… das von unseren Vätern überkommene kostbare Erbe
„Wie das Land, so die Leute, wie das Dorf, so die Kirche“
sagt ein altes Wort, das im Volke von Mund zu Mund geht.
Und es ist wohl recht gesagt!
Was des Volkes Mund damit kurz und schlicht ausspricht, das haben unsere Gelehrten in wissenschaftlichen Abhandlungen nachgewiesen, wie der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl in seiner bedeutenden Schrift: „Land und Leute„.
So sagt er von Land und Leuten auf den Gegensatz von Feld und Wald, ihre Eigenart und die Auswirkung ihrer Eigenart in ihren Bewohnern hinweisend: „In unsern Walddörfern – und wer die deutschen Gebirge durchwandert hat, der weiß, daß es noch viele echte Walddörfer im deutschen Vaterlande gibt – sind unserm Volksleben noch die Reste uranfänglicher Gesittung bewahrt, nicht bloß in ihrer Schattenseite, sondern auch in ihrem naturfrische Glanze. Nicht bloß das Waldland, auch die Sanddünen, Moore, Heiden, die Felsen- und Gletscherstriche, alle Wildnis und Wüstenei ist eine notwendige Ergänzung zu dem kultivierten Feldland. Freuen wir uns, daß es noch so manche Wildnis in Deutschland gibt. Es gehört zur Kraftentfaltung eines Volkes, daß es die verschiedenartigsten Entwickelungen gleichzeitig umfaßt. – Wie die See das Küstenvolk in einer rohen Ursprünglichkeit frisch erhält, so wirkt gleiches der Wald bei den Binnenvölkern. Weil Deutschland so viel Binnenland hat, darum braucht es um so viel mehr Wald als England. Die echten Walddörfler, die Förster, Holzhauer und Waldarbeiter sind der kräftige, derbe Seemannsschlag unter uns Landratten. Rottet den Wald aus, ebnet die Berge und sperret die See ab, wenn ihr die Gesellschaft in gleichgeschliffener, gleichgefärbter Stubenkultur ausebnen wollt!“
Und von dem Dorfe und von der Kirche schreibt dieser treffliche Kenner von deutschem Land und Volk in eben dieser Schrift von „Land und Leuten: „Eine vergleichende Ueberschau des überlieferten deutschen Dorfbaustils, nach Gauen und Stämmen geordnet, würde äußerst lehrreich sein, und es wäre hohe Zeit, dieselbe zusammenzustellen, bevor die immer weiter fressende Gleichmacherei auch hier die alten natürlichen Unterschiede verwischt hat.
Die Bauart der Bauernhäuser, wo sie noch geschichtlich und echt ist, gehört ebensogut der Kunstgeschichte, als das Volkslied der Geschichte der Musik. – Auch die alten Dorfkirchen sind wenigstens ein Bruchstück volkstümlicher Kunst. Wenn uns die charaktervollen Bauernhäuser die schöpferische architektonische Kunstrichtung des Volkes darstellen, dann bezeichnen uns diese Kirchen die nachbildende. Denn in ihnen spiegelt sich die rohe, handwerksmäßige Auffassung, welche der gemeine Mann in alter Zeit von dem höheren Kunstziel sich aneignete, gleichsam sein praktisch dargelegtes Verständnis des letzteren. Wer freilich an den modernen Dorfkirchenbau denkt, der lediglich durch die Willkür des Baumeisters, der Gemeindevorstände usw. bestimmt wird, der mag schwer begreifen, welch ein ungehobener Schatz für die Kunstgeschichte noch in den alten Dorfkirchenbauten liegt, die sich nach ganz natürlichen örtlichen Gruppen ordnen und, wie die ganze mittelalterliche Baukunst, aufs festeste in dem engbegrenzten Boden gewurzelt sind, der sie trägt.“ Ja:
„Wie das Land, so die Leute, wie das Dorf, so die Kirche.“
Dafür gibt auch unser Fläming allenthalben Beweise.
Frei, von nichts anderem verdeckt und eingeengt, und unerschütterlich – „feste Burg und gute Wehr“ zugleich! –
so stehen sie vor uns da, die alten Flämingkirchen, errichtet aus den im Boden des Flämings selbst gefundenen großen Granitquadern den sog. erratischen Blöcken oder Findlingen aus denen einst die alten Germanen hier auf eben dieser Flur ihre Hünengräber oder Dolmen auftürmten.
So stehen sie nun wie aus dem Boden selbst hervorgewachsen, in ihrer breiten, festen Grundform, hoch und höher aufsteigend, je näher man ihnen kommt urwüchsig, natürlich und wahr, schlicht und einfach, fest und stark wie der Fläminger Bauersmann selbst, in sich geschlossen, das massive Mauerwerk nur von wenig Fenstern durchbrochen, weithin ein mächtiges Wahrzeichen von Urväterzeiten her, mit des Turmes Spitze gen Himmel, weisend.
