Von Apollensberg bis Zörnigall

Einzel- und Doppelgänger unter den Ortsnamen des
Kreises Wittenberg

Ist es nicht eigenartig, daß manche unserer heimischen Ortsnamen
im ganzen deutschen Vaterlande viele Doppelgänger haben? Wir
wissen aus dem reichen Schatz unserer Volkskunde und aus der wissenschaftlichen Bearbeitung der Ortsnamen, daß dies kein reiner Zufall ist. Wenn auch der Ort selbst kaum etwas mit seinem weit entfernten Namensvetter etwas zu tun hat, so ist doch die Bedeutung seines Namens meistens auf den gleichen Ursprung zurückzuführen. Unsere Vorfahren haben jeder Handlung einen tiefen Sinn beigemessen und so ist dies natürlich bei einer Namensgebung einer Ansiedlung auch gewesen. Es ist natUrlich auch heute nicht immer leicht, die Ortsbezeichnungen erklären zu wollen, manchmal ist es sogar unmöglich.

Elbbrücke um 1915
aus: Archiv des HV WB

Aus der Fülle des Materials und der damit verbundenen großen Durcharbeitung desselben nach dem neuesten Stand der Ortsnamenforschung kann ich in dieser kurzen Betrachtung keinen Ort herausnehmen, so reizvoll es wäre. In dieser Abhandlung will ich
lediglich einmal die Einzel- und Doppelgänger unter den bekannten Ortsnamen herausgreifen. Dabei will ich großzügigerweise auch die bekannten Dörfer mit einbeziehen, die als Ortsteil in die Nachbargemeinden inzwischen  aufgegangen sind. Das Gebiet
die Grenzziehung unseres deutschen Vaterlandes und unseres Kreises so wie sie heute besteht.

Pfaffengasse/Jahnstraße – Blick zur Schloßkirche

Schön nach dem Alphabet geordnet fange ich also an:
ApolIensdorf und Ateritz gibt es tatsächlich in Deutschland nur einmal. Der Ortsteil Berkau erscheint noch einmal als Dorf in der
Altmark, während der Ortsteil Bietegast einen ehemaligen Gutshof auf der Insel Rügen als Namensvetter hatte.
Bleddin kommt auch nie wieder woanders vor, dagegen finden wir den Ortsteil Braunsdorf in den Kreisen Pößneck, Fürstenwalde, Flöha und Freital. Früher war er noch häufiger vertreten, aber durch Eingemeindungen ist der Name dann amtlich verschwunden. Bleddin. Boßdorf, Bülzig, Dabrun können sich als einmalig bezeichnen, während Dietrichsdorf heute noch bei Bordelsholm (Schleswig) und als Weiler (Einzelort) im bayrischen Bezirksamt Mainburg vorkommt. Doppelklänger haben allerdings Dabrun in Dobbrun im Kreise Osterburg und der sonst nicht wieder auftretende Ortsteil Dobien in Dobbin im Kreise Güstrow.
Unser Dorf Dorna kann man noch einmal im Kreise Grimma finden, aber Euper und Eutzsch sind allein auf weiter Flur. Im Kreise Lübz (Mecklenburg) und im Kreise Hagenow (Mecklenburg) findet man Ortstafeln mit der Aufschrift Gallin. Ein kleines Gallin,
nämlich Gallinchen, liegt im Kreise Cottbus. Unser vom Erdboden verschwundenes ehemaliges Dort Gallun, das heute noch als Gemarkung mit dem Gallunberg bekannt ist, lebt im Namen noch als Dorf im Kreise Königswusterhausen. Im Nachbarkreis Jessen erscheint noch einmal Grabo, während Grabow noch weit häufiger auftritt. Der Ortsteil Hohndorf, der zu Mühlanger gehört, ist auch als Hohendorf stark vertreten, der Ortsteil Prühlitz war aber einmalig in seiner Bezeichnung. Jahmo gibt es nur bei uns, dagegen haben wir Kerzendorf noch einmal im Kreise Zossen gefunden. KIebitz, Korgau und Kropstädt sind ohne Namensvettern, desgleichen Leetza. Der
Ortsteil Kleinzerbst ist heute noch ein Dorf im Kreise Köthen, während er früher in Sachsen noch zweimal vertreten war. Im Kreise Leipzig und Oschatz haben wir noch Dörfer mit dem gleichen Namen wie unser Ortsteil Merkwitz. Im Kreise Riesa liegt noch ein Dorf Merschwitz. während es sonst noch häufiger in Sachsen zu finden war. Unser früheres Dorf Merschwitz ist jetzt nach Pretzsch eingemeindet. Der Industriekreis Senftenberg zählt auch einen Ort mit Namen Meuro zu seinen Dörfern, aber bei Döbeln (Sachsen) liegt noch einmal Mochau.

Park Amselgrund in Wittenberg
aus: Archiv des HV WB

Die lange Reihe von Ortsnamen mit einmaliger Bezeichnung geht von Mühlanger über Nudersdorf, Ogkeln, Pratau bis Priesitz.
Rackith ist heute vereinsamt, hatte aber früher Doppelklänger,
ebenso ergeht es dem Flämingsdorfe Rahnsdorf. Reinharz ist nicht weiter vertreten, hat aber inhaltlich einen Namensvetter im Kreise Bad Salzungen als Reinhards. Reinsdorf ist wieder zahlreich zu finden. Allein in unserem Bezirk kommt es noch einmal im Kreise Nebra vor, ferner in Sachsen, Brandenburg und Braunschweig. Durch die Eingemeindungen sind noch viele Orte gleichen Namens amtlich verschwunden. Der Ortsteil Sachau hat im Kreise Gardelegen einen Namensvetter.
Schmilkendorf, Schnellin, Seegrehna und Straach sucht man vergeblich noch einmal auf der Landkarte. Im jungen Kreise RoßIau liegt noch einmal Thießen. Unser Dorf Trebitz hat heute nur noch einen Ort gleichen Namens im Kreise Belzig und im Kreise Beeskow.
Früher war es noch weit öfters vertreten. Warenburg hat keinen Doppelgänger mehr, wohl aber einen Doppelklänger in Wartenberg („Joartenberg!“) im Kreise Kalbe (Milde). Der Ortsteil Woltersdorf ist überaus zahlreich zu finden, aber Zörnigall gibt es nur bei uns.

Sehen wir uns einmal die Städte an.
Da haben Kemberg und Zahna keine Konkurrenz zu fürchten. Pretzsch hat im Kreise Hohenmölsen einen Doppelgänger. Unser Badestädtchen Schmiedeberg finden wir, allerdings ohne „Bad“, im
Kreise Angermünde und Dippoldiswalde. Eine Häusergruppe im
Kreise Pinneberg (Schleswig-Holstein) führt auch diesen Namen. Wittenberg kommt noch als Einzelhof in Hannover, in Bayern und in Württemberg vor, aber als Lutherstadt ist sie einmalig.

Wie unter uns Menschen, so gibt es also auch unter den Ortsbezeichnungen viele Einzel- und Doppelgänger, manchmal auch nur Doppelklänger.
Würden wir der Bedeutung der einzelnen gleichen Ortsnamen in den verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes auf den Grund gehen, so würden wir über das Ergebnis, wenn wir sie miteinander vergleichen, sehr verwundert sein. Von mancher falschen Namensdeutung müßten wir uns trennen, um dann den neuen Forschungergebnissen den Weg zu bahnen.

Heinrich Kühne †

aus: Freiheit vom 17.11.1953