Kien und Karfunkel
Mit Kien bezeichnet man bekanntlich jene harzdurchtränkten Teile des Kiefernholzes, die durch Verletzung der das Holz durchziehenden Harzkanäle und Erguss des Harzes in das umliegende Gewebe entstehen.
Kienstämme zu suchen und aufzuarbeiten war über Jahrhunderte bei den Armen in Wittenberg üblich. Außerdem boten an den Markttagen die Bewohner diese Kienbündel mit kurzen und langen Spänen zum Kauf an. Kurze Späne worden zur Entzündung des Holzes in den Feuer- und Kochstätten, lange Späne als Leuchtspäne
bei häuslichen Arbeiten bzw. den Gang in die Keller (in der Innenstadt waren sie oftmals mehrgeschossig) verwendet.
Die langen Späne wurden ganz einfach in dem Mund gehalten und beide Hände waren so für Tätigkeiten frei. Tönerne Kienspanhalter
für Beleuchtungszwecke hatten deshalb manchmal die Form von Mündern. In den Stuben der armen Leute gab es aber oftmals nur Kienspanhalter aus einfachen Astgabeln, wie auf dem Bild von Ludwig Richter (um 1850) erkennbar. Sie waren zu dieser Zeit bereits durch einen Karfunkel ergänzt, der ein begehrtes Kaufobjekt auf den Wochenmärkten war. Die „Karfunkel“ waren aus Kristall geschliffen und dem Verschlussstopfen einer Karaffe ähnlich geformt. Sie dienten der besseren Streuung des Lichtes in den Zimmern und machten die Stuben im Winter scheinbar heller und
freundlicher. Später leisteten die Prismen an den Kandelabern einen ähnlichen Dienst«
Karfunkel und Kien waren die Leuchten der Armen, 1850 konnte man beides auf dem Wittenberger Weihnachtsmarkt kaufen.
aus: Wittenberger Bürgergeschichten
Dr. Wolfgang Senst †