Quarzsandgewinnung – 1924

1924.09.12. Wittenberger Zeitung

Die Quarzsandgewinnung
Ein neuer Industriezweig für Wittenberg

Vor den Toren unserer Stadt, in der Umgebung von Dobien, Reinsdorf und Nudersdorf, da, wo dürftige Kieferwaldungen hageren Heideboden bedecken und wo nicht einmal die anspruchlose Erika so recht vorwärts kommen will, da hat sich in neuer Zeit eine Industrie entwickelt,
die weitere Verbreitung nehmen dürfte und welche geeignet erscheint, der Kette der industriellen Anlagen unserer Stadt ein weiteres Glied hinzuzufügen,
die Gewinnung von Quarzsand, also desjenigen Materials,
das in Verbindung mit anderen Stoffen zur Herstellung von Glas in allen seinen Formen und Verwendungsmöglichkeiten und anderen schönen Sachen dient.
Quarz [1] ist ein hexagonales [2] Mineral, das vorwiegend in Pyramiden, oft mit Prismenflächen kristallisiert, eingesprengt als körniges bis scheinbar dichtes Aggregat, als Geschiebe, Gerölle und Sand vorkommt (das letztere ist bei Wittenberg der Fall); er ist an sich farblos, durchsichtig und wasserhell, dabei glas- bis fettglänzend.
Als Schleif- und Scheuermittel, als Formsand und bei verschiedenen metallurgischen Arbeiten verwendet.
Dem Entgegenkommen des Herrn Bergwerksdirektors a.D. Otto Busch (in Firma Kohlenhandlung J. Waymeyer Nachflg.), eines auf dem Gebiete der Geologie, der Hydrographie [3], des Berg- und Hüttenwesens usw. wohlvertrauten und vielbewährten Fachmannes, der uns erst vor wenigen Wochen durch allgemeinverständliche wohlbegründete Vorträge über die Entstehung, Gewinnung und Verwertung der Braunkohle in der heiztechnischen Ausstellung erfreute, verdanken wir eine Einladung zur Besichtigung der zwischen Dobien und Reinsdorf , nahe der Zweigbahn Kleinwittenberg – Straach auf dem Grund und Boden des Mühlenbesitzers Bollmann in Reinsdorf neu entstandenen ausgedehnten Anlagen der Wittenberger Glassandwerke GmbH, die seit einiger Zeit den Betrieb aufgenommen hat und ihn, gestützt auf gründlicher Fachkenntnisse, fortführt.
Es würde zu weit gehen, wollten wir hier den ganzen Gewinnungsprozeß des Quarzsandes von der Ausschachtung im Tagebau bis zur Versendung an die Glas- usw. Fabriken schildern,
nur das eine möchten wir mitteilen, daß hier alle erprobten Neuerungen der Zeit sowohl in der Befreiung des Sandes von fremden Beimengungen als auch der Wäsche desselben, bei denen die Elektrizität die Betriebskraft liefert, nutzbar gemacht worden sind.
Der Vertrieb des fertigen Erzeugnisses liegt in den Händen der Firma O. Busch & Co., Quarzsand-Vertriebs-Gesellschaft, Wittenberg,
der es bereits gelungen ist, einen weiten Kreis namhafter Fabriken als Abnehmer zu gewinnen.
Das Werk selbst, erst im Frühjahr dieses Jahres begonnen, bietet große Ausdehnungsmöglichkeiten.
Wie schon erwähnt, befinden sich in der Umgebung Wittenbergs weitere Unternehmen dieses neuen Zweiges der Volkswirtschaft,
die uns namentlich leider nicht alle bekannt geworden sind
und auch sie möchten wir, wie die oben genannte Firma, von unsern guten Wünschen auf geschäftliche Erfolge ausschließen.

[1] Quarz, die unterhalb 870)ºC stabile Form des kristallisierten Siliciumdioxids, SiO2 (wasserfreie Kieselsäure); Dichte 2,65)g/cm3, Mohshärte7. Man unterscheidet zwei Modifikationen: a-Qu. (Nieder- oder Tief-Qu.), der bis 573)ºC beständig ist (häufig einfach als Qu. bezeichnet), und den oberhalb 573)ºC stabilen b-Qu. (Hoch-Qu.). Oberhalb von 870)ºC geht Qu. ist nach den Feldspäten das am weitesten verbreitete gesteinsbildende Mineral.- Qu. wird in der Technik sehr vielseitig verwendet; insbes. Qu.sand als Rohstoff in der Glasindustrie. Qu.kristalle dienen wegen ihrer opt. und elektr. Eigenschaften als Bauelemente in der Optik, Elektronik und Nachrichtentechnik.
[2] sechseckig
[3]Gewässerkunde

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