Runen, Hausmarken und Bauernwappen

1935.10.01. Wittenberger Zeitung

Die Wiedergeburt des Bauerntums hat eine neue Welle echter bäuerlicher Kultur geweckt. Das Bauernwappen, seit Jahrhunderten verschollen und unbeachtet, wurde zu neuem Glanze erweckt.

Dobiener Bauer beim Pflügen - um 1955
Dobiener Bauer – Wilhelm Schering beim Pflügen
um 1955 Foto: privat

Es ist wenig bekannt, daß nicht nur die Adelsgeschlechter und viele bürgerliche Familien Wappen führen, sondern daß es früher auch zahlreiche Bauernwappen gab. Das bäuerliche Wappen ist sogar das älteste und darf als der Ursprung der Heraldik angesprochen werden. Seine Wurzeln reichen bis in die frühgermanische Zeit zurück. Die Hausrune, bei den ältesten Pfahlbauten bereits bekannt, ist in germanischer Zeit zu vollendeter Schönheit entwickelt worden. Mit dem verlöschenden Väterglauben starb auch die alte Hausrune, ja, sie wurde sogar sehr oft als Teufelszeichen und Geisterspuk bekämpft. Im bäuerlichen Brauchtum aber blieb sie lebendig.

Dobiener Bauernhof - um 1955
Dobiener Bauernhof
um 1955 Foto: privat

Von den alten Erbhöfen in Westfalen und in den Vierlanden, im Schwarzwald, in Franken und in Siebenbürgen kennen wir sie als Hausmarke. Ihre Umrißlinien zeigen Aeste oder Sterne, Schwerter oder Kreuze. Aber noch immer liegt versteckt im Linienspiel eine Erinnerung an die alte dem Väterglauben geweihte Rune. Die Hausmarke ist heute noch verhältnismäßig häufig anzutreffen. Sie blieb nicht auf die Bauernhöfe beschränkt, sondern hielt ihren Einzug auch in die Städte. Die Portale der Bürgerhäuser wurden damit geziert; vom hohen Steingiebel grüßt sie uns, und selbst die Kaufmannsgüter einzelner Handelsherren erhielten als Kennzeichen die alte Hausmarke. Sie war aber nicht eine Namensgebung, sondern sie war an das Haus und an den jeweiligen Besitzer gebunden. Das alte Bauernwappen ist fast ausgerottet worden, aber Bauernstand und Bauernstolz blieben uns erhalten. Die Freiheit und Bedeutung des Bauerntums rechtfertigen auch den Wunsch vieler Familien, ein Wappen führen zu dürfen. Gleichzeitig tauchte der Vorschlag auf, Haus- und Hofmarken wieder einzuführen und ihnen eine schollenverbundene und künstlerisch einwandfreie Gestaltung zu geben.

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