Wenn es wieder blitzt und donnert

Gewitter erweckten schon immer die Ehrfurcht der Menschheit und es wurde dem Donner und Blitz entsprechender Respekt gezollt. Heute lenkt wohl fast jeder unserer Mitnenschen bei der Annäherung eines Gewitters an seine Fernsehantenne, ob die Stecker vom Fernsehgerät entfernt oder gar die Fenster verschlossen sind.
Die 16 Verhaltensregeln, die das „Wittenberger Kreisblatt Nr. 1“ von 1834 seinen Lesern bei Gewittern, vor nunmehr fast 150 Jahren, empfahl, sind es wert, an dieser Stelle in Erinnerung gerufen zu werden, ohne sie zu ernst zu nehmen.

– 1. Man suche, ehe das Gewitter nahekommt, das Zimmer, worinnen man sich aufzuhalten gedenke, durch Öffnung der Thüren und Fenster mit reiner Luft anzufüllen.
– 2. Man wähle zu seinem Aufenthalte, wo möglich, kein Zimmer auf der Erde. Hohe und trockene Zimmer sind weit sicherer, als niedrige und dumpfe Wohnungen.
– 3. Man vermeide alle Zugluft; daher schließe man die Fenster, lasse aber die Stubentür offen.
– 4. Man hüte sich vor allen brennbaren Dünsten, und lasse nicht zu viel Lichter im Zimmer brennen.
– 5. Man setze sich beim Gewitter mitten in die Stube, weil der Blitz oft an den Wänden hinläuft.
– 6. Man entferne sich von allem Metalle, z. B. Schlössern, Öfen, vergoldeten Leisten, man lege auch alles Metall, z. B. Geld, Schlüssel, Schnallen, Uhren und dergl. von sich.
– 7. Bei einem Gewitter müssen nicht zu viele Menschen in einem Zimmer seyn, denn durch viele Ausdünstungen wird die Luft verunreinigt, und der Blitz folgt den leitenden Dünsten.
– 8. Man halte sich beim Gewitter nicht in der Küche, noch weniger unter den Schornsteine auf.
– 9. Noch weniger mache man Feuer auf dem Herde, denn der Blitz folgt dem Rauche, als einem leitenden Körper.
– 10. Man entferne alle Hunde und Katzen von sich, denn die Gefahr ist bei der Anwesenheit dieser Thiere wegen ihrer Ausdünstung größer.
– 11. Man verlasse zur Nachtzeit bei einem Gewitter das Bette, weil der Blitz das Bette leicht anzündet.
– 12. Ist man auf der Straße, so gehe, reite oder fahre man langsam, weil man durch schnelle Bewegung einen heftigen Zug des Gewitters auf sich erregt.
– 13. Man trete nicht an Teiche oder anderes Wasser, und setze sich, wenns möglich ist, vor Regen in Sicherheit.
– 14. Sind die Blitze häufig und stark, so bedecke man die Augen mit der Hand oder mit einem Tuche.
– 15. Man gehe nicht gleich an die Stelle, wo der Blitz eingeschlagen hat, denn es ist sehr gewöhnlich, dass nicht selten ein zweiter Schlag auf die nämliche Stelle erfolgt.
– 16. Da Menschen auch vorn blossen Schrecken bei einem Gewitter können getödtet werden, so ist eine gute Fassung des Gemüts sehr vernünftig, wobei man auch überdem, bei sich ereignenden Unglücksfall, eher im Stande ist, sich und das Seinige zu retten.

Die Veröffentlichung vom 19. April 1879 der gleichen Zeitung steht in enger Beziehung mit der Serie „Ein Stück Elbgeschichte“ und beschreibt die Wirkung eines Blitzes bei einem Kettendampfer:
Der in der Frühe des Sonntags während des anhaltenden Regens aus dem dunklen Gewölk herabzuckende einzige Blitz, dem ein kräftiger Donner alsbald folgte, hat gewiß viele Schläfer in der Nachtruhe gestört.
Interessant wird es daher für manche der unsanft Geweckten sein zu erfahren, dass dieser Wetterstrahl bei Kleinwittenberg in die Elbe eingeschlagen hat, und zwar in unmittelbarer Nähe des dort übernachtenden Kettendampfers IX, dessen beide Dampfschornsteine durch den starken Luftdruck, welchen der Blitz verursachte, mit einem Schlage von dem anhängenden Ruße vollständig befreit wurden.

Karl Jüngel †

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aus: Freiheit vom Februar 1981