Sicherlich waren sie schon einmal im Museum für Natur- und Völkerkunde „Julius Riemer“ im Schloss.
Doch geht man durch alle Räume und will alles auf einmal sehen, dann verlässt man ermüdet diese schöne Kulturstätte.
Man sollte sich das Sehenswerte genauer betrachten, dazu hat man jetzt eine passende Gelegenheit. In einem etwas behelfsmäßig abgegrenzten Raum sind die herrlichsten Muscheln zu sehen.
Es ist eine Sammlung, die aus der ganzen Welt zusammengetragen ist, und zwar handelt es sich um die Behausungen von Land- und Wasserschnecken
Eine solche Vielfalt der Natur kann man sich kaum vorstellen.
Von großen Perlmuscheln aus Ostasien, Südarabien und anderswo, die repräsentativ in glänzenden warmen Mischfarben uns entgegenleuchten, bis zur kleinsten Muschel in der Größe einer Glaskopfstecknadel sind hier eine Fülle von Variationen vertreten. Letztere winzige Gebilde kommen in Europa und sogar in unserer Gegend vor.
Da fällt mir ein Bericht eines Wittenberger Gelehrten unserer Universität von vor 200 Jahren ein, der sich in der hiesigen Gegend gut aus kannte und Land- und Wasserschnecken beobachtete.
Bei den Landschnecken erwähnt er die Weinbergschnecke als hier weit verbreitete und essbare Landschnecke, die man überall auf dem Festungswall damals finden konnte, und die Gartenschnecke. Letztere unterschied er in zwei Arten, eine mit ihrem Haus und eine ohne Haus.
Während der Naturwissenschaftler im Magen der mit ihrem Haus wandelnden nur Insekten fand, beobachtete er bei der Schnecke ohne Haus, dass sie an die Krautpflanzen ging und als schädlich einrangiert wurde.
Bei den Muschelhäuschen konnte er acht verschieden farbige finden, zitronenfarbige, bräunliche und marmorierte, manche waren mit einem Band geschmückt, andere wiederum sogar mit. fünf Bändern.
Bei den Wasserschnecken unterschied er sieben Arten und nennt sie einzeln, manchmal abweichend von unseren heutigen Bezeichnungen. So kannte er Wasserschnecke, etwas kleinere Wasserschnecke, Scheibenschnecke, Waldhorn, Malermuschel, Morastkriecher und Bohrmuschel.
Von der Malermuschel war er begeistert, weil sie so selten war und er nur solche einmal in einem Teich bei Radis in der Dübener Heide fand.
Sie enthielt sogar „Perlen, die schon ziemlich in die Augen fallen“.
Wie mir der wissenschaftliche Mitarbeiter im Museum, Kollege Glöckner, mitteilte, werden in Afrika und Ozeanien die Muscheln der Kaurischnecken zu Schmuck verarbeitet.
Früher, vielleicht auch in manchen Gegenden noch, galten und gelten sie als handliche Zahlungsmittel.
Das nutzten die aufkreuzenden Kolonialherren und Abenteurer dann aus, nahmen diese Kaurimuscheln mit nach Europa, um sie später nach dort zurückzubringen und um damit die Eingeborenen zu übervorteilen.
Wie gesagt, es lohnt sich bestimmt, nur diesen einzigen Raum mit seinem wertvollen Inhalt einmal ganz für sich zu betrachten und um Freude an dieser Naturschönheit zu haben.
Im Museum für Natur- und Völkerkunde „Julius Riemer“ entdeckt.
Heinrich Kühne
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aus: Freiheit vom 25.01.1980