Kirchenstreit in Dobien

1936. Glaube und Heimat 

Ein Kirchenstreit in Dobien

Nach der Matrikel des Jahres 1575 gehörten zu den Einkünften der Dobiener Pfarrstelle aus dem anhaltinischen Dorfe Mellnsdorf 2 Scheffel Roggen – Wittenberger Maß – und 18 Groschen 8 Pfennig Opfergeld. Diese Abgaben wurden auch bis zur Mitte des 19. Jahrhundert ohne Widerspruch von den dazu verpflichteten Besitzern geleistet.
Im Jahre 1859 waren zu diesen Abgaben verpflichtet der Hufenrichter Scherz mit 1 ½ Scheffel Roggen und 4 Groschen 2 Pfennig, der Mehlmüller mit ½ Scheffel und 3 Gr. und 2 Pf. ,
der Hüfner Olle mit 5 Gr. 5 Pf., der Hüfner Joachim mit 2 Gr. 1 Pf.,
der Hüfner Schuboth mit 2 Gr. 3 Pf., die Kossäten mit 1 Gr. 7 Pf.
diese weigerten sich jedoch zu zahlen, weil in diesem Jahre keine Verpflichtung für sie bestünde.

     Sie beriefen sich darauf, daß die Abgaben an dem Sonntage fällig seien, an welchem über das Evangelium von dem Zinsgroschen gepredigt würde, nämlich am 23. Sonntage nach Trinitatis. An diesem Sonntage mußte nach alter Gepflogenheit der Dobiener Pfarrer das Korn und Opfergeld sich einfordern und abholen. Kam er oder sein Beauftragter an diesem Tage nicht, so waren die Kornabgabe und das Opfergeld verloren. Natürlich kam er immer.Aber nun traf es sich, daß in dem Jahre 1859 der seltene Falleintrat, daß es nur 22 Trinitatissonntage im Kirchenjahr gab. Ostern war nämlich auf den 24. April gefallen und Weihnachten an einem Sonntag gefeiert worden; so daß es keinen 23. Sonntag nach Trinitatis gab. Als nun der damalige Pfarrer Albrecht deshalb schon am 22. Sonntag nach Trinitatis, am 20. November 1859, die ihm zustehenden Abgaben aus Mellnsdorf durch den Häusler Gottlieb Schüßler abholen lassen wollte, verweigerten außer Schuboth und Joachim die Besitzer und Kossäten die Abgabe mit der Begründung, sie seien nur verpflichtet, sie am 23. Trinitatissonntag zu leisten.Der Pfarrer war jedoch der Meinung, daß diese jährliche Abgaben nicht durch Bestimmung des Abholungstermins aufgehoben werden könnten und wies darauf hin, daß, wenn etwa in dem Jahre der verbesserte Gregorianisch Kalender eingeführt würde und infolgedessen in irgendeinem Monat mehrere Tage ausfallen müßten, dann ja auch die an diesen Tagen fällige Abgaben, Zinsen und dgl. auch nicht erhoben werden dürften. Er wandte sich an den Patron, den Magistrat in Wittenberg, und bat, ihm zu seinem Recht zu verhelfen.Er erhielt auch die Zustimmung des Magistrats, der aus der Matrikel nachwies, daß kein besonderer Fälligkeitstermin angegeben sei.
Außerdem forderte er den Hüfner Scherz und Genossen vor sich und verwies, als sie auf ihrer Zahlungsverweigerung verharrten, die Sache an das Herzoglich-Anhaltinische Kreisamt in Coswig. Dort fand dann am 9. Dezember eine Verhandlung mit den obengenannten Besitzern statt, in welcher sie gleichfalls erklärten, weil in diesem Jahre der Sonntag,  an welchem über das Evangelium vom Zinsgroschen gepredigt werden müsse, ausgefallen sei, nicht zur Zahlung des Opfergeldes bzw. zur Leistung der Kornabgabe verpflichtet zu sein.
Auf die ihnen gemachten Vorstellungen und aus Sorge vor einem kostspieligen Prozeß erklärten sie jedoch schließlich, daß sie zur Vermeidung aller Weitläufigkeiten für dieses Mal von ihrem Rechte absehen wollten, ohne für die Zukunft eine Verpflichtung zuzugestehen, falls am betreffenden Sonntag die Predigt über den Zinsgroschen wieder einmal ausfallen sollte. Sie zahlten auch an Ort und Stelle die fälligen Gebühren an den Magistrat, wobei sie baten, statt des Korns gleichfalls das entsprechende Geld entrichten zu dürfen.
Der preußische Scheffel Korn wurde dabei mit 1 Taler 22 guten Groschen oder 1 Taler 27 Silbergroschen und 6 Pfennig nach dem Wittenberger Martinipreise berechnet.
Pfarrer Albrecht aus Dobien erhielt dann am 27. Dezember 3 Taler und 25 Silbergroschen durch den Magistrat als Gesamtabgabe aus Mellnsdorf ausgezahlt.
Damit fand der drohende Kirchenstreit ein friedliches Ende.

Hans Schattenberg

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