Samuel Selfisch

Das Haus, Grundstück Markt 3, das sich heute wieder im schmucken Gewand präsentiert, gehörte einst dem berühmtesten Buchhändler des 16. Jahrhunderts in Wittenberg, Samuel Selfisch.

In den Hintergebäuden mit den großen Böden und in Filialen in Leipzig und Frankfurt am Main lagerten bogenweise die wertvollen Bücher, mit denen er seinen ausgedehnten Handel betrieb.
Dabei beschränkte er sich nicht auf den Binnenmarkt, sondern hatte Geschäftsbeziehungen zu anderen Ländern, wie es niemand jahrhundertelang nach ihm fertig brachte.
Seine Offizin, die er neben einer gutgehenden Buchbinderei besaß, druckte die Bücher der Reformatoren und lieferte die Fertigware bis nach Island und bis in die Türkei.

Verpackt in vier Zentner (200 kg) schweren Fässern ging das als rollende Last vonstatten und die Abrechnung erfolgte dann erst auf der Frankfurter oder Leipziger Messe durch Bargeld oder durch Gegenlieferungen. Das konnten sich nur solche Händler leisten, die kapitalkräftig genug waren, um so auf die Begleichung der Ware zu warten, aber auch schon vorher den anderen für sie beschäftigten Druckern das Druckpapier zu liefern und die fälligen Löhne zu bevorschussen.

Selfisch, als Teil des aufstrebenden Bürgertums, hatte ganz richtig erkannt, daß nicht der im Feudalstaat übliche Grundsatz, durch den Ankauf von Grund und Boden den Ertrag gewinnbringend anzulegen, sondern daß viel mehr es wichtiger ist, daß sich das Kapital in der Produktion vermehrt.
Deshalb kaufte er Bergwerkskuxse und richtete für einen seiner Söhne eine neue Papiermühle ein.
Doch mit kleinen Mengen dieses Produktes gab sich Selfisch nicht ab. Dabei kam ihm ein Umstand entgegen, zu dem er nichts tun konnte, daß nämlich in dem süddeutschen Raum der Ballen Papier mit 12 Ries gehandelt, während im norddeutschen Gebiet der Ballen mit nur 10 Ries verkauft wurde.
Selfisch nahm also zwei Ries auf Lager, verkleinerte die Menge und verkaufte u. a. an den berühmten Thurneysser nach Berlin und steckte Extraprofite ein.
Als Geschäftsmann von Erfahrung begnügte er sich nicht mit den sonst noch durchweg üblichen mündlichen Abmachungen, sondern schloß bindende Verträge ab, so beispielsweise mit der Universität Greifswald, ehe er lieferte.

Selfisch fand noch Zeit, durch gesellschaftliche Arbeit sein Wissen und Können der Allgemeinheit, hier besonders der Stadt Wittenberg, zur Verfügung zu stellen.
So wurde er 1569 in den Rat gewählt und bekleidete 1585 das Amt des Bürgermeisters.
1602 schenkte er der Stadtgemeinde einen großen Garten vor dem Elstertor, der später mit zum Friedhof genommen wurde und heute noch diesen Zwecken dient.
Weitere Summen stellte er für die Linderung der Stadtarmut zur Verfügung, indem er testamentarische Stiftungen vermachte.

Der 1529 in Erfurt geborene, hier in Wittenberg in die Lehre gekommene erfolgreiche Buchhändler, hatte von Grund auf das Gewerbe erlernt.
Er gehörte, wie schon bereits andere hier erwähnte berühmte Männer dieser Zeit zu der Gruppe, die ökonomisch völlig neu dachten und handelten.
Danach muß man auch Selfisch wie Cranach, Döring und andere zu den progressiven Erscheinungen dieser großen Zeit Wittenberger Geschichte rechnen.

Heinrich Kühne †

aus: Freiheit vom 09.05.1979

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