Ja: Von Urväterzeiten her! Denn eben hatten die aus Flandern kommenden heimatlos gewordenen Fläminger in der Mitte des 12. Jahrhunderts sich hier auf dem Fläming eine neue Heimat geschaffen in dem „kleinen Flandern in Deutschland“ und für sich notdürftig die ersten Wohnstätten erbaut allenthalben mit dem Giebel der Straße zugekehrt, um so auch hier in der neuen das Dorfbild der alten Heimat zu erhalten, da gingen sie daran, in der Mitte des Dorfes, auf etwas erhöhtem und frei gelegenem Platze, sich eine Kirche zu erbauen, von Osten nach Westen sich erstreckend.
So war in Blönsdorf die schon um 1190 erbaute alte Kirche in ihrer Grundform noch bis zum Jahre 1910 erhalten, wie sie nun auch in dem alten Stil im Jahre 1912 wieder hergestellt ist.
Von vornherein war bei der Gründung des Dorfes dem Erb-, Lehn- und Gerichts-Schulzen, der seinen mit ihm gemeinsam einziehenden Blutsverwandten als Führer diente, von dem deutschen Grundherrn, der ihnen hier neues Land zur Ansiedlung bot, zur Pflicht gemacht, nach Verteilung der Hufen unter seinen Stammesgenossen auf der von vornherein ausgesonderten Hufe „für Erbauung einer Kirche Sorge zu tragen“.
Nur je 6-8 Familien waren es mit etwa 30-40 Familiengliedern, die
– alle germanischen Ursprungs – nun in jedem unserer Flämingsdörfer als „Hufenbesitzer“ oder „Hüfner“ ihren Wohnsitz nahmen. Eine kleine Zahl nur, cin kleines Dörflein“ nur – wie die alten Urkunden sagen – mit 6-8 Hüfner-Wohnungen in leichtem Lehm-Fachwerk errichtet, aber doch darf die Kirche nicht fehlen im Dorf! –
Mit vereinten Kräften gehen die untereinander blutsverwandten Einwohner daran und fuhren mit ihrem Ochsengespann die auf der Heimatflur so zahlreich liegenden – in unvordenklichen Zeiten einst vom skandinavischen Hochgebirge mit dem sich bis zum Harz hin dehnenden Gletscher hierher getragen und bei seinem Abschmelzen hier abgelagert, wie die Gelehrten uns sagen – großen Felsblöcke, die sog. Findlinge heran. Völlig unbehauen, wie sie sich fanden, oder nur grob zugehauen, türmten sie Stein auf Stein mit nur wenig Mörtel verbunden für das neue Gotteshaus hier auf dem Fläming, wo bis dahin die noch heidnischen Wenden – ein slawischer Stamm – gehaust hatten.
Und nicht gar lange, da erhob es sich über die nur niedrigen Häuser als die Gebetsstätte der Gemeinde und als Mittelpunkt für das ganze Dorf. Und daneben entstand auf dem bei Gründung des Dorfes der Kirche zugleich mit zugewiesenem Grund und Boden in dem Dorfe bezw. in je einem Mutterdorfe mit dem ein zweites benachbartes Dorf verbunden wurde, die Pfarre und die zu Kirche und Pfarre gehörende Küsterei. Denn zur Kirche gehört der Pfarrer oder „Priester“ und der „custos“ = Küster oder „Wächter“ am Heiligtum des Herrn.
Manches Opfer an Kraft, Zeit und Geld hat es unseren Vorfahren als katholischen Christen gekostet, das alles zu schaffen, wo von alledem bei ihrem Einzug hier nichts, auch garnichts vorhanden war. Aber sie haben es gebracht, haben es gebracht nicht nur der gegebenen höheren Weisung des deutschen Grundherrn und des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg folgend, sondern auch aus sich selbst heraus dazu drängend und treibend, weil ihnen die Kirche im Dorf das Wichtigste und Notwendigste war, und es ihnen auch als ein Dienst galt, der Gott zu leisten war, dem Herrn ein würdiges Haus zu bauen als Bethaus und Sammelpunkt zu frommer Andacht für die Gemeinde, wo alle in dem Höchsten sich zusammenfinden und zusammen schließen.
So bietet unser Fläming schon seit der Einwanderung des germanischen Stammes der Fläminger um 1200 das so eigenartige, erhebende Bild:
Etwa nur 3-5 Kilometer von einander entfernt ein Dorf oder „Dörflein“ und – in jedem Dörflein eine Kirche!
