Vor 500 Jahren Invokavit in Wittenberg
Der Sonntag Invokavit hat für die Geschichte der Reformation und die Geschichte der Predigt gleichermaßen eine besondere Bedeutung.
Der erste Sonntag in der Passionszeit hat den Namen „Invokavit“. Wörtlich übersetzt heißt das: „Er hat gerufen.“
Das bezieht sich auf Gottes Zusage in Psalm 91,15:
„Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.“
Am 9. März 1522 begann Luther nach seiner Rückkehr nach Wittenberg mit den sogenannten „Invokavit Predigten“. Ihr Ziel war es, die nach den radikalen Reform-bemühungen Andreas Bodenstein von Karlstadts entstandenen „Wittenberger Unruhen“ zu befrieden. Den Taten in Wittenberg hat Luther nur Worte folgen lassen – noch ganz gemäß des später in CA XXVIII formulierten reformato-rischen Grundsatzes „sine vi, sed verbo“. (ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort)
Der herrschenden Aufregung trat Luther in einer gelassenen, geradezu entspannten Haltung gegenüber, wie er in seinen Predigten selbst kommentiert:
„Ich bin dem Ablass und allen Papisten entgegen gewesen, aber mit keiner Gewalt, ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe, wenn ich Wittenbergisch Bier mit meinem Philipp und Amsdorff getrunken habe, so viel getan, dass das Papsttum so schwach geworden ist, dass ihm noch nie ein Fürst noch Kaiser so viel Abbruch getan hat. Ich hab nichts getan. Das Wort hat es alles gewirkt und ausgerichtet.“
Diese Gelassenheit fehlt heutigen Predigerinnen und Predigern gelegentlich. Angesichts konstant kleiner oder sogar sinkender Besucherzahlen im Gottesdienst mag das berechtigt sein. Doch ohne das Vertrauen in die Wirkung des Wortes kann niemand auf eine Kanzel steigen.
Elke Hurdelbrink (2017)