Luther und seine Gegner

Der Traum Friedrich des Weisen

Als Kurfürst Friedrich der Weise auf seinem Jagdschloss zu Schweinitz weilte, hatte er in der Nacht zum 31. Oktober 1517 einen seltsamen Traum.
Den hat er am andern Morgen seinem Bruder Herzog Johann von Sachsen und im Beisein seines Kanzlers Spalatin erzählt und auch gesprochen:
Als ich mich an den Abend ziemlich matt und müde zu Bette legte, war ich bald über das Gebet eingeschlafen und hatte bei dritthalb Stunden fein und sanft geruhet.
Als ich nun erwachte und ziemlich munter geworden war, lag ich und hatte allerlei Gedanken bis nach zwölf Uhr.
Da gedachte ich unter anderem, wie ich alle lieben Heiligen und neben mir mein Hofgesinde zu Ehren bringen wollte, betete auch für die lieben Seelen im Fegefeuer und beschloß bei mir, ihnen auch zur Hilfe in ihrer Glut zu kommen, bat daher Gott um seine Gnade, daß er doch mich und meine Räte und Landschaft in rechter Wahrheit wolle leiten und zur Seligkeit helfen, wie er auch wolle allen bösen Menschen, so uns unser Regiment sauer machen, nach seiner Allmacht wehren.
Nach solchen Gedanken war ich bald nach Mitternacht wieder eingeschlafen.
Da träumte mir, wie der allmächtige Gott einen Mönch zu mir schickte, der war eines seinen, ehrbaren Angesichts, wie St. Pauli des lieben Apostels natürlicher Sohn.
Er hatte bei sich als Gefährten auf Gottes Befehl alle lieben Heiligen, die sollten dem Mönche vor mir zeugen, daß es mit ihm kein Betrug sei, sondern dass er wäre wahrhaftig ein gesandter Gottes.
Durch ihn ließ mir Gott gebieten, ich solle dem Mönche verstatten, dass er etwas an meine Schloßkapelle zu Wittenberg schreiben dürfte; es würde mich nicht gereuen.

Da ließ ich ihm durch den Kanzler sagen, weil Gott mir solches gebiete, so möge er schreiben, was ihm befohlen.
Daraufhin fängt der Mönch an zu schreiben und machte so große Schrift, dass ich sie hier zu Schweinitz deutlich lesen konnte.
Er führte auch eine so lange Feder, dass diese bis gen Rom mit ihrem Hinterteil reichte und einem Löwen, so zu Rom lag, mit dem Sturz in ein Ohr stach, daß der Sturz zum anderen Ohr wieder herausging, und wuchs die Feder weiter bis an der Päpstlichen Heiligkeit dreifache Krone und stieß so hart daran, dass sie begann zu wackeln und Ihrer Heiligkeit wollte vom Haupte fallen.
Wie sie nun schon im Fallen ist, streckte ich meine Hand aus und wollte sie halten.
Indem ich aber im Zugreifen war, erwachte ich und hielt meinen Arm noch in der Höhe gereckt.
Ich war aber ganz erschrocken und auch zornig auf den Mönch, dass er seine Feder beim Schreiben nicht besser führete.
Als ich mich aber recht besann, so merkte ich, dass es ein Traum gewesen sei.
Da ich aber noch voller Schlafs war, so gingen mir die Augen bald wieder zu, und ich war bald wieder fest eingeschlafen.
Aber da kam dieser selbige Traum wieder; ich hatte wieder mit dem Mönche zu tun und sahe ihn zu, wie er immer fortschrieb und mit dem Sturz der Feder stach er immer weiter auf den Löwen zu Rom und durch den Löwen hindurch auf den Papst, so daß der Löwe darüber so greulich brüllte, daß die ganze Stadt Rom und alle Stände des Heiligen Römischen Reichs zusammenliefen, um zu erfahren, was da wäre.
Da begehrte Päpstliche Heiligkeit an die Stände, man möge doch dem Mönche wehren, und sonderlich mich dieses Frevels berichten.
Darüber erwachte ich zum andern Male, verwunderte mich, daß der Traum wiedergekommen war, ließ michs aber nicht anfechten, hat aber, Gott wolle Päpstliche Heiligkeit vor allem Übel behüten und schlief also zum dritten Male wieder ein.
Da kam mir der Mönch zum drittenmal wieder vor, und wir bemühten uns sehr, dieses Mönches Feder zu zerbrechen und den Papst hinweg zu geleiten.
Je mehr wir uns aber an der Feder versuchten, desto mehr starrete und knarrete sie, daß mirs im Ohr wehe tat.
Endlich wurden wir alle so verdrossen und müde darüber, daß wir davon abließen, und verlor sich einer nach dem anderen und besorgten, der Mönch könne mehr als Brot essen, er möchte uns irgend einen Schaden zufügen.
Da ließ ich den Mönch fragen, wie er doch zu solcher Feder gekommen sei, und wie es zugehe, daß sie so zähe und fest wäre?
Da ließ er mir sagen, sie wäre von einer böhmischen hundertjährigen Gans.*)
*) Mit der Gans ist jedenfalls Huß gemeint, von dem berichtet wird, daß er auf dem Scheiterhaufen sagte:
„Jetzt bratet ihr eine Gans (Huß heißt böhmisch Gans), aber nach hundert Jahren wird kommen ein Schwan (Luther), den werdet ihr nit sengen können.“
Der Löwe ist das Wappentier des Papstes.