Und die Jahrhunderte hindurch haben die Nachfahren zu erhalten getrachtet, was sie von ihren Vorfahren als heiliges Vätererbe übernommen hatten! Sie haben in der ersten Zeit ihrer Ansiedlung ihre Kirche noch mächtig verteidigt gegen das sie andrängende Heidentum in den noch mannigfach erfolgenden Ueberfällen und Anstürmen der Wenden.
Sie haben die in den Hussitenkriegen, besonders 1426 bis 1429, vielfach zerstörten Kirchen wieder aufgebaut und dann beim Wiedererrichten wohl die ursprünglich nur kleine Kapelle noch vergrößert und die darauf gesetzten „Dach- Reuter“ oder vorgebauten Türme mit Glocken versehen, daß sie die Gemeinde zum Gottesdienst rufen und sammeln wie eine „Glucke“ ihre Kücklein ruft und versammelt unter ihre Flügel.
Der furchtbare Krieg von 30 Jahren kam, 1618 – 1648, und legte den größten Teil unserer Flämingdörfer, ja manches Dorf vollständig, wie die Urkunden aufweisen, in Schutt und Asche. Und auch die Kirchen – obwohl auch ihr granitenes Mauerwerk den Anstürmen der Feinde standgehalten haben mochte – lagen verwüstet und verödet wie die Pfarren. Aber nicht gar so lange danach – so zeigen uns Urkunden aus dieser Zeit – da erstand mit den ersten wiederkehrenden Bewohnern durch ihre Arbeit und Mühe wiederhergestellt auch die Kirche und die Pfarre wieder.
Auch die Spuren des siebenjährigen Krieges (1756 – 63), wie sie sich hier und da wohl auch an und in den Kirchen des Flämings zeigen, sind bald danach verwischt und beseitigt.
Vor mir liegt eine in schönem Kupferstich hergestellte Landkarte aus dieser Zeit – das einzige mir bisher bekannt gewordene Exemplar dieser Art – von dem alten „Amt Wittenberg und Gräfenhainichen“ mit dem Aufdruck:
„Delineatio geographica Praefecturarum Wittebergensis et Graefenhaynichen in circulo electorali sitarum, earumque oppidorum, pagorumque, cum adjacentibus cura Matthaei Seutteri“.
Jedes Dorf, jedes Herrenhaus oder „Ritterguth“ mit jedem Vorwerk, jede Poststation, wo der die Postkutsche fahrende Postillon Halt macht, jeder Gasthof oder „Schenke“, jede Mühle und jeder Weinberg, auch jede Straße, jeder „Busch“, jeder „Pfahl“ und „Morast“ ist darauf verzeichnet, dazu auch die Wüsten- Marken“, „wo vor diesem ein Dorf gestanden“.
Das eigentümlichste aber daran ist:
Auch jede Kirche ist darauf im Bild wiedergegeben mit besonderer Angabe, wo eine Pfarre errichtet ist und mit welcher anderen Kirche die betreffende Mutterkirche verbunden ist, und welchem Pfarrer sie zugewiesen ist, indem von der Kirchturmspitze jeder eingezeichneten Kirche eine Linie nach der betreffenden Kirche hin gezogen ist.
Wir richten unsern Blid nur einmal auf den Bezirk um die Stadt Zahna – die einstige „Burg Zahna“ – wie er heute als „Kirchenkreis Zahna“ bezeichnet wird:
Da finden wir Dorf bei Dorf gelegen und in jedem Dorf eine Kirche und Pfarre bei Pfarre, zumeist und je zwei Kirchengemeinden unter einem Pfarramt vereinigt, verschiedentlich aber auch ganz kleine Dörfer je für sich mit einer eigenen Pfarre, wie Kurzlipsdorf, Seehausen und Mügeln. Auf dem Michelsberg bei Jahmo ist noch eine „Alte Kirche“ verzeichnet, von der heute nichts mehr vorhanden ist. Sie mag wohl einst als Wallfahrtskapelle gedient haben wie die auf dem „Wallberg“ bei dem alten Burgwart Dobien, die viel besucht wurde, in der erst mit der Einführung der Reformation der Gottesdienst aufhörte und die dann im 30 jährigen Kriege (1637) zerstört wurde, wie die auf dem „Bollensberg“ bei Apollensdorf, die der Jungfrau Maria geweiht war, deren Mauern im Schmalkaldischen Kriege 1547 abgetragen wurden und zur Befestigung der alten Burgwarte Wittenberg Verwendung fanden, und wie die auf dem Golm bei Stülpe, die im Jahre 1435 vom Kloster Zinna als Marienkapelle erbaut worden war, worin viele Reliquien ausgestellt waren, und wo seit der päpstlichen Bestätigung auf dem Konzil zu Basel 1437 das Marienbild der Kapelle eine
„wundertätige Kraft auf die Gemüter der Gläubigen ausübte“,
zu der in langer, feierlicher Prozession die Scharen pilgerten, das Heil ihrer Seele wie auch Heilung und Genesung von körperlichen Leiden und Gebrechen zu suchen. So steht also in unserer lieben Flämingheimat von unseren Vätern erbaut Kirche bei Kirche, ja, mancher Berg trägt in alter Zeit noch eine besondere Wallfahrtskapelle.
