Ungewöhnliche und auffallende Erscheinungen

Glückbringende und unglückbringende Zeichen.

Alle ungewöhnlichen und auffallenden Erscheinungen sind dem
Volksglauben verdächtig und bedeuten ihm Glück, mehr noch aber
Unglück.
– Findet man ungesucht ein vierblättriges Kleeblatt, so hat man Glück. Dasselbe bedeutet ein gefundenes Hufeisen.
Man nagelt es auf die Türschwelle, damit dem ganzen Hause dieses Glück zuteil wird.
– Vom vierblättrigen Kleeblatt als Symbol des Glückes leitet sich wohl auch die von den Kindern geübte Sitte ab, daß ein Kind dem andern ein solches Blatt oder sonst etwas Grünes entgegenhält mit den Worten:
„Bitte, Grün!“
Hat das andere nichts Grünes vorzuweisen, so muß es ein Pfand geben.
– Sprechen zwei Personen gleichzeitig denselben Gedanken aus, so
reichen sie sich den kleinen Finger der rechten Hand und geben einem Wunsche Ausdruck, der in Erfüllung geht.
– Auch was man sich beim Niedergehen einer Sternschnuppe wünscht, erfüllt sich.
– Über die Bedeutung des Spinngewebes und der gleichzeitig brennenden drei Lichter.
– Wenn sich die Katze putzt, kommt Besuch.
– Diesen bedeutet auch der Strohhalm an, der sich in die Stube oder den Hausflur verirrte.
– Trägt er eine Ähre, so ist der Besuch eine männliche Person mit
einem Barte.
– Den Gast – auch wenn er nur kurze Zeit im Zimmer verweilt – muß man zum Sitzen nötigen, „sonst nimmt er die Ruhe mit“.
– Befällt jemand der Schlucken, so ist dies das Zeichen, dass ein anderer an ihn denkt, was auch der Fall ist, wenn bei dem Mädchen sich das Schürzenband gelöst hat.
– An der Tischecke darf keine unverheiratete Person Platz nehmen, sonst bekommt sie eine böse Schwiegermutter.
– Das neue Kleid zieht man zum ersten Male zur Kirche an, damit es sich besser hält.
– Mit geliehenen Sachen vergnügt man sich am meisten.
– Für eine geliehene Stecknadel darf man sich nicht bedanken, sonst sticht man sich damit, ebenso nicht für einen geschenkten Pflanzensteckling, weil dieser dann nicht anwächst.
– In die noch nicht völlig geleerte Tasse (Glas) darf man niemanden zugießen, sonst trifft diesen ein Unglück.
– Verborgt man ein Brot, so musste man von diesem ein Stück abschneiden und zurückbehalten, um nicht den Segen mit aus dem Hause zu geben.
– Auch darf das angeschnittene Brot nicht mit nach außen zurückgekehrter Schnittfläche auf den Tisch gelegt werden werden, weil sonst teuere Zeiten kommen.
Ebenso muss man vermeiden, es mit der Oberseite auf den Tisch zu legen, und wer es ungleich abschneidet, der hat gelogen.
– An vielen Orten ist das Anschneiden des Brotes das Amt des Familienvaters, der vorher darauf mit dem Messer das Kreuzeszeichen zieht.
– An der Giebelwand mancher Bauernhäuser befindet sich ein Loch – „die Eulenflucht“ genannt, damit die Eulen ungehindert ein- und ausfliegen und so das Haus vor Blitzschlag schützen können.
Das bezweckt auch der grausame und törichte Brauch, Eulen mit ausgebreiteten Flügeln an das Scheunentor zu nageln.
– Das Rotkehlchen wird von manchen nicht gern in der Nähe des Hauses gesehen; „Es zieht den Blitz an“, weil es wegen seiner roten Kehle dem rotbärtigen Donnergott geheiligt war.
– Die Glucke muß man an einem Donnerstag auf die Bruteier sehen, damit die Kücken gut ausgebrütet werden und gedeihen.
– Beim ersten Austreiben der Kühe im Frühjahr führt man diese über eine auf die Stallschwelle gelegte und in eine blaue Schürze gewickelte Axt, damit sie reichlich Milch geben.
– Im Kuhstall hält man einen Ziegenbock als „Stänkerbock“, damit er alle Krankheiten an sich zieht.
In diesen letzteren Gebräuchen lebt die Erinnerung an den Donnergott Donar, der hier als behütende und segenspendende Macht gedacht ist.
– Dem Jäger, der zur Jagd, dem Fischer, der zum Fischfang geht, wirft man einen Besen nach, dann hat er Erfolg.
Mit Worten darf man ihm jedoch solchen nicht wünschen, es würde sonst das Gegenteil eintreten; vielmehr wünscht man ihm „Hals und Beinbruch.
– Vor dem Aufbruch zur Jagd stößt der Jäger dreimal mit dem Flintenlauf gegen die Türschwelle und spuckt dreimal darauf, was offenbar ursprünglich die Bedeutung hat, die bösen Geister zu bannen, damit sie ihm nicht folgen.
– Auch lässt er wohl ein junges Mädchen über das auf den Boden gelegte Jagdgewehr springen, was ihm Jagdglück bringen soll.
– Begegnet ihm aber beim Ausgang eine alte Frau oder eine Katze, so hat er kein Weidmannsheil.
Er kehrt deshalb bei ihrem Anblick um oder macht einen Bogen, um zu einem anderen Weg zu gelangen.
– Fehlt er beim ersten Schuss, so hat er während der ganzen Jagd Pech.
Er schießt daher sicherheitshalber zuerst nach einem Baume oder einem großen Stein, wo er nicht fehlen kann.
– Weidmannsheil sichert er sich auch auf folgende Weise:
Ist er am Waldrand angelangt, so sucht er sich einen Tannen- oder Kiefernzapfen, der nach oben gewachsen ist, und verschluckt davon einen Samenkern, wozu er einen tüchtigen Schluck aus der Feldflasche nimmt, damit er besser rutscht, wie denn überhaupt dieses „Zielwasser“ die Treffsicherheit erhöht.
– Läuft einem ein Hase über den Weg, so bedeutet das Unglück, zum mindesten Ärger und Verdruß.
– Dasselbe ist der Fall, wenn die erste Person, der Mann nach Verlassen des Hauses antrifft, eine alte Frau ist.

