Hünengräber im Fläming

1925.11.18. Wittenberger Zeitung





Hünengräber im Fläming
 
Wie reich ist doch unsere Heimat an Zeugen altgeschichtlichen Zeit! Wem von den vielen Menschen, die die Straße von Rahnsdorf nach Wergzahna benutzten, ist schon der Gedanke gekommen, daß jenseits des Zahnatales, an der Stelle, wo das Seitental von Kropstädt her in das Zahnaer Urstromtal einmündet, so hoch interessante, heimatgeschichtlich überaus wertvolle Reste germanischer Kultur zu finden sind? Wer ahnt, daß die vor ungefähr 3000 Jahren dort Eingesessenen mit heiliger Scheu, mit wehmütiger Erinnerung oder grenzenloser Hochachtung nach jener Stelle schauten, wo man die