Wir sehen:
Wie sonst, so hat auch hierin – das wollen wir nicht vergessen! – unsere teure uns von Martin Luther begründete evangelische Kirche der alten Mutterkirche, der katholischen Kirche, die zur Zeit noch die ganze Christenheit umspannte, bei allen großen Mängeln und argen Mißbräuchen, die sich in ihr fanden, und gegen die Luther als ein treuer Sohn dieser Kirche vergeblich ankämpfte, um sie in dieser Kirche zu beseitigen, zu danken für alle diese von ihr gegründeten Kirchen, Pfarren und Küstereien und damit ein schönes und großes Erbe übernehmen dürfen, wo so Dorf bei Dorf die Kirche – zur Zeit alle als katholische Kirchen von unsern Vätern erbaut! – sich erhob.
Sogar mehr Kirchen und Pfarren waren in alter Zeit auf unserem Fläming vorhanden als wir heute noch haben. Wie auf dem Michelsberg bei Jahmo auf der bezeichneten Landkarte aus der Zeit um 1700 noch eine „alte Kirche“, wie sie einst dort gestanden, eingezeichnet ist, so haben auch in allen von den Flämingern einst gegründeten Ortschaften, die später vom Erdboden verschwunden sind und dann nur noch als „wüste Marken“ – wie auch auf eben dieser alten Landkarte – bezeichnet sind, und deren Name diente nur noch in der Bezeichnung der Feldmark fortlebt, Kirchen und Pfarren bestanden, an deren Mauerreste noch heute zuweilen der Pflug beim Ackern stößt.
So wissen wir es aus alten Urkunden bestimmt von den einstigen Dörfern, die zwischen Eckmannsdorf und Schwabeck, in der Nähe des jetzigen Danna, lagen:
Danneberg und Hagenau oder Hainau, die einst, wie uns alte Urkunden berichten, ein Graf von Falkenstein zu Lehen hatte, von dem sie Heinrich von Richow oder Repkow – wahrscheinlich ein Sohn des anhaltischen Edelmannes und Ritters Eike von Repkow,
– des Verfassers des um 1230 zusammengestellten „Sachsenspiegels“, des ältesten deutschen Rechtsbuches!
– übernahm, der sie dann „wegen großer Schuldenlast gezwungen“ der „Kirche der heiligen Jungfrau Maria in Coswig“ (siehe Anhang) verkaufte, worüber uns die Bestätigungsurkunde vom 10. Oktober 1257 noch erhalten ist.
Noch in der Bistumsmartikel von 1459 wird Danneberg ausdrücklich als „Kirchdorf“ aufgezählt. Doch muß dieses Dorf mit dem Filialdorf Hagenau, das vermutlich auch eine eigene Kirche besaß, sehr bald vom Erdboden verschwunden sein, da wir beide schon um 1500 nicht mehr als Dörfer finden. Im Jahre 1528 sind nur noch die „Hufen“ davon vorhanden. Aus den Visitationsurkunden von 1598 erfahren wir dann, daß die Gemeinde Danna für eben diese „wüste Marken“ Danneberg und Hagenau, welche sie erblich besitzt, an den Pfarrer und Diakonus in Coswig in Anhalt
„jährlich 3 Wispel 6 Scheffel Roggen und 1 Wispel Hafer pacht“
zu zahlen hat:
„sie bringen es nach Coswig und empfangen dafür eine Mahlzeit“.
Die letzten Mauerreste der ehemaligen Kirche des alten Dorfes Danneberg sind bis heute noch auf der Dannaer Flur nachweisbar. aller Wahrscheinlichkeit nach auch in
Ebenso bestanden den anderen von den Flämingern begründeten oder bezogenen Dorfschaften, die später eingingen, Kirchen, wie in den bei Zahna gelegenen ehemaligen Dörfern Fuhrenthal und Wendisch-Osnitz, die im Jahre 1389 von Rudolf III. der Herrschaft Zahna zugeschlagen wurden, ebenso in dem ehemaligen Dorfe „Rõpsdorf“, zwischen Rahnsdorf und Wergzahna gelegen, und in verschiedenen anderen.