Hier treffen wir wieder den Anklang an den Hexenglauben.
Sogar die harmlosen Schäfchen können Unheilskünder sein, wenn sie nämlich von der rechten Seite dem Wanderer nahen:

Schäfchen zur Rechten,
es gibt was zu fechten.

Dagegen:

Schäfchen zur Linken –
tut Freude uns winken.

Ein gleiches gilt von der Spinne:

Spinne am Morgen
bringt Kummer und Sorgen.

Aber:

Spinne am Abend –
erquickend und labend.

– Erblickt man im Frühjahr den ersten Frosch auf dem Lande statt im Wasser, so bringt das ebenfalls Unglück.
Man musste dann während des Jahres so viel Tränen vergießen, dass ein Frosch darin schwimmen kann.
– Eine Rübe mit weißen Blättern auf dem Acker zeigt einen Todesfall in der Familie des Eigentümers an.
– Auch das anhaltende Heulen des Hofhundes hat diese Bedeutung. Manchmal aber kündet es auch ausbrechendes Feuer im Gebäude an.
Eine krähende Henne beschwört Unglück herauf.
Darum:

Mädchen, die pfeifen,
und Hennen, die krähn,
soll man beizeiten
den Kopf umdrehn.

– Im ersten Fall wird man freilich von diesem Doktor Eisenbart-Kur absehen müssen.
– Will jemand zu einer bestimmten Stunde aufwachen, so muss er vor dem Einschlafen mit dem linken Fuße diese Stunde an die Bettwand klopfen.
– Steigt man mit dem linken Fuße zuerst aus dem Bett, so hat man am Tage viel Verdruß oder gar Unglück.
– Wer das Haus verlassen hat, darf nicht wieder umkehren, um etwa Vergessenes zu holen, sonst hat er unterwegs Pech.
– Von dem Baume, der zum ersten Male trägt, dürfen keine Früchte gestohlen werden, sonst trägt er nicht wieder.
– Feuer, welches durch Blitzschlag entstanden ist, soll man mit Milch löschen.
– Nachts meidet man den Kreuzweg, weil es dort „nicht geheuer ist“, d.h. weil dort Hexen und böse Geister umgehen.
– Wenn wir beim Gähnen die Hand vor den Mund halten, so meinen wir, es lediglich aus ästhetischen Gründen zu tun.
Ursprünglich aber liegt dem die Bedeutung zugrunde, zu verhüten, daß durch den geöffneten Mund böse Geister in den Leib einschlüpfen.

Weitverbreitet ist der Glaube an eine verborgene Schätze.
– Oft werden sie durch ein geheimnisvolles blaues Flämmchen angedeutet, das nachts über ihnen brennt.
Man kann sie mit Hilfe der Springwurzel heben.
Diese ist aber sehr selten, und um sie zu erlangen, muss man sich der Hilfe des Spechts bedienen, der ihren Standort kennt.
Zu diesem Zweck verschließt man das Astloch des Baumes, hinter welcher die Wohnung des Vogels liegt, mit einem Holzkeil.
Wenn dieser den Eingang zu seinem Nest verschlossen findet, wird er fortfliegen und die Springwurz holen.
Mit dieser berührte er den Holzkeil, der sogleich mit lautem Knalle herausspringt.
Der Specht, hiervon erschreckt, wird die Springwurz fallen lassen, mit deren Hilfe man dann den verborgenen Schatz auffinden und heben kann.
Die Springwurz vertritt hier die Stelle der Wünschelrute.
Eine ähnliche Rolle wird auch der Schlüsselblume zugeschrieben.

– Die Zahl 13 gilt als Unglückszahl.
Daher vermeidet man sie selbst in unserem aufgeklärten Zeitalter als Zimmernummer in Gasthöfen, Krankenhäusern usw.
Für viele ist es unerträglich, wenn bei einem Mahle 13 Personen zu Tische sitzen.

– Der Freitag ist als Unglückstag verrufen, an dem man daher nichts Wichtiges unternehmen darf, und keine Reise antritt.
Die Erklärung ist wohl darin zu suchen, dass am Gründonnerstag 13 mit Jesus beim Abendmahl saßen, und dieser an einem Freitag den Kreuzestod erlitt.

– In Bayern gelten der 1. Februar, der 1. April und der 1. August als Unglückstage, an denen man nichts Wichtiges unternehmen darf, weil es fehlschlagen würde.
Nach der Überlieferung wurden nämlich am 1. Februar die gefallenen Engel vom Himmel gestürzt, am 1. April erhängte sich der Verräter Judas, und am 1. August gingen Sodom und Gomorra unter.

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