„Witteburg“ – die weiße Burg

Ursprung des Namens unserer Stadt

In früherer Zeit haben sich vor allem die Gelehrten an der Wittenberger Universität Gedanken über den Namen unserer Stadt und seine Herkunft gemacht. Das führte zu den tollsten Ergüssen, versuchte man doch nachzuweisen, daß viele Orte um Wittenberg mit den Städten aus der biblischen Geschichte übereinstimmen würden. Daran beteiligten sich auch Männer wie Philipp Melanchthon und andere Professoren späterer Jahrhunderte.
Doch alle diese Mutmaßungen mußten nach genauer historischer Nachprüfung in das Reich der Fabel verlegt werden.

Coswiger Straße – Blick zur Schloßkirche, um 1900
aus: Archiv des HV WB

Schließlich kam man in den letzten hundert Jahren zu der Überzeugung, daß der Name Wittenberg mit dem Burgward „Wittburc“ oder „Witteburg“ zusammenhängt, wie aus den alten Urkunden ersichtlich ist.
Ein Graf Dhiederich von Witburc weist uns darauf hin, doch ist von ihm außer seiner Erwähnung nichts bekannt. Erst in einer Urkunde von 1180 erscheint der Burgward Witteburg.

Das niederdeutsche witt (Schneewittchen) stand Pate, und eine starke Trennung zwischen Berg und Burg gab es früher nicht. Manchmal finden wir den Hinweis auf die weißen Berge (helle Sandhügel), die angeblich aus dem Grün der Wiesen und Wälder hervortraten, doch häufiger ist der Gedanke aufgegriffen worden, daß die Burg Wittenberg aus weißem (hellem) Sandstein errichtet wurde, und daß der Wohnturm weit ins Land schaute.
Jetzt liegen neue Forschungen aus der CSSR vor, die das bestätigen für die Burgruine Vizmbruk (Weißenburg), die im Nordosten nahe der Grenze zur VR Polen liegt. Dort ist der Burgturm mit einem Durchmesser von zwölf Metern freigelegt worden, und so müssen wir uns auch unseren Wohnburgturm etwa vorstellen.
Dort zeigte sich jetzt, daß die Burg aus reinem, weißem Sandstein erbaut worden ist und aus dem 13. Jahrhundert stammt.

Pfaffengasse/Jahnstraße – Blick zur Schloßkirche, um 1900
aus: Archiv des HV WB

Noch heute zeigt uns der Südturm des Wittenberger Schlosses, von weither erkennbar, seine helle Gestalt. Es ist eine feststehende Tatsache, daß man zu dieser Zeit seiner Erbauung stets alles Baumaterial mit verwertete. Der behauene Sandstein spricht dafür, daß die am Ende des 12. Jahrhunderts erwähnte alte Wittburg ebenfalls aus hellem Sandstein aufgebaut wurde. Und somit erhärtet sich die Vermutung immer mehr, daß diese Burg namengebend für das Gemeinwesen wurde, das sich unter ihrem Schutz entwickelte und schon nach rund 100 Jahren Stadtrechte im Jahre 1293 erhielt.

Heinrich Kühne †

aus: Freiheit vom 01.12.1982