Einer seiner Schulmeister habe sie ihm verehret, und weil sie so gut sei, so möge er sie zu seinem Gedächtnis behalten und brauchen.
Er hätte sie auch selbst temperieret.
Daß sie aber so lange währte und so fest sei, käme daher, weil man ihr den Geist nicht nehmen, noch die Seele, wie mit anderen Federn geschieht, herausziehen konnte.
Da ich nun gänzlich im Traume bei mir beschloß, mich je eher je besser mit dem Mönche in eigener Person zu unterreden, da wachte ich endlich zum dritten Male auf, und da es jetzo Morgen geworden war, so wunderte ich mich höchlichst über den Traum, dachte ihm nach und meinte, daß er nicht ohne Bedeutung sei, weil er mir zu dreien Malen vorgekommen und schrieb mir auch sobald die fürnehmsten Stücke davon zum Gedächtnis auf.

Luther besiegt durch sein Gebet einen Meuchelmörder

In Wittenberg lebte ein Zinngießer namens Thomas, der ein gar geschickter Meister war.
Vor allem verstand er die Kunst, Figuren von Schutzpatronen und allerlei Heiligen zu gießen, wie man solche auf den Hausaltar oder in den Herrgottswinkel im Hause stellte und verehrte.
An den Feiertagen der römischen Kirche stellte er diese Figuren in seinem Laden oder in dessen Fenster auf, wo sie fleißig gekauft wurden.
Am Tage Allerheiligen aber baute er vor der Schloßkirche eine Bude damit auf, denn da kamen von fern und nah die Leute nach diesem Gotteshause, wo an diesem Tage die vielen Heiligtümer, welche der fromme Kurfürst Friedrich der Weise gesammelt hatte, in acht Gängen aufgestellt waren, um diese zu verehren und sich durch die Anbetung dieses Gnadenschatzes Ablaß zu erwerben.
Meister Thomas konnte sich am Abend des Festes jedesmal vergnügt die Hände reiben, denn immer waren seine Heiligen ausverkauft, und er vermochte eine gar hübsche Summe Geld in seinen Kasten zu legen.
Als nun aber die von Luther verkündete neue Lehre, daß es keiner Heiligen als Fürsprecher bedürfe und nur Christus der rechte Mittler zwischen Gott und Menschen sei, sich immer weiter ausbreitete, da wollte niemand mehr etwas von des Thomas Zinnfiguren wissen, ja, man lachte sogar darüber.
So wurde dessen Verdienst immer geringer und blieb zuletzt ganz aus.
Da erfaßte den Zinngießer eine unbändige Wut gegen den Reformator, der ihm solches angerichtet, und der Zorn fraß immer weiter, daß er wie von Sinnen wurde und beschloß, Luther heimlich zu überfallen und zu töten.
Er vermeinte, ein gottgefälliges Werk zu tun, wenn er diesen Erzketzer beseitigte, und hoffte, daß dann auch das von ihm verführte Volk sich wieder dem alten Glauben zuwenden werde, und daß dann sein Geschäft von neuem zur Blüte kommen könne.

