Wittenberger Kalendermacher in alter und neuer Zeit

Es gibt zahlreiche Kalender mit verschiedenen Motiven
Foto: Achim Kuhn

In diesen Tagen haben die Kalender, die Weihnachten auf dem Gabentisch lagen, bereits ihre erste „Tätigkeit“ aufgenommen. Sie begleiten den Beschenkten nunmehr durch das Jahr 1996. Gegenüber diesem großen Angebot an Kalendern der verschiedenen Arten und Größen von heute war das Kalenderaufkommen vor über 450 Jahren in Wittenberg sehr bescheiden in Aufmachung und Inhalt.

Ein Herr Spangenberg gab hier bereits 1539 ein Handbuch der Kirchengeschichte heraus in Form der Kirchenzeit-Rechnung. Der Inhalt sei hier in den Hintergrund gerückt, wohl aber ist zu vermerken, daß hier eine Art Himmelskunde enthalten war. Diese Darstellung der Gestirne findet man bei allen weiteren Kalendern, ergänzt durch die Sonnenfinsternisse. Den Druck dieses Werkes besorgte der Wittenberger Drucker Georg Rhau.

Ausgaben in Latein
Wichtiger für die Darstellung ist aber der Freund, Mitarbeiter und Nachfolger der Reformatoren, Professor der Theologie und der Grammatik, Paul Eber (1511 bis 1569). Er verfaßte den ersten Wittenberger Kalender in lateinischer Sprache und ließ ihn in Basel 1550 drucken, aber auch im gleichen Jahr in Wittenberg. Durch Nachfrage bei den verschiedenen europäischen Bibliotheken war zu erfahren, daß die von Eber in der Zeit von 1550 und die von seinen Söhnen nach seinem Tode herausgegebenen Ausgaben bis 1582 noch in 137 Exemplaren vorhanden sind. Deutsche Ausgaben brachten seine Söhne zuwege.

Ein anderer Kalender ist der von Johann Colerus herausgegebene in Form eines Hausbuches. Es erschien 1592, gedruckt bei Christoph Axen in Wittenberg. Seine Verbreitung fand er bei Hauswirten, Ackersleuten, Apothekern, Weinherren, Handwerkern u. a. da er auf ökonomische Dinge einging und ein wirklicher Ratgeber war.

So findet man folgenden Hinweis für den August:

„Wer beim Heumachen nicht gabelt,
beim Schneiden nicht zappelt,
beim Auflesen nicht früh aufsteht,
der wird erfahren,
wie es im Winter sich verhält.“

(Nach heutigem Sprachgebrauch übersetzt, H. Kühne)
Bemerkenswert ist eine Offerte des aus Kemberg stammenden Wittenberger Schriftgießers Christian Zincke. Sein Angebot umfaßte alle Himmelszeichen, verschiedene Schriftarten, wie Schwabacher, Nonparell Nr. 1 und 2 u. a., auch Schreibeart auf Tertia Kegel Nr. 1 und 2, Cicero „Calender-Zeichen“.

Das war eine Offerte für die Kalendermacher seiner Zeit. Damals wie heute wandern solche Angebote meistens in den Papierkorb, deshalb sind diese Schrift- und Kalenderzeichen – als Offertenblatt gedruckt – äußerst selten.

Für ihre tägliche Arbeit benötigten die Stadtschreiber und die Räte beim Stadtregiment einen Jahrweiser. Für sie kamen Schreibkalender und Almanache in Frage. Schon 1515 wurde ein Almanach für fünf Pfennige erworben. Laufend wurden die Anschaffungen getätigt. So heißt es 1567:

„Drei Groschen vor zwein große schreib Calend.
vnnd 1 lang Almanach uffs Rathauß“.

Wirtschaft wirkte sich aus
Mit dem Niedergang des Buchwesens in Wittenberg hing es zusammen, daß in den nächsten Jahrhunderten keine Kalenderausgaben stattfanden. Erst 1922 gab der gründlich arbeitende Heimatforscher und Buchhändler Max Senf d. Ä. einen Heimatkalender mit wertvollen Beiträgen heraus. Doch die Inflationsjahre ließen weitere Erscheinungen nicht zu. Der in der Mittelstraße wohnende Kunstdrucker Clemens Stitz wagte 1926 eine neue Folge eines heimatlichen Kalenders und erreichte fünf Jahrgänge. Mit dem Kalender für 1930 war auch das zu Ende, schuld war die um sich greifende Weltwirtschaftskrise. Erst 1938 wagte der Kursächsische Heimatverlag Tietze, Richter & Co. die Herausgabe eines Heimatkalenders. Auch hier blieb es bei einem Jahrgang, denn ein Jahr später begann der 2. Weltkrieg.

Erwähnen sollte man die Kalender für den evangelischen Kirchenkreis Wittenberg, der von 1929 bis 1941 dem Autor vorliegt und wertvolle Wittenberger Beiträge enthielt, doch in erster Linie für die Kirchenprovinz Sachsen gedacht war.

Heinrch Kühne †

aus: Mitteldeutsche Zeitung vom 09.01.1996