Außerdem finden sich in ältester Zeit auch weit mehr Pfarren als heute in unserer Flämingsheimat, die von unseren Vätern gegründet waren und unterhalten wurden.
Waren schon in den eingegangenen Dörfern hin und her auch noch besondere Pfarren vorhanden, so auch in manchem Dorfe unseres Flämings, das heute noch besteht, aber keine Pfarre mehr besitzt, so in Schönefeld, das heute nach Klebitz eingepfarrt ist. In der Visitationsurkunde von 1575 wird noch „ein wüster Pfarrhof zu Schönefeld“ erwähnt: „ganz am Ende des Dorfes gelegen“, ein Beweis, daß auch hier in früheren Zeiten eine eigene Pfarre vorhanden war.
Ebenso hatte Weddin heute nach Kropstadt eingepfarrt in früheren Zeiten eine eigene Pfarre. Denn in den Visitationsberichten von 1528 und 1533 wird noch „ein hofstat und garten zur pfarr im dorf Wettyn“ erwähnt, und in dem Visitationsbericht von 1555 heißt es: „Zu Wettyn ein baur, so uf das pfarrgut gebauet, darzu 3 hufen gehorig, gibt dem pfarrer 15 scheffel korn usw.“
– Auch in späteren Zeiten wiederholt es sich des öfteren, daß die Hüfner Grundstücke von Kirche, Pfarre oder Küsterei in eigene Nutzung nehmen! –
Auch Mellnitz, heute von Seyda pfarramtlich mit versehen, hat einst einen eigenen Pfarrer gehabt, wie die Visitationsurkunde von 1528 ausweist, wie auch Feldheim mit Filial Schwabeck (Schwabach) heute von Marzahn aus mit verwaltet, vor der Reformation und sicher von 1528 bis wenigstens 1624, also bis zum 30 jährigen Krieg selbständige Pfarre gewesen ist, ja vielleicht noch darüber hinaus. Aus den Visitationsberichten erfahren wir die ganze Reihe, die von 1228 bis 1624 als Pfarrer in Feldheim mit dem Filial Schwabeck tätig gewesen sind.
Hier oder da stand wohl auch noch eine besondere kleine Kapelle. So läßt es uns in eine Zeit großer Not und Trübsal hineinblicken, wenn wir in dem Visitationsbericht vom 9. September 1583 von Külso lesen:
„Dort grassiert oft die sorgliche Seuche der Pestilenz, zu welchen Leichen niemand gern zugreift und Hilfe tut, drumb auch wohl ein Mann sein Weib allein begraben muß und umgekehrt, weil sie keinen Totengräber haben können, da auch sonst Wassers halber, zumal im Winter, die Leichen nach Butzig zu bringen sehr beschwerlich ist, bittet die Gemeinde, am Ende des Dorfes, da, wo vor Zeiten ein Kapellchen gestanden hat, wo vermutlich auch Verstorbene begraben sind, einen bequemen Ort anzurichten und zu „verhagen“: – der Superintendent möge es anordnen“.
So steht in jedem von den Flämingern gegründeten Dorf
von Urväterzeiten her eine Kirche und in jedem Dorf oder wenigstens in jedem zweiten Dorf eine Pfarre!
Und das alles haben sich unsere Väter alle die Jahrhunderte hindurch von etwa 1200 an, auch in Zeiten bitterster Armut, die sie durchlebten, erhalten, und sich nicht unsere bessere, auch in der furchtbaren Zeit des 30 jährigen Krieges, wo sie selbst kaum Brot für sich zu essen hatten, wie es uns eine im Pfarrarchiv in Letza befindliche Urkunde mit einem Bericht aus den Jahren 1637/38, wie sie von uns im Wortlaut wiedergegeben ist in der
„Geschichte eines Flämingsdorfes nach alten Urkunden und Chroniken“ S. 132 f.
– und alte Schriftstücke aus eben dieser Zeit wie die in der „Geschichte eines Flämingsdorfes“ S. 159-163 über Blönsdorf und Mellnsdorf gegebenen Urkunden – in erschütternder Weise vor die Seele führen.
Und auch als dann mit dem Jahre 1813 noch einmal schweres Kriegsleid über unsere Flämingsdörfer kam und manches Kirchlein von den Kriegsscharen bis auf die Kanzel und das letzte Gestühl ausgeplündert oder ausgebrannt ward, da setzten sie alle ihre Kräfte ein, um die zerstörte Kirche, sobald es nur zu ermöglichen war, wieder herzustellen und wieder regelmäßige Gottesdienste in ihrer Kirche halten zu können.
– Wahrlich, ein schönes Zeugnis für den kirchlichen Sinn unserer Väter! –
Und wie haben sie diese ihre Kirchen, Pfarren und Küstereien für alle Zeiten zu sichern gesucht durch den ihnen zugewiesenen Landbesitz, daß wir es ihnen heute nicht genug danken können!
