
als der reiche Krösus“.

Welche Stütze er an seiner Gattin hatte, welcher Frieden auf ihn aus seiner Häuslichkeit inmitten der Kämpfe der Zeit einströmte, das hat er oft mit lautem Worten gepriesen.

So steht der Reformator vor uns als das Vorbild des echten deutschen Familienvaters. In dieser trüben Gegenwart,
wo so viele Bande sich lockern,
wo Sitte und Tugend so leicht ins Wanken kommen,
soll uns die 400 jährige Wiederkehr des Hochzeitstages unseres Luther mahnen, die Familie, die Keimzelle des Staates,
das deutsche Haus, den Urquell aller Kraft,heilig zu halten,
zu pflegen und zu schirmen.

Richard Erfurth †

aus: o du Heimatflur! vom 29.05.1925