Nirgends zeigt sich die scharfe Beobachtungsgabe des Volkes und seine Spottlust deutlicher, als wenn es gilt, dem lieben Nächsten etwas anzuhängen, seine Schwächen zu geißeln, wobei man sich meist mehr oder minder gelungener Reime bedient.
Mit Vorliebe erstreckt sich diese Spottlust aus Eigenheiten ganzer Gegenden und Ortschaften und macht selbst vor der Armut und Dürftigkeit des Bodens nicht halt.
Einige Beispiele aus unserer Heimat mögen das zeigen.
Vom Fläming heißt es:
Ländicken, Ländicken,
du bist ein Sändicken.
Oder:
Hier ist das gelobte Land,
wenn der Wind weht, stiebt der Sand.
Wenn ick dich arbeite,
so bist du siecht (leicht),
wenn ick dich egge,
so bist du schlicht,
wenn ick dich mete (māhe),
so find ick dich nicht.
Von der Dübener Heide wird gesagt:
In Crina, Schköna, Pouch,
da schrei’n sie himmelhoch,
da müssen sie sich ernähren
von Pilzen und Heidelbeeren,
und wenn sie die nicht finden,
da müssen sie Besen binden,
und wenn sie das nicht verstehn,
da müssen sie betteln gehn,
und wenn sie dann nichts frei’n,
da müssen sie himmelhoch schrei’n.
Oder:
Düben ist eine Lumpenstadt,
in Wellaune kriegen sie Brot nicht satt,
in Schnaditz gehn sie nackt und bloß,
in Tiefensee ist der Teufel loß.
Von Uichtewitz bei Torgau singt man.
In Uichtewitz, da hats geblitzt,
da sind die Bauern ausgeflitzt,
da hanse sich e Haus gebaut
aus lauter Wurst und Sauerkraut,
da hanse sich e Ast gelacht
da isses wedder eingekracht.
Bekannt ist der alte Spruch, der die Studenten vor dem Besuch der fünf Universitäten warnte:
Welcher Student kommt von Wittenberg mit gesundem Leib,
von Leipzig und Tübingen ohne Weib,
von Jena und Helmstädt ungeschlagen,
der kann von großem Glücke sagen.
Bekanntlich suchen auch die einzelnen Volksstämme einander gern „eins auszuwischen“, ohne daß es böse gemeint ist.
Das gilt auch von dem nachstehenden Verse, der den alten geschichtlich begründeten Gegensatz zwischen Sachsen und Preußen zum Ausdruck bringt:
Warum is denn de Elwe
bei Dräsden so gelwe?
Se jrämt sich zeschande,
se muß ausen Lande,
ausen Lande so kleene,
so gemietlich un scheene;
denn gleich hinger Meißen,
pfui Spinne! – liegt Preißen.
Verfasser: unbekannt
aus: Unser Heimatland vom 21.03.1936
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