Im Jahre 1904 tauchte in Wittenberg das erste Motorrad auf,
eine 1 Zylinder NSU mt 2 ¾ PS, gefahren vom Melder des
Infanterie – Regiments 20 „Graf Tauentzin von Wittenberg“.
Dieser Soldat war im Zivilberuf zum Glück Gasmotorenmonteur
und verstand es so, sein noch anfälliges Geführt ständig flott zu halten. Benzin besorgte er noch in der Apotheke.
Im Jahre 1910 gab es in unserer Stadt bereits ein
„Lehrinstitut für Kraftfahrzeugführer“, 4 Werkstätten mit Vertretungen für die Automarken NAG, Hansa-Lloyd, Opel, Brennabor, Hansa, NSU und Phänomen, sowie für die Motorradmarken Wanderer und NSU.
Diese Werkstätten waren nach eigenen Angaben auf Autoreparaturen und „Explosionsmotore, Boots-, Stationäre, Luftfahrzeug- und Fahrradmotore“ sowie Bereifung und
das Pressen von Vollreifen „spezialisiert“.
10 Jahre später bestand eine „Fahrzeugwerke GmbH“
in der Scharrenstraße 2 mit den Automarken Adler,
Mercedes-Benz und AGA.
Ein „AGA-Spezial“ mit 10/45PS und 6-Zylinder-Motor
aus Wittenberg ist bei unseren Veteranen-Veranstaltungen
noch zu sehen.
Auf der Grundlage des Vorhandenseins eines nun schon erfahrenen Stammes an Kraftfahrzeugschlossern war es möglich, 1924 die
„Gesellschaft für Motorfahrzeugbau Wittenberg-Dessau“
zu gründen, die am Tauentzienplatz Motorräder produzierte,
die WD-Räder.
In diesem Gebäude befand sich später die Kraftfahrstelle des Postamtes Wittenberg.
Der Motorfahrzeugbau produzierte 2 Typen:
– eine 2,5 PS „steuerfreie Tourenmaschine“ und
– eine 3,5 PS „bequeme, zuverlässige Reisemaschine“.
Der Rahmen war eine Eigenentwicklung, die Motoren stammten
von den „Anhaltischen Fahrzeugwerkstätten Robert Krause KG“, einem Betrieb, der bereits 1906 den „Kleinwagen Dessavia“ produziert hatte und nun u. a. 4-Takt-Motorradmotoren für andere Betriebe herstellte.
Leider bestand der Motorradfahrzeugbau Wittenberg nur 3 Jahre. Obwohl die Fahrzeuge zur damaligen Zeit modern und zuverlässig waren, wurde der Betrieb bei zu hohen Kosten in der Herstellung ein Opfer des Konkurrenzkampfes.
Dr. Wolfgang Senst †
aus: Wittenberger Bürgergeschichten