Vor 200 Jahren erschien die erste Wittenberger Zeitung

1968.08.31. Freiheit

Der historische Entstehungspunkt des Pressewesens fällt unmittelbar zusammen mit dem Entstehen der bürgerlichen Klasse. Mit dieser Klasse trat die Notwendigkeit auf, Nachrichten ökonomischer und politischer Art einem sich immer mehr ausbreitenden Bezieherkreis zu vermitteln. Und wenn man sich zum Beispiel den Abonnentenkreis einer süddeutschen Zeitung vom Jahre 1618 ansieht, umfaßte er den Amtmann, die Pfarrer, den Dekan und den Schulmeister, ihm gehörten aber auch Staatsmänner, höhere Beamte und Gelehrte an.
Erst wenige Jahre vorher waren übrigens die periodisch erscheinenden Zeitungen in Deutschland herausgegeben worden.
Uns sind aus dem Jahr 1609 die Straßburger Zeitung „Relation und der Wolfenbütteler Zeitung „Aviso“ bekannt.
In Leipzig hat sich erst um 1660 eine laufende Zeitung entwickelt. Und von Wittenberg wissen wir, daß der Professor der Naturlehre, Johann Daniel Titius (Tietz), sich 1768 die Herausgabe einer Wochenzeitung vom Kurfürsten privilegieren ließ.
Für die damalige Zeit war das gar nicht so einfach, denn die vom Fürsten ausgeübte Zensur hat oft ganze Zeitungen, beschlagnahmt. Titius handelte nach den Worten von Leibnitz: …

„Wäre demnach der Zweck therociam cum praxi zu vereinigen und nicht allein die Künste und die Wissenschaften, sondern auch Land und Leute, Feldbau, Manufakturen und Commercien, und, mit einem Wort, die Nahrungsmittel zu verbessern“.

Titius hat sich nun bei aller Wissenschaftlichkeit für die Dinge des täglichen Lebens in seiner Zeitung eingesetzt. Trotzdem war sein Blatt nur für Gelehrte und Bürger geschrieben, für Professoren und „Collegen“, doch wurde die Zeitung in vielen Universitätsstädten gebührend beachtet.

„Wittenbergsches Wochenblatt zum Aufnehmen der Naturkunde und des ökonomischen Gewerbes“

nannte sich die Zeitung, die in der Universitätsdruckerei durch Karl Christian Dürr im Format von 17×21 cm hergestellt wurde.
Jede Nummer hatte acht Seiten und 52 Ausgaben bildeten einen Jahrgang.

Interessant ist, wie der Professor seine Zeitung gliederte. Am Anfang standen die Morgen- und Abendbemerkungen der Luft (Schwere, Temperatur, Feuchtigkeit, Regen bzw. Schnee, Wind, Wetter);
2. physikalisch-ökonomische Bemerkungen und Aufsätze (Flachsanbau, Bier brauen, Bienenzucht und anderes);
3.  gelehrte Nachrichten (von nützlichen Büchern, von Gelehrten der Universität, statistische Angaben über Geburten und Sterbefälle und anderes);
4. Sachen, die angeboten oder angezeigt werden (Losverkäufe, Bücherangebote und anderes)
5. Angekommene und „durchgegangene“ Standespersonen und Fremde (Kaufleute, Beamte, Militärs u. a.) und
6. die Preise von Getreide, Brot und Fleisch in Wittenberg.

Sein Sohn setzte das Werk des Vater fort, später erschien es als „Neues Wittenbergisches Wochenblatt“ durch Professor Pölitz.
Als die Franzosen unsere Stadt besetzten, ging es ein und die Auflösung der Wittenberger Universitä 1817 machte ein späteres Wiederaufleben zunichte.

Heinrich Kühne †