Die Luthereiche in Wittenberg
Am östlichen Eingange in die Lutherstadt Wittenberg am ehemaligen Elstertore steht eine hohe, breitästige Eiche.
Sie bezeichnet die Stelle, an der Doktor Martin Luther am 10. Dezember 1520 die päpstliche Bannbulle samt den päpstlichen Rechtsbüchern verbrannte und damit auch äußerlich die Trennung von der katholischen Kirche vollzog.
Die jetzige Luthereiche wurde am 300-jährigen Gedenktag der Augsburgischen Konfession am 30. Juni 1830 gepflanzt.
Die vordem hier stehende Eiche, die ebenfalls ein starker, stattlicher Baum war, wurde im Jahre 1813 von der französischen Besatzung der Festung Wittenberg niedergehauen und in Brennholz verwandelt.
Wer diese erste Luthereiche pflanzte und wann das geschah, ist nicht bekannt.
Eine Sage weiß darüber zu berichten:
Ein Wittenberger Student liebte ein Mädchen, das als Waise im Hause ihrer Großmutter in Wittenberg lebte und dem frischen, strebsamen Jüngling von Herzen zugetan war.
Die Großmutter wollte von dieser Neigung der Enkelin nichts wissen, zumal der Student zu den eifrigsten Anhängern Luthers gehörte, während sie fest und voll Eifer an der alten Kirche hing.
Ihre Abneigung wuchs noch, als ihr berichtet wurde, dass der Student sich voller Begeisterung an der Verbrennung der Bannbulle und der Gesetzbücher der heiligen Väter beteiligt habe, was ihr als ein ungeheuerer Frevel erschien.
In ihrer Neugier aber konnte sie es sich doch nicht versagen, am Armen der Enkelin und auf ihrem eichenen Krückstock gestützt am späten Nachmittag des 10. Dezember hinaus vor das Elstertor zu wandern, wo der noch rauchende Aschenhaufen Kunde von der kühnen Tat Luthers gab.
Wie von ungefähr gesellte sich dort der junge Student zu den beiden und wollte ihnen nach der Begrüßung, die von Seiten der Alten recht abweisend erwidert wurde, mit begeisterten Worten den Vorgang bei der Bannbullenverbrennung schildern.
Die Großmutter aber unterbrach ihn heftig, indem sie mit zornigen Worten die Urheber des Frevels und im besonderen den Jüngling als Mitschuldigen schalt.
Und indem sie ihren Eichenstock in den Erdboden stieß, rief sie aus:
„Eher soll dieser Stock wieder grün sein, als dass ich Euch meine Lore gebe!“
Zornbebend schritt sie dann am Arme der tiefbetrübten Enkelin wieder zur Stadt zurück.
In den folgenden Tagen sah man den Studenten eifrig und aufmerksam den Eichenwald von Rothemark durchstreifen. Endlich hatte er ein passendes Eichenbäumchen gefunden.
Er grub es mit den Wurzeln aus, schnitt es in Form eines Krückstockes zu und pflanzte es heimlich vor dem Elstertore an der Stelle ein, wo die Alten ihren Stock in die Erde gestoßen hatten.
Als nun der Frühling wieder ins Land kam, siehe, da Trieb der natürlichen Krückstock Knospen und grünen Blätter.
Die Großmutter, der dies gemeldet wurde, war über das „Wunder“ hocherstaunt und tief ergriffen.
Sie sah darin einen Fingerzeig Gottes, was sie bewog, sich der Lehre Luthers zuzuwenden und ihre Einwilligung zum Verlöbnis ihrer Enkelin mit dem Studenten zu geben.
Ein Jahr darauf führte dieser als junger Doktor seine geliebte Lore zum Traualtar, und Doktor Luther segnete selbst in der Wittenberger Stadtkirche die Ehe des jungen glücklichen Paares ein.
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Die Lutherbuche bei Stolberg
Als Doktor Martin Luther auf dringende Einladung des Grafen Botho von Stolberg am Donnerstag nach Ostern des Jahres 1525 zu Stolberg a. Harz weilte, ging er am Nachmittag mit seinem Wirte, dem gräflichen Rentmeister Wilhelm Reiffenstein, auf den Berg, so man Tiergarten nennt.
Unter einer breitästigen Buche hielten beide Männer allda kurze Rast.
Lange Zeit schauten sie auf den Tumult und die engen Straßen der Stadt. Da nahm Luther plötzlich den Arm des Freundes und rief:
„Schau an, Schwager! Euer Stolberg, gleicht es nicht völlig einem Vogel? Das Schloß ist der Kopf, die Ritterstraße und die Neustadt sind die beiden Flügel, der Markt ist der Rumpf und die Niedergasse der Schwanz.“
„Ihr habt Recht“,
meinte der Rentmeister.
„Was aber ist dann die Kirche, die sich so schön über den Markt erhebt?“
„Die Kirche?“
erwiderte Luther,
„siehe nur recht hin, Schwager, wo sie liegt: sie ist das Herzstück, das Herz Eures Vögleins, ohne dass es nicht leben und nicht fliegen könnte.“
Die Buche, unter welcher der Reformator so sprach, heißt die Lutherbuche bis auf den heutigen Tag.
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Die Lutherlinde bei Muldenstein
In der Nähe von Muldenstein bei Bitterfeld stand früher das Kloster Steinlausigk, dessen Abt Dr. Fleck ein Freund Luthers war.
Als er dessen 95 Thesen im Kempter des Klosters angeschlagen fand, rief er begeistert aus:
„Der wird’s machen!
Er ist da, auf den wir schon so lange gewartet haben!“
Als ihn Doktor Martin Luther eines Tages besuchte, da wurde das schnell in der ganzen Umgegend bekannt, und von nah und fern strömten die Leute zusammen, um den kühnen Mönch zu sehen, der es gewagt hatte, mit dem Papste anzubinden, und sie baten ihn, zu ihnen zu sprechen.
Da aber das Klosterkirchlein die große Menge nicht zu fassen vermochte, so wählte Luther die vor der Klosterpforte stehende Linde zum Predigtstuhl, die deshalb den Namen Lutherlinde erhielt.
Es gibt noch an vielen Orten Luthereichen, Lutherbuchen und Lutherlinden, von denen die Sage geht, dass der große Gottesmann unter ihnen gepredigt oder doch gerastet habe.
Vielfach aber sind diese Bäume erst später bei Lutherfeiern gegründet und dem Reformator zu Ehren benannt worden.