Seltsame Biernamen

   Nicht wenige deutschen Städte sind durch die Geschichte
berühmt geworden; viele Orte aber haben sich durch ihre Industrieerzeugnisse einen Namen gemacht.
   Wir brauchen nur an die „Nürnberger Lebkuchen“ die
„Aachener Tuche“, das „Meißener Porzellan“, die
„Halberstädter Würstchen“ u. a. zu denken.
Die Stadt Wittenberg genießt den Vorzug, beides in sich
zu vereinen.
   Sie lieferte zur Reformationszeit ein Bier, das weithin berühmt
war und den eigenartigen Namen ,„Kuckuck“ führte.
Es wurde damals in 172 Häusern der Stadt von den Brauberechtigten gebraut. Aber auch die an anderen Orten gebrauten Biere wurden vielfach vom Volksmunde mit
Spitznamen belegt, die manchmal an Derbheit nichts zu
wünschen übriglassen.
   Magdeburg besaß z.B. seinen „Hausmuff“, womit ein minderwertiges Dünnebier bezeichnet wurde, ferner den
„Filz“ und ein wegen seiner durchschlagenden Wirkung mit
„Bu—sch“ bezeichnetes Braunbier, das wohl noch heute an manchen Orten diesen wenig schmeichelhaften Namen führt.
Aus dem Tierreich sind zahlreiche Spitznamen für Bier entlehnt. Sehr weit verbreitet ist die Bezeichnung „Bock“, der aus der eigenartigen Wirkung, die dieses Starkbier bei allzureichlichen Genuß auszuüben pflegt, herzuleiten ist.
Ihm würdig zur Seite steht der Breslauer „Scheps“ (Schöps).
In der Stadt Schweidnitz gab es einen „Stier“,
in Frankfurt a. d. Oder einen „Büffel“ in Wittenberg den
schon genannten „Kuckuck“, in Jena einen „Maulesel“ und
in Braunschweig neben der „Mumme,“ einen „Hund“.
Das Stendaler Bier hieß „Kuhschwanz“ und das Delitzscher ebenfalls „Kuhschwanz“.
   Alle diese Namen weisen auf die Wirkung des Bieres hin.
Die gleichen Wirkungen gaben anderen Bieren ihren Namen,
so dem Halleschen „Puff“, der demjenigen, der viel davon trank, einen Puff gab oder auch zum Austeilen von Püffen verleitete.
Die Raufluft kommt ebenfalls in einem in Eisleben gebrauten
Biere, dem „Mord und Totschlag“ zum Ausdruck.
Der gleiche Sinn steckt in dem Merseburger „Schlacknack“
(Schlag in den Nacken).
Bei übermäßigem Genuß wurde daraus der, „Krabbel an
der Wand.“
   Die Erfurter hatten ihren „Schlunz“, weil es leicht zum
„Schlunzen“ d.h. zur Lieberlichkeit verführte.
Die meisten dieser sonderbaren Biernamen sind in den
folgenden der Falkensteiner Chronik entnommenen
Versen enthalten:

,,Leipzig sanft die Lindenstadt
Kraftrum in dem Keller hat,
Hall kann mit dem Puff stolzieren
Und dahin die Säuffers führen;
Wittenberg den Kuckuck zeigt,
Breslau ist zum Scheps geneigt,
Halberstadt den Broihan braut,
Gardelegen Garley schaut,
Mord und Totschlag droht Eisleben,
Goslar kann uns Gose geben,
Kyritz Fried und Einigkeiten,
Braunschweig brauet Mumm beizeiten,
Gustrau schenkt uns Kniesenack,
Colberg trinkt uns zu das Black,
Keuterling Wettin uns schenket,
Rummelsdeuß an Ratzburg denket.
Delitzsch hält den Kuhschwanz her,
Herford hat an Kamma Ehr,
Osnabrück kann Buße zeigen,
Witte will in Kiel nicht schweigen.
Jena hat Dorffteufels genug,
Israel macht Lübeck flug.
Helmstedt muß Clavit ausschenken,
Junker muß an Marburg denken,
Münster schenket Koite ein,
Königslutter Duckestein,
Eckernforder Cacabulle,
Ist nicht feil für eine Stulle.
Brandenburg gibt alten Klaus,
Wartenberg schenkt Bocksbart aus.
Zerbster Würze läßt sich trinken,
Gera will in Angst versinken,
Wernigerode hat Lumpenbier,
Boitzburg Biet den Kerl zur Zier,
Dransfeld Hasenmilch verkaufet,
Brockhuß nach dem Wollsack laufet.
Königsberg hat Preussing feil,
Pattensen braut Pohl mit Weil,
Hadelen seht den Kerl, der schießet,
Wenn man in die Kehlen gießet.“

aus: Unser Heimatland“ vom 25.08.1928