Schildbürgerstreiche sind zu allen Zeiten geschehen, nicht nur im Städtchen Schilda – es sind wohl nur wenige Orte im Leben des deutschen Vaterlandes davon frei. Wenig bekannt aber dürfte es sein, dass der Verfasser jener Anekdoten- und Schwank Sammlungen, die unter dem Namen „Schildbürgerbuch“ berühmt geworden sind, ein Wittenberger Bürger war: Johann Friedrich von Schönberg, kurfürstlich sächsischer Rat, Hofrichter und Hauptmann zu Wittenberg.
Die erste Ausgabe des Schildbürgerbuchs erschien im Jahre 1597.
Ihr ging eine frühere unter dem Namen „Das Lalebuch“ voraus („lalen“ bedeutet schwatzen, närrisch sein), welche die erzählten Anekdoten noch nicht auf Schilda, sondern auf einen frei erfundenen Ort „Lalenburg“ bezieht.
Auch die späteren erweiterten Ausgaben des Buches, die im Jahre 1603 in Frankfurt am Main erschienenen ,“Grillenvertreiber“
und die 1605 in Hamburg erschienenen „Hummeln“ rühren von
dem gleichen Verfasser her.
Johann Friedrich von Schönberg wurde am 28 . Februar 1543 zu Sitzenroda bei Schilda als Sohn des kurfürstlichen Rats, Hofmarschalls und Rittmeisters Heinrich von Schönberg geboren. Nachdem er die Fürstenschule Grimma besucht hatte, bezog er 1562 die Universität Wittenberg. Nach Vollendung seiner Studien begab er sich auf Reisen, stand er kurze Zeit im Dienste des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg und widmete sich hierauf der Bewirtschaftung seiner Güter. Im Jahre 1577 berief ihn der Kurfürst August von Sachsen zum Assessor an das Hofgericht nach Wittenberg. Ein Jahr zuvor war er mit Falkenberg belehnt worden, wozu er 1586 auch Uebigau erhielt. Mit dem Ritter Hans Löser auf Schloss Pretzsch wurde er 1580 vom Kurfürsten zum Kommissarius der Wittenberger Universität ernannt. Im Jahr 1590 erfolgte seine Ernennung zum Hofrichter und bald darauf zum Hauptmann der Kurstadt Wittenberg sowie der kurfürstlichen Ämter Gommern, Elbenau und Belzig. Als der Kurfürst 1592 die Stände seines Kurfürstentums zu einem Landtag nach Torgau berief, darunter auch Friedrich von Schönberg. Auch gehörte er zu den Visitatoren, welche gegen den Calvinismus vorgehen sollten. Bekanntlich verfolgten die unduldsamen, fanatischen Lutheraner jener Zeit jeden, der nicht völlig mit den von ihnen geschaffenen starren Glaubensformeln übereinstimmte. Wie weit er sich darin verstieg, das bezeugt unter anderem eine am Hause Mittelstraße Nummer 52 angebrachte Steintafel mit der Inschrift:
„Gottes Wort, Lutheri Schrift, ist Papstes und Calvini Gift“.
Schon der zum Entgegenkommen bereitete in Friede lebende Melanchthon hatte nach Luthers Tode viel unter diesem über Eifer zu leiden, noch mehr freilich sein Schwiegersohn, der Arzt, Dr.Peucer, den man als Kryptocalvinisten (heimlichen Anhänger Calvins) zwölf Jahre in Rochlitz und in Dresden gefangen hielt. Welchen Anteil Friedrich von Schönberg an dieser bedauerlichen Verfolgung Andersdenkender hatte, soll hier nicht erörtert werden. In seinem Alter kränkelnde er und zog sich deshalb auf sein Gut Falkenberg zurück, wo er am 24. März 1614 starb.
Die Bürger von Schilda haben sich von jeher entschieden dagegen gewehrt, dass ihre Stadt die Vorbilder zu jenen im Schildbürgerbuch erzählten Streichen geliefert habe. Es steht aber fest, dass der Verfasser keinen anderen Ort als das kursächsische Städtchen meinte. Allerdings will er mit seiner Satire nicht dieses allein treffen, sondern will das ganze Wesen der damaligen Kleinstädte überhaupt verspotten, gegen die er als Verfechter der Interessen des Adels eine große Abneigung besaß. Aus naheligenden Gründen wählte er als Sündembock die Stadt Schilda, über die er die ganze Schale seines Spottes ausgoss.
Richard Erfurth (1869 – 1949)
Überarbeitet von: Renate Düsedau und Elke Hurdelbrink