– Durch den der Pfarre, von unseren Vätern zu eigen gegebenen großen Hufen-Besitz ist der Pfarrer in der Flämingsgemeinde von vornherein wie die Hufen Besitzer selbst gestellt, sogar mit noch mancherlei Vorrechten, und hat dadurch von vornherein eine seinem hohen Amte entsprechende Achtung gebietende Stellung in der Gemeinde. Und auch noch bis vor wenig Jahrzehnten wird in Anordnungen der Behörde immer wieder hingewiesen:
„Der Pfarrer hat gleiches Recht wie die Hüfner,
der Küster wie der Kossät„
Wenig haben im Verhältnis zu dem, was die Väter für Kirche, Pfarre und Küsterei bezw. für unsere daraus hervorgegangene evangelische Schule geleistet und an Opfern gebracht haben bei ihrer damaligen großen Armut die Nachkommen in den letzten Jahrzehnten zu leisten gehabt.
Denn zu dem vorhandenen Landbesitz, der zur Erhaltung von Kirche, Pfarre und Küsterei dient, waren von ihnen im Laufe der Zeit von der Ablösung der von ihnen zu leistenden zum Teil recht hohen Abgaben und Naturallieferungen, in fast allen unseren Flämingdörfern bedeutende Kapitalien angesammelt worden, deren Zinsen zur Besoldung des Pfarrers und Küsters und zur Erhaltung der Kirche dienten und dafür völlig hinreichend waren, sodaß die Gemeinden in den lezten Jahrzehnten durch das, was die Väter erworben und für diesen Zweck angesammelt hatten, zum größten Teil keinerlei Last mehr oder hier und da nur ganz unbedeutende zu tragen hatten.
So hatten unsere Gemeinden im Vergleich zu dem, was die Väter an Lasten dafür getragen haben, zum Unterhalt von Kirche, Pfarre und Küsterei in den letzten Jahrzehnten so gut wie nichts mehr beizutragen, und vielen Gemeindegliedern war schon das Bewußtsein verloren gegangen, daß sie, wie die Väter, die alles das gegründet haben, die heilige Pflicht haben, Kirche, Pfarre und Küsterei aus ihren Mitteln zu erhalten, wie nun immer wieder die Verfügungen der Kirchenbehörde hinweisen, seit die „mündelsicheren“ Staatspapiere, in denen die so sorgfältig von unseren Vätern angesammelten Gelder angelegt waren, infolge des Verfalls völlig null und nichtig geworden sind, ja, wie auch schon Martin Luther es den Gemeindegliedern ins Herz und Gewissen rief: „Gleich wie die Kirchendiener aus Gottes Gebot und Befehl schuldig sind, allein Gottes Ehre, Ruhm und Preis und der Leute Heil und Seligkeit mit rechter reiner Lehre zu suchen und zu fördern, also haben auch die Kirchen und Gemeinden von Gott Befehl, daß sie ihre Diener nähren und ehrlich versorgen und erhalten sollen. Denn also spricht Christus:
„Ein jeglicher Arbeiter ist seines Lohnes wert.“
„Ist er’s nun wert, so soll niemand einem Lehrer und Prediger vorwerfen, daß er Besoldung nimmt.“
Wie not tut diese Erinnerung heute!
So wie zur Stunde unser Fläming in kirchlicher Hinsicht das Bild bietet und zwar schon seit Jahren und – wenn nicht die Gemeinden selbst sich den Vätern gleich bereit zeigen, auch für ihre Kirche und Erhaltung der Pfarre in der Gemeinde wieder Opfer zu bringen!
– voraussichtlich noch auf lange, lange Zeit, so hat es auch in der trübsten Zeit kaum je ausgesehen. Seit Jahren stehen alle nächstgelegenen Pfarren bei Blönsdorf nach Wittenberg zu meilenweit im Umkreise verwaist, ja die einstige Pfarre Feldheim mit Schwabeck schon seit Jahrzehnten, ebenso Eckmannsdorf mit Dalicho, Kurzlipsdorf mit Danna, Klebitz mit Schoenefeld, dazu sind im Kirchenkreis Zahna verwaist Leetza mit Zallmsdorf, Seyda mit Mellnitz und Morxdorf. Nur als (elenden) Notbehelf kann man es gelten lassen, daß ein Pfarrer dauernd, wię es jetzt geschehen muß, zwei Pfarrämter mit vier getrennt liegenden Gemeinden versorgen soll. Die sich daraus ergebenden Mängel machen sich je länger, je mehr fühlbar und kann dies der Kirche und den Gemeinden nie und nimmer zum Segen, wohl aber zu schwerem Schaden gerade in unserer bewegten Zeit gereichen.
