Wie der Boden unserer Heimat entstand

Bei der Besichtigung einer Kiesgrube bemerken wir, daß die fruchtbare Ackerkrume oder die Humusschicht еіnе Decke von höchstens einigen Metern Tiefe bildet. Unter dieser findet sich an den meisten Orten Sand, Kies und Ton, in manchen Gegenden darüber noch eine Lehmschicht. Nicht selten liegt der Sand auf weiten Strecken zutage (Fläming, Dübener Heide, Dünen bei Pratau, Dabrun u.a. ). Auch auf dem Grunde der Flüsse und Bäche finden wir Sand mit erdigen Bestandteilen zwischen Geschiebe oder Geröll. Die Steine im fließenden Wasser sind alle abgerundet. Das Wasser wirkt einesteils zerstörend, indem es Erdschichten auslöst, andernteils aufbauend, sobald sich die von ihm fortgeführten Stoffe senken. Es ist also eine Kraft, die bei der Bildung unserer Erdoberfläche mitgewirkt hat und noch immer mitwirkt. Neben ihm hat aber auch das Feuer einen großen Anteil an deren Gestaltung. Man hat nämlich erforscht, daß unsere Erdkugel ursprünglich eine feurig- flüssige Masse war. Ihre Oberfläche erkaltete, und es bildete sich eine immer stärker werdende Kruste, während die Hitze im Inneren noch weiter andauerte. Durch die Abkühlung schrumpfte die Erde mehr und mehr zusammen, es entstanden Falten. Diese zerrissen und zerklüfteten sich, sodas Teile der oberen Schichten in die Tiefe sanken. Außerdem stiegen häufig Feuerstrome aus dem Erdinneren empor, durchbrachen die Oberfläche und verursachten so weitere Veränderungen derselben. Hieraus erklärt es sich, daß die Erdschichten nicht wagerecht übereinander lagern, sondern meistens schräg, vielfach sogar senkrecht stehen.
Hierzu kam, daß das Wasser die erreichbaren Erdschichten zerstörte, auflöste und aus den Niederschlägen sich neue Zusammensetzungen bildeten.

Die Erdrinde besteht aus einer großen Zahl der verschiedenartigsten Gesteine, die man nach ihrem Alter einteilt. Die ältesten nennt man Urgesteine (primare Formation).
Hierzu gehören z. B. Granit, Grauwake, Tonschiefer, Steinkohle.
In unserem Kreise finden sich keine Urgesteine. Ueber ihnen lagert das Rotliegende (sekundäre Formation).
Zu diesem gehören z. B. Sandstein, Porphyr, Kupferschiefer, Steinsalz, Muschelkalk. Auch das Rotliegende kommt im Kreise Wittenberg nicht vor. Jünger als dieses ist die Braunkohlenschіcht, (tertiare Formation), zu der neben der Braunkohle auch Quarzsand und weißer Flaschenton (Letten) gerechnet wird.
Braunkohlenlager finden sich bei Dobien (gering) und Gniest.
An manchen Braunkohlenstücken erkennt man deutlich, daß sie aus Holz, aus Bäumen entstanden sind. Diese bildeten einst große Wälder, die durch Gewässer überflutet und mit Sand und Schlamm bedeckt wurden. Unter dieser Decke verwesten, verkohlten die Bäume, und so entstand aus ihnen die Braunkohle.
Auf der Sand und Schlammdecke wuchs eine neue Pflanzenwelt empor, die auf die gleiche Weise verschüttet wurde. Da sich dies öfter wiederholte, so erklärt es sich, daß die Braunkohle meist in Schichten (Flözen) übereinander lagert, die durch Sand und Tonschichten (Abraum) von einander getrennt sind.

Zu dem sogenannten gefalteten Tertiär gehört das Gebiet nördlich der Stadt Wittenberg, das etwa begrenzt wird durch die Linie Wittenberg – Zahna – Straach – Hundeluft – Mühlstedt-Coswig (Anhalt) – Wittenberg.

