Zu den Fremdkörpern im Strombett der Elbe gehörten außer mächtigen Felssteinen auch Wassereichen, mit denen sich die Schifffahrt noch bis etwa der Mitte unseres Jahrhunderts auseinandersetzen musste. Diese Wassereichen waren normale Eichen, die durch den damalig ständig ändernden Flusslauf unterspült wurden und schließlich umkippten.
Während die dünneren Äste und Zweige im Laufe der Zeit abbrachen, wurde der Stamm bzw. Stubben, unter der Wasseroberfläche liegend, immer härter und widerstandsfähiger. Über diese trostlosen Verhältnisse der Fahrrinne berichtet ein Aktenstück aus dem 19. Jahrhundert des Stadtarchivs in Magdeburg:
„Wegräumung der in dem Elbstrom hin und wieder zum großen Beschwer der Schifffahrt befindlichen Bäume und Stubben.“
Bei einer Strombereisung des Elblaufes durch Kaiser Wilhelm I. wurden auf einer Strecke von 140 km 153 Wassereichen festgestellt.
Die Räumung wurde durch den Kaiser als „sehr kostbar“ eingeschätzt und die Untertanen sollten diese Arbeit unentgeltlich besorgen.
Als Lohn wurde den Anwohnern gestattet, das geborgene Holz für eigene Zwecke zu verwenden.
Letztendlich musste doch in das Staatssäckel gegriffen werden und der „Übelstand“ beseitigt werden.
Im „Wittenberger Kreisblatt“ von 1879 sind auch Berichte nachzulesen, die nicht nur über die Behinderung der Schifffahrt, sondern auch über die gewaltige Schinderei bei der Beseitigung der Wassereichen informieren.
ZB:
– 23. 10. 1879:
„Der Schiffer Vehse aus Elster entdeckte unterhalb Clöden eine im Fahrwasser liegende Eiche, welche von dem eingesunkenen Stamm aus nur einige Zoll über der Erde lag. Zur Hebung fuhr er mit seinem 13jährigen Jungen seinen Zill- und Handkahn dorthin und begann frühmorgens seine Arbeit.
Eine sogenannte Holzhebe war das hauptsächlichste Instrument, womit er den Koloß hob.
Gegen Abend fuhr er die Eiche, zwischen beiden Kähnen schwimmend, nach Elster. Die schnurgerade Eiche ist 91 Fuß (28,75 m) lang, hält am Stamme mehr als 3 Fuß (94 cm) Durchmesser und wird, wenn sie innen so glatt und gesund ist wie außen, eine prächtige Mühlwelle (für Schiffsmühlen) abgeben.
Die Wasserbaubehörde ist dem Manne in vielen Fällen zu Dank verpflichtet.
Bildhauer dürften unter den gefundenen und der Verwendung harrenden Eichenstämmen manch passendes Stück vorfinden.“
– 27. 9. 1879:
„Der Gierfähre bereitet ein im Strombett ruhender Eichbaum bei der Überfahrt nicht geringe Hindernisse, da das Fahrseil besonders bei geringem Wasserstande oft daran hängen bleibt. Auf Anordnung der Regierung, die der Fährmann hiervon in Kenntnis setzte, wurde vor einigen Tagen der Eichbaum, der möglicherweise schon Jahrhunderte im Elbstrom Quartier genommen hatte, mittels zweier Windekähne mit vieler Mühe herausgewunden. Der Durchmesser betrug 1¼Meter, während die Länge eine Ausdehnung von 5 Metern hatte. Der Eichbaum wurde am Ufer gespalten und aufgeklaftert.
Den Schiffern, die sich dieser mühevollen Arbeit unterziehen, gehört das herausgeholte Holz und werden von der Wasserbauleitung außerdem noch gut honoriert.“
– Die gleiche Zeitung vom 26. 11. 1879 weiß von einer glimpflich verlaufenen Havarie zu berichten:
„Bei seiner Thalfahrt hob heute gegen Abend der Kettendampfer Nr. 13 mit der Kette bei Bleddin eine im Elbstrombett hierselbst liegende Eiche, welche mit einem Ast so durch die Bordwand ging, daß derselbe oben durch das Deck etwa 2 Fuß zum Vorschein kam. Glücklicherweise wurde der Dampfer vor dem Sinken bewahrt. Durch Abhauen des Stumpfes befreite man den Kettendampfer von dem entgegenstehenden Hindernis.“
Karl Jüngel †
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aus: Freiheit vom September 1980