Von 36 Kirchengemeiden unseres Kirchenkreises 13 von 18 Pfarren 6 verwaist: das bedeutet fast ein Drittel aller vorhandenen Pfarrstellen! – Das ist das Bild unseres Flämings in kirchlicher Hinsicht im Dezember 1924!
– Ein Bild wie es kaum je zuvor und selbst nach den schwersten Kriegszeiten nur auf ganz vorübergehende Zeit unser Fläming
in den Tagen unserer Väter, wie die alten Urkunden ausweisen, geboten hat! –
Und doch waren die vergangenen Jahre Zeiten für unseren einst so armen Fläming, in denen die Flämingbewohner durch ihre treue und fleißige Arbeit zu einem Wohlstand gelangten, wie ihn unsere Väter nie hätten ahnen können.
Wie schmuck und schön stehen heute alle unsere Flämingdörfer vor unseren Augen!
An Stelle der leicht aus Lehm-Fachwerk erbauten kleinen und engen Häuser entstanden hin und her in unserenFläminfgemeinden schöne, zum Teilprächtige Häuser von Einzelnen erbaut, aber wie sehr bleiben in den letzten Jahrzehnten dem gegenüber zum Teil die Kirchen und Pfarren und evangelischen Schulhäuser zurück, worauf jeder rechte Fläminger selbst stolz war! – Und wenn äußerlich der Bau von den Vätern her noch steht, wie wenig ist in manchen Kirchen getan, um auch das Innere würdig auszugestalten zur Erhebung und Erbauung für die Gemeinde in Bezug auf die Ausschmückung der Kirche, Beschaffung von guten Orgeln, Glocken und dergleichen.
Wenn unsere Väter, die im Schatten ihrer Heimatkirche ruhen, noch einmal aus ihren Grüften aufstehen würden, wie eigen und befremdend würde sie dies Bild anmuten, die einst so viel und große Opfer gebracht, um Kirche, Pfarre und Schule zu erhalten,
Noch stehen in den verwaisten Gemeinden die Pfarrhäuser von den Vätern einst erbaut. Nur in Eckmansdorf ist es bereits nieder gerissen, weil die Gemeinde selbst wieder einen eignen Pfarrer in ihrer Mitte begehrte und ein neues Pfarrhaus errichten wollte. Wie aber – wenn etwa noch Jahrzehnte hingehen sollten, ehe wieder einmal ein Pfarrer die noch erhaltene Pfarre bezieht? –
Noch steht in jedem unserer Flämingdörfer die Kirche. Wie aber
– wenn noch auf Jahre hinaus der die entferne liegenden Gemeinden mit verwaltende Pfarrer nur noch alle 14 Tage – gegen einst allsonntäglich! – in diese Kirche gerade in unserer bewegten und ernsten Zeit Gottes Wort verkündigen kann? –
Noch bietet sich zwar äußerlich bei den noch stehenden von den Vätern erbauten Kirchen und Pfarren das alte, schöne, liebe, traute Bild. Und wo die Kirche schon durch ein vorgebautes Haus oder Scheune verdeckt und in den Hintergrund gedrängt war wie in Blönsdorf und Eckmannsdorf, da haben die Gemeindeglieder auf unsere ausgesprochene Bitte willig Opfer gebracht, und es bietet sich auch dadurch die freigelegte Kirche wieder das alte schöne Dorfbild wie einst.
Noch grüßt des Turmes Spitze von Dorf zu Dorf wie einst, wie es einer, der seine Flämingheimat von Herzen lieb hat – Wilhelm Nordau in Jüterbog – in einem Gedicht das überschrieben ist: „Neujahresgedanken eines Flämingers“ verherrlicht hat:
Windmühlen knarrend auf sandigen Höh’n,
Träumende Kiefern und Kirschbaumalle’n,
Blinkende Kirchlein mit Türmchen so schlicht
Weisen zum Himmel in’s ewige Licht,
Trautlieb das Platt und voll Kern das Geschlecht,
Treue und Sitten im Herzen so echt
Das ist mein liebes, mein väterlich Land,
Flämingsland, Heimatland, märkischer Sand!
Bin durch die Welt ich die kreuz und die quer
Ruhelos gewandert dem Glück hinterher –
War doch ein Trug nur, war Lüge und Schein,
Frieden und Glück hat die Heimat allein!
Segen der Heimat, o breite dich aus,
Bring‘ auch die irrenden andern nach Haus.
Heimat ist Liebe, in ihr ist Verstehn,
Sie birgt die Werte, die niemals vergehn. –
Dann aber schließt er mit den ernst mahnenden Worten:
„Deutsch unsere Heimat und deutscher Haus!