Die jüngsten, obersten Erdschichten werden gebildet durch das Diluvium und das Alluvium. Beide verdanken ihr Entstehen der Mitwirkung des Inlandeises und des Wassers.
Gegen Ende der Tertiärzeit, also vor etwa 35 000 Jahren, setzten sich von Skandinavien aus gewaltige Eismassen in Bewegung, die als Inlandeis (Glazial) ganz Norddeutschland bis an die deutschen Mittelgebirge bedeckten. Sie führten zahlreiche Felsblöcke mit sich, die beim Abschmelzen zurückblieben und noch heute auf unsern Fluren als Findlinge (erratische Blöcke) lagern.
Ebenso wurden von ihnen Teile der Untergrundgesteine fortgeschoben (Gletscherschrammen und Glescherschliffe!), die sich an den Eisrändern als Moränen anhäuften. (Seitenmorane an den Seitenrändern, Endmoräne an dem muschelförmigen Erdrande und Grundmoräne am Grunde des Eises, dessen Stärke wir bis zu 1000 Meter annehmen müssen.)
Bei der Fortbewegung der Eismassen wurden die Gesteine rund geschliffen oder bis zu den kleinsten Teilen zerrieben und dann als Grundmoräne in Form von Geschiebemergel in einer Mächtigkeit von mehr als 100 Metern gelagert oder durch die Schmelzwässer als Sand und Ton in tiefer gelegenen Stellen abgesetzt.
Diese Schmelzwässer vereinigten sich zu gewaltigen Strömen Urströmen welche in die Erdoberfläche weite und tiefe Rinnen rissen, die als Urstromtäler bekannt sind.
Von diesen sind zwei für unsere Heimat von Bedeutung.
Das eine, das ältere, ist das Magdeburger Tal, das dem Laufe der schwarzen Elster und Elbe bis Magdeburg folgt, während das zweite, das Glogau- Baruther Tal, die Nordgrenze des Flämings bildet.

Mit dem Eintritt milderer Witterung zog sich das Inlandeis nach Norden zurück, und auf dem eisbefreiten Boden bildete sich eine neue Pflanzendecke. Diese wurde jedoch durch eine zweite Eiszeit vernichtet, der dann noch eine dritte Vereisung folgte.
Die zwischen den drei Eiszeiten (Glazialzeiten) liegenden Zeiträume mit milderem Klima bezeichnet man als Zwischeneiszeiten (Interglazialzeiten).

In der Eiszeit bildete sich das Diluvium. Diluviale Gebilde sind vor allem Ton, Kies, Lehm und Sand.
Zum Diluvium gehört das Gebiet des Flämings und seines südlichen Vorlandes bis zum Elbstrom, der überwiegende Teil des Landes südlich vom Elbdeich bis zur Dübener Heibe und die Dübener Heide selbst.

Die jüngste Lagerung, die sich noch heute in den Flußtälern fortsetzt, ist das Alluvium. Zu ihm gehören der Schlick der Elbaue, die Flugsandbildungen (Dünen) der Pratauer Kienberge, die Dünen bei Bleesern, Dabrun, Wartenburg u.a., ferner der fruchtbare, sandige Moorboden der Wittenberger Vorstädte und im Tale des Rischen Baches, die Moorbildungen bei Zörnigall, Kemberg u.a.,
die Heidemoore des Flämings, die Eisenmoore der Dübener Heide (Eisenmoorbäder Pretzsch, Schmiedeberg und Düben), sowie der nesterweise, z.B. am Piesteritzbach und in der Dübener Heide vorkommende Raseneisenstein.

Noch ist die viele Jahrtausende hindurch schon andauernde Gestaltung unserer Erdoberfläche nicht abgeschlossen; noch immer vollzieht sich auf und in der Erde ein steter Wandel und Wechsel.
Ein kurzes Menschenleben reicht freilich nicht aus, dies hinreichend zu beobachten, denn für die Schöpfung als Ganzes gilt das Psalmwort:

„Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag,
der gestern vergangen ist.“

Richard Erfurth †

aus: „O du Heimatflur“ vom 04.07.1924