Vor 495 Jahren erschien Luthers September Bibel
In der Neuen Zeit vom 19.09. 1987 fand ich dazu einen interessanten Artikel von Dr. theol. Hans-Joachim Beeskow:
„Ein Brunnen aller Wahrheit“
Bekanntlich wurde Martin Luther nach seinem nichterfolgten Widerruf auf dem Wormser Reichstag (April 1521) auf die Wartburg verbracht, wo er in einem Zeitraum von nur elf Wochen (Mitte Dezember 1521 bis Ende Februar 1522) das Neue Testament ins Deutsche übersetzte.
Am 18. Dezember 1521 teilte Luther seinem Freund Johannes Lang, dem er seine Griechisch-Kenntnisse verdankte und mit dem er von 1505 bis 1516 in klösterlicher Gemeinschaft gelebt hatte, u. a. mit:
„In dieser Zeit schreibe ich die Postillen zusammen und werde das Neue Testament ins Deutsche übersetzen. Die Unsrigen verlangen das von mir.„
Es müssen Wochen sehr harter Arbeit gewesen sein, als Martin Luther das Neue Testament von der griechischen Ursprache ins Deutsche übertrug. Trotz körperlicher und seelischer Beschwerden konnte Martin Luther von sich sagen:
„… Ich habe eine rasche Hand und ein promptes Gedächtnis. Wenn ich schreibe, fließt mir’s nur so zu, ich brauche nicht zu pressen und zu drücken.“
Martin Luther benutzte als Grundlage für seine Übersetzung in erster Linie die im Jahre 1519 in zweiter Auflage in Basel erschienene Ausgabe des griechischen Urtextes, die Erasmus von Rotterdam besorgte.
Als Martin Luther am 1. März 1522 die Wartburg verließ und wenige Tage später – am 6. März – in Wittenberg wieder ankam, brachte er sein Übersetzungsmanuskript mit, das er dann mit seinen sprachkundigen Wittenberger Freunden, vor allem mit dem Gräzisten Philipp Melanchthon, gründlich durchsah und arbeitete. Am 30. März des gleichen Jahres schrieb Martin Luther an Georg Spalatin:
„Ich hatte nicht allein das Johannesevangelium, sondern das ganze Neue Testament in meinem Patmos übersetzt. Jetzt aber haben wir, Philippus (Melanchthon, der Verf.) und ich, angefangen, alles auszufeilen, und es wird (so Gott will) ein würdiges Werk werden. Aber auch Deine Hilfe wollen wir bisweilen in Anspruch nehmen, um die Worte passend zu setzen. Deshalb halte Dich bereit, aber so, dass Du uns einfache, nicht Schloss- und Hofwörter lieferst. Denn dies Buch will durch Einfachheit anschaulich gemacht werden.“
Um Matthäi (21. September) des Jahres 1522 erschien Martin Luthers Übersetzung des Neuen Testaments in einer Auflage von 3000 Exemplaren im Druck. Die Drucklegung erfolgte in der Wittenberger Offizin von Melchior Lotter d. J. Diese Ausgabe ist als sogenanntes Septembertestament in die Geschichte eingegangen. Wenige Monate später – im Dezember – erschien bereits eine verbesserte Nachauflage der lutherischen Übersetzung;
das sogenannte Dezembertestament. Zwischen 1522 und 1524 wurde die Übersetzung des Neuen Testaments von Martin Luther insgesamt 66 Mal gedruckt.
Johannes Cochläus, ebenfalls ein Luther-Feind, kommentierte die Popularität der Luther-Übersetzung auf seine bezeichnende Art und Weise:
„Ehe dann aber Emsers Arbeit an den Tag gegeben, war Luthers Neues Testament durch die Buchdrucker dermaßen gemehrt und in so großer Anzahl ausgesprengt, also dass auch Schneider und Schuster, ja auch Weiber und andere einfältige Idioten, so viele dieses neue Lutherische Evangelium angenommen, die auch nur etwas wenig deutsch, auf einem Lebkuchen lesen gelernt, dies selbe gleich als einen Brunnen aller Wahrheit mit höchster Begierde lasen. Etliche trugen dasselbe mit sich im Busen herum und lernten es auswendig.“
Mit seiner Übersetzung hat uns Martin Luther in der Tat
„einen Brunnen aller Wahrheit“ erschlossen, und wenn wir des 495. Jahrestages des Erscheinens seiner Übersetzung gedenken, dann ist auch dieses Gedenken – ganz im Sinne von Martin Luther – ein sehr deutlicher aktueller Hinweis auf die Bibel, auf das Wort unseres Herrn, aus dem wir leben dürfen.
aktualisiert Elke Hurdelbrink