Heimatgefilde, – mein Fläminglandand, Mark –
Neujahr ist kommen, -es finde uns stark,
Furchtlos und treu, recht zu mutzen den Tag,
Wie er voll Drangsal auch angehen mag:
Hell muß es werden, – die Türmchen so schlicht
weisen zur Höhe ins ewige Licht.“
Unser Dorf ohne Kirche! Was wäre es noch? –
Kein rechter Fläminger kann sich so ein Bestehen seines Heimatdorfes denken!
Kirchen-los und Gott-los fällt doch schließlich in eins zusammen, wie es G. Schüler in seinea „Gottsucherliedern“ in ergreifender Weise zum Ausdruck bringt:
„Das wär‘ ein Graun, wenn alle Glocken
an einem Morgen tief erschrocken
von selbst erklängen: „Gott ist tot!“
Erst stände jeder wie erschlagen stiII,
dann Weinen, Beten und Geschrei von Not,
„Weil ihn ein jeder auferwecken will.“
„Ich wüßte nicht“ – so hat es einst ein im Leid viel geprüfter schlichter Fläminger Bauersmann ausgesprochen –
„wie ich das elende Leben mit all seiner Not und Plage aushalten könnte, wenn ich nicht meinen Sonntag und meine Kirche und unsern Pfarrer hätte!“ –
Und das Gleiche empfindet auch noch der einsam seine Straße ziehende heimatlosgewordene arme Bettler in Ludwig Uhlands „Lied des armen Mannes“, wenn er spricht:
„Ich bin so gar ein armer Mann
Und gehe ganz alleine.
Ich möchte wohl nur einmal noch
Recht frohen Mutes sein,“
und dann bei all seinem geheimen Weh- und Herzeleid beim Blick auf des nächsten Kirchturms Spitze doch dankbar bekennt:
„O reicher Gott, du ließest doch
Nicht ganz mich freudenleer:
Ein süßer Trost für alle Welt
Ergießt sich himmelher.
Noch steigt in jedem Dörflein ja
Dein heilig Haus empor.
Die Orgel und der Chorgesang
Ertönet jedem Ohr.
Noch leuchtet Sonne Mond und Stern
So liebevoll auch mir.
Und wann die Abendglocke hallt,
Da red‘ ich, Herr, mit dir.“
Die Zeit ist ernst und schwer! –
Aber je ernster und schwerer sie ist und – vielleicht noch wird!
– um so mehr brauchen wir die Kirche, brauchen wir lebendige Verkündigung des Evangeliums von Christo,
„Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben.“
Was unsere Väter uns als heiliges Erbe übergeben, wir wollen es haben und halten auch in aller Zeit der Not als das kostbarste Vermächtnis:
Unsere Kirche auf dem Flaming!
„Laß die Kirche im Dorf stehen!“
mahnt ein altes Sprichwort unserer Väter.
Ja – mit diesem Gelübde will ich als geborener Fäminger
mich mit allen meinen lieben Fläminger Landsleuten zusammenschließen:
„Was einst die Väter fromm in Glaubenstreue
Nach harter Mühe ihrem Gott geweiht,
Wir wollen’s baun in Lieb und Treu aufs neue
In schicksalsbanger, sorgenschwerer Zeit:
Der Heimat Kirche, die vom Christenleben
Vergangener Geschlechter zu uns spricht,
Wir wollen Sie den Enkeln übergeben
In sich gefestigt, würdig, ernst und schlicht“
Otto Bölke †
aus: O du Heimatflur vom 14.12.1924
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Anhang:
Mit der „Kirche der heiligen Jungfrau Maria in Coswig“ ist der Dom zu Coswig gemeint.
Der Dom wurde am Trinitatis-Sonntag, den 9. Juni1275 feierlich durch den Bischof Heinrich I. eingeweiht.
Dieser Dom wurde 1547 durch die Spanier zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die Steine wurden zum Wiederaufbau des Schlosses, des Rathauses und des Kirchturms verwendet.
Im Schillerpark kann man noch die Reste der Friedhofsmauer mit einem Epitaph erkennen. Daher heißt die einmündende Straße gegenüber dem Schloß „Domstraße“.
Wir haben noch ein schönes Andenken vom Dom in unserer Kirche, und zwar unsere große Glocke mit der Inschrift
„Gegrüßt seist du, Maria, du gnadenreiche,
holdselige, der Herr sei mit Dir“
(alles in Latein).
Entnommen aus „Geschichte der Stadt Coswig-Anhalt“
von Ernst Werner (Oberprediger i.R.)
Ich danke
Herrn L.- D. Bethge (GKR-Vorsitzender) für diese Info…
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