Also steckte er ein scharfes Messer zu sich, und eines Abends, da es schon dunkel wurde, machte er sich auf den Weg, um sein böses Vorhaben auszuführen.
Als er an das Schwarze Kloster kam, in welchem Luther wohnte, stieg er von der Rückseite her über die Mauer, da, wo ein hoher Baum stand und kam in den Garten.
Leise schlich er an das Haus heran und spähte, wo er wohl in dieses dringen könnte.
Aus einem Fenster, das offen war, drang Lichtschein in den Garten. Das mußte wohl die Stube sein, in welcher Luther sich befand.
Da aber das Fenster zu hoch und keine Leiter zur Hand war, so wälzte Thomas eine in der Nähe stehende leere Regentonne unter dieses, auf die er sich vorsichtig schwang, um in das Zimmer zu gelangen.
Wie er nun stand und durch das Fenster lugte, da sah er den Doktor Martinus, wie dieser vor dem Bilde des gekreuzigten Heilandes kniete und laut betete.
In der Stille der Nacht konnte der Lauscher jedes Wort deutlich verstehen.
„Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern“,
so betete Luther und fuhr dann fort:
„Hilf, daß ich allen meinen Widersachern vergebe, und mach du selbst zunichte alle bösen Anschläge der Feinde, die wider das heilige Evangelium wüten.
Jmmer inbrünstiger flehte der fromme Mann:
„Vergib ihnen allen, die nicht wissen, was sie tun, und die mich um der reinen Lehre willen hassen und verfolgen und mir nach dem Leben trachten ohne Ursach.
Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“

Als Thomas solches vernahm, da erbleichte er, die Knie zitterten ihm, ein qualvolles Stöhnen rang sich aus seiner Brust, und das gezückte Messer entglitt seiner Hand.
Er taumelte von der Tonne herab, wankte durch den Garten, stieg über die Mauer zurück und eilte wie von bösen Mächten verfolgt seinem Hause zu, wo er sich in seine Kammer einriegelte.
Luthers Gebet hatte ihn zerschmettert; es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, und er ward sich seiner schweren Schuld bewußt.
Er fiel auf die Knie nieder und dankte Gott, daß er ihn durch das Gebet des frommen Doktor Martinus davor bewahrt, ein Mörder zu werden und flehte inbrünstig um Vergebung.
Das Gebet gab ihm Erleichterung und Ruhe; getröstet stand er auf, und während der Nacht überdachte er Luthers Lehre, und es ward ihm bewußt, daß dieser recht lehre.
Fortan wandte sich sein Herz dieser neuen Lehre zu, und er wurde ihr treuer Bekenner.
Die Zinnfiguren der Schutzpatrone und Heiligen aber warf er in den Schmelztiegel und fertigte daraus allerlei Hausgerät, Krüge, Teller, Schüsseln und Leuchter, wie er vordem schon einmal getan.
Und da er ein recht geschickter Meister war, so fand er dafür reichlich Käufer, also daß er bald wieder zu Wohlstand gelangte.
Vor allem aber formte er einen großen und schönen Teller, auf dessen Grunde ein Mann zu sehen war, der betete, und dessen Gestalt der Luthers ähnlich war.
Diesen Teller machte er dem Reformator zum Geschenk, der sich darüber wohl verwunderte, den Meister Thomas aber ob seiner Kunstfertigkeit lobte und die Gabe mit großem Danke annahm.

Das Lutherbild in der Stadtkirche zu Wittenberg

In der Wittenberger Stadtkirche befindet sich als größte Sehenswürdigkeit das von dem berühmten Maler Lucas Cranach d. Älteren gemalte vierteilige Altarbild.
Das untere Querbild stellt die Predigt dar.
Man sieht darauf Doktor Martin Luther auf der Kanzel, wie er die Linke auf die Bibel legt, während er mit der rechten Hand die versammelte Gemeinde, unter der man auch Luthers Frau und sein Söhnchen Hänschen erkennt, auf den gekreuzigten Erlöser hinweist.

Wenn man die Gestalt Luthers genauer betrachtet, so bemerkt man daran die Spur von Degenstichen.
Es wird darüber erzählt:
Als Kaiser Karl V. am Mittwoch vor Pfingsten des Jahres 1547 in Wittenberg einritt, das sich ihm ergeben hatte, da wollte er auch das Innere der Stadtkirche sehen, aber konnte es nicht, denn der Küster, der den Schlüssel verwahrte, hatte sich aus Furcht versteckt.
Der Kaiser konnte die Kirche also nur außen umreiten.
Als er an ihr ein Kruzifix angebracht sah, entblößte er vor diesem sein Haupt.
Er äußerte zu seinen Begleitern seine Verwunderung darüber, daß solches Zeichen auch an einer ketzerischen Kirche zu finden sei.

Erst als er schon fortgeritten war, gelang es, den Küster aufzufinden. Zwei spanische Offiziere aus des Kaisers Gefolge, die hernach das Gotteshaus betraten, beschauten aufmerksam das kunstreiche Altarbild des Meisters Cranach.
Als sie nun auf ihre Frage vernahmen, daß der Prediger auf der Kanzel Martin Luther sei, da zog der eine voll Zorn seinen Degen und rief:
„Isthaec bestia adhuc mortua saevit!“
(zu deutsch: Diese Bestie wütet auch im Tode noch!
 und durchstach damit den Hals über der linken Schulter und den Leib des Reformators.
Wiewohl man den Schaden sorgsam ausgebessert hat, so sind doch die Spuren davon zu sehen.

Das Lutherbild zu Wurzen

In der Domkirche zu Wurzen befindet sich ein Bild Doktor Martin Luthers.
Im Dreißigjährigen Kriege kam ein Soldat in diese Kirche.
Als er des Bildes ansichtig ward, stieg er sogleich auf die Weiberstühle, zog seinen Degen heraus und wollte Luther damit die Augen ausstechen.
Weil aber ohnehin auf diese Stühle nicht gut zu treten war, fügte es Gott wunderlich, daß er herunterfiel und den Hals brach.
Das Wahrzeichen ist jedoch noch heutigen Tages zu sehen, indem die Augen mit der Degenspitze ziemlich zerkratzt sind.

Der Vollbart des Junker Jörg

Als über Doktor Martin Luther 1521 nach dem Reichstag zu Worms, weil er seine Lehre und Schriften nicht widerrufen wollte, die Reichsacht verhängt wurde, ließ ihn sein Beschützer Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen auf der Rückreise durch verkappte Reiter überfallen und auf die nahe Wartburg in Schutzhaft bringen. Dort weilte der kühne Mann fast ein Jahr lang als „Junker Jörg“ und war für die Welt tot.
Er lebte auf der Burg wie ein wirklicher Ritter, trug Rüstung und Schwert.
Seine Hauptbeschäftigung aber war die Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche, womit er gleichzeitig den Grund für unsere neuhochdeutsche Sprache legte.
Er gab indessen den Kampf gegen Lüge und Heuchelei nicht auf, und gerade in der Einsamkeit seiner Gefangenschaft rang er sich aus allen Zweifeln stark empor.

„Es soll mir kein Schermesser über Wangen und Kinn kommen, bis ich wieder frei bin und meinen Kampf für die Wahrheit des heiligen Evangelium von neuem aufnehme!“
so hatte Luther geschworen.
Er blieb diesem Vorsatz auch treu und ließ sich einen großen Vollbart wachsen, so daß ihn wohl kaum einer seiner Widersacher erkannt hätte.

Als aber beunruhigende Nachrichten aus Wittenberg nach der Wartburg gelangten, da hielt er es im März 1522 dort nicht länger aus; er brach eigenmächtig auf und ritt, immer noch als Ritter verkleidet, aus der Burg, um nach Wittenberg zu gelangen.
Als er dort angekommen bei seinem früheren Bader vorüberritt, fiel ihm sein Schwur ein, und er dachte:
Jetzt ist es an der Zeit, daß der Vollbart fällt.
Er hielt also an, stieg vom Pferde und sprach zu dem Bader, der ihn nicht wiedererkannte:
„Herr Bader, schert mir den ganzen Bart ab und reformiert mir das Antlitz!“

„Zu dienen, Herr Ritter“, antwortete der Bader.
Als dieser nun das Gesicht des Kunden glatt rasiert hatte und ihn aufmerksam betrachtete, rief er plötzlich:
„Herr Ritter, nachdem ich Euer Gesicht reformiert habe, schauet Ihr genau aus wie Doktor Martinus: Luther, den ich früher zu bedienen die hohe Ehre hatte!
„Ich bin es selbst“, sagte Luther.
Dann auf die Reste seines Vollbarts auf der Erde deutend, fügte er hinzu:
„Der Junker liegt am Boden. Jhr habt mich durch Abnehmen des Vollbartes reformiert, Herr Bader – ich aber werde nun Deutschland reformieren!“
Damit entlohnte er den Bader, stieg auf sein Pferd und ritt weiter durch die Straße dem Schwarzen Kloster zu, um wieder dort zu wohnen.

Luther und die Raubritter auf Schloß Singerberg

Auf dem Gipfel des weithin sichtbaren Singerberges stand einst ein großes stattliches Schloß.
In diesem lebte ein Ritter, der von Raub und Plünderungen lebte und mit seinen Raubgesellen ein gar wüstes, zügelloses Leben führte.
Sie lauerten den Reisenden auf, beraubten sie und schleppten diese dann auf die Burg, und gaben sie erst gegen ein hohes Lösegeld frei.

Einmal fingen sie eine vornehme Frau mit zwei Töchtern und der Dienerschaft, die gegen Rudolstadt reisen wollten.
Um die beiden Edelfräulein entstand unter den Räubern Streit, weil man sie nicht gegen Lösegeld wollte ziehen lassen, sondern selber besitzen.
Sie kamen schließlich überein, wer den reichsten Fang tun würde, der sollte die schönste von beiden erhalten.

So zogen denn die Ritter aus, nachdem sie die schönen Gefangenen der alten Beschließerin auf die Seele gebunden hatten.
Dem einen Raubgesellen fielen bald einige Augustinermönche aus Erfurt in die Hände, unter denen sich auch Martin Luther befand. Letzteren behielt er als Geisel, während er die anderen entließ mit dem Geheiß, für ihn Lösegeld aus dem Kloster zu holen.
Ein Knappe sollte den Mönch bewachen, während der Schnapphahn weiterer Beute nachspürte.
Der Knecht aber wurde in der warmen Luft schläfrig, da er schon zeitig in den Sattel gestiegen war, und er nickte auf dem Rasen ein. Da Luther das sah, machte er sich eiligst davon und kam zu dem Singerberger Schloß, wo er meinte, Schutz zu finden.
Als er sich aber diesem näherte, stand da auf der Mauer die gefangene Edelfrau und rief ihm zu:
„Mönchlein, fliehe eilends von hinnen, denn hier wohnt Raub und Mord!“
Da wollte sich Luther schnell entfernen, fiel aber den Raubgesellen, die mit neuer Beute heimkehrten, in die Hände, die ihn mit sich in die Burg schleppten.
Am Abend ließen sie ihn in den Saal bringen, wo sie ihr wüstes Zechgelage hielten, und verlangten von ihm, er solle ihnen zur Kurzweil ein Lied singen.
Luther stimmte auch scheinbar ein solches an.
Es waren aber lateinische Formeln, die jene nicht verstanden, und deren geheimer Zauber sie einschläferte.
Als nun alle fest einschliefen, hat Luther die gefangenen Frauen aus der Burg geführt und dabei im Gehen eines seiner Lieder gesungen. Draußen aber hat er das Schloß Singerberg samt seinen Bewohnern verflucht, daß es in die Tiefe sank.

Warum in Rudolstadt die Jahrmärkte verregnen

In Rudolstadt verläuft selten ein Jahrmarkt ohne Regen.
Es soll das eine Strafe sein, die Luther über die Stadt ausgesprochen hat.
Bei einer Reise durch das Saaletal kehrte der Reformator im Ratskeller zu Rudolstadt ein, um sich dort von seinem Marsche ein wenig auszuruhen und sich mit Speise und Trank zu stärken.
Zufällig fand an diesem Tage Jahrmarkt in Rudolstadt statt.
Die Gaststube war darum voller Gäste, und der Wirt hatte alle Hände voll zu tun.
Er beachtete darum den bestaubten Wanderer nicht, und als dieser um ein Glas frisches Wasser bat, verweigerte er ihm diesen Trunk. Darauf soll Doktor Luther ausgerufen haben:
„Weil die Rudolstädter an Markttagen nicht einmal einen Trunk Wassers für einen dürstenden Wanderer übrig haben, so sollen sie in Zukunft an allen Märkten des Wassers mehr haben, als ihnen lieb ist!“ Seit dieser Zeit sollen in Rudolstadt alle Jahrmärkte verregnen.

Weshalb die Frauen von Orlamünde einen Kropf haben

Nachdem Martin Luther die Bilderstürmer aus Wittenberg vertrieben hatte, zog sich ihr Anführer, der Professor Dr. Karlstadt, nach Orlamünde zurück.
Hier wiegelte er aber von neuem nicht bloß die Einwohner dieser Stadt, sondern die ganze Umgegend gegen Luther auf, so daß dieser sich gezwungen sah, selbst nach Orlamünde zu reisen, um dort Ruhe und Ordnung zu schaffen.
Als er dahin kam, fand er die ganze Stadt in Aufruhr.
Luther versuchte, zu den Betörten zu reden, fand aber bei ihnen kein Gehör.
Ein Schuster versuchte sogar, dem Reformator Gottes Gebote zu lehren, weil er, wie er meinte, solches besser verstünde als Luther.
Es kam zu einem lächerlichen Wortstreit, und die Orlamünder nahmen gegen Luther eine drohende Haltung ein, ja, einige schlimme Weiber drangen auf ihn ein, warfen ihn mit Steinen und Unrat und drängten ihn gegen eine Dungstätte.
Da soll der Reformator einen Fluch gegen sie ausgesprochen haben, daß sie und ihre weiblichen Nachkommen fortan sollten Kröpfe tragen.
Seitdem haben die Orlamünder Frauen als unerwünschten Halsschmuck einen Kropf.
Zur Erklärung sei bemerkt, daß in gebirgigen Gegenden die Kropfbildung häufig anzutreffen ist, was man dem Tragen von schweren Lasten auf dem Kopfe zuschreibt.
Seit längerer Zeit schon sind diese Kropfbildungen aus Orlamünde verschwunden.

Wie Bergleute Luthers Bild verbrannten

Früher und wohl auch heute noch bestand die Sitte, daß man an Petri Stuhlfeier (22. Februar) den Winter austrieb, was man Todaustreibung nannte.
Der Winter war eine Strohpuppe, die man nachher verbrannte.
Die Einwohner zu Altenberg waren nicht lutherfreundlich gesinnt. Als sie nun im Jahre 1522 zum Todaustreiben rüsteten, richteten sie eine Strohpuppe zu, bekleidet wie Luther, führten sie vor ein Gericht, zu dem sie Richter und Schöffen verordnet, und verurteilten sie als Erzhauptketzer zum Feuertode.
Dann zogen sie mit großem Schalle auf den nahegelegenen Berg. Dort hatten sie einen hohen Scheiterhausen errichtet, und wie bei einem Ketzergericht verbrannten sie das Abbild Luthers.

Einige Jahre darauf kamen zwei Altenberger Bürger zu Doktor Luther gen Wittenberg und brachten ihm einen schönen Handstein (Zinnstufe) von rotgüldenem Erz.
Luther bat die Bergleute zu Tische.
Da sagte der eine:
„Mein Kamerad hat sich schwer an Euch versündigt.
Er hat einst Euer Bild wie Hussen zum Tode verdammt.
Nun aber, da er die Wahrheit Euerer Lehre erkannt hat, ist ihm solches von Herzen leid, und er bittet demütig um Gnade und Verzeihung seines törichten Unverstandes.“
Dem Luther gefällt solche Rede, und er sagt, weil solches Feuer ihm und seiner Lehre nichts geschadet, solle es ihm im Namen des Herrn vergeben und vergessen sein.
Da nun dieser Handel ein gut und ehrlich Ende gab, berichtet der Bergmann noch mehr und sagt:
„Ich habe mich bei der Zeche verpufft, bin an die 500 Gulden schuldig; wollet mich auch davon absolvieren.“
Da sagt Luther:
„Ihr Bergleute, wenn ihr am ärmsten seid, blüht Euer Glück, denn da lernet ihr zur Kirche gehen und nüchtern und mäßig sein.
Ziehet heim und arbeitet treulich und handelt redlich.“
Doch ehe dieser Bergmann noch nach Hause kommt, erhält er Botschaft unterwegs, man habe auf seiner Zeche auf dem Asar heute gut Erz angetroffen.
Da löste er Geld, zahlte alles und behielt noch übrig.

Luther und Herzog Moritz von Sachsen

Als Herzog Moritz von Sachsen noch ein Prinz von 16 Jahren war, wurde er von seinem Vater Heinrich zur Universität nach Wittenberg gesandt, wo er von seinem Vetter, dem Kurfürsten Johann Friedrich, in dessen Schlosse gar herzlich aufgenommen wurde.
Luther beobachtete den jungen Prinzen sehr scharf, und mit seiner Prophetengabe ahnte er in ihm wohl die kommende Größe, gleichzeitig aber erfüllte ihn auch tiefes Mißtrauen gegen den verschlossenen Jüngling, von dessen Seite er Gefahr für die heilige Sache des Evangeliums verspürte.
Als er darum eines Tages an die kurfürstliche Tafel geladen war, an der auch der junge Prinz teilnahm, da warnte er den Kurfürsten vor dem jungen Löwen, der mit am Tische sitze und erzählte die Fabel vom Wolf im Schafskleide.
Johann Friedrich aber merkte nicht, worauf Luther hinaus wollte und blieb dem jungen Vetter nach wie vor zugetan..
Dieser hat ihm freilich seine Güte gar arg gelohnt.
In den Briefen, die er an seine Freunde schrieb, machte er sich über den etwas wohlbeleibten kurfürstlichen Vetter lustig und nannte ihn nur immer Vetter Dickwanst“.
Es sollte sich auch bald zeigen, wie sehr Luther mit seiner Prophezeiung im Rechte war, denn Herzog Moritz übte an der evangelischen Sache schlimmen Verrat.
Er verband sich mit dem katholischen Kaiser Karl V. gegen die Verteidiger des Evangeliums, fiel in das Land seines Vetters, des Kurfürsten Johann Friedrich, ein, der mit seiner Hilfe in der Schlacht auf der Lochauer Heide am 24. April 1547 besiegt und gefangengenommen wurde, und nahm dann dessen Kurfürstentum Sachsen in Besitz, weshalb ihm die Geschichte den Namen „der sächsische Judas“ gegeben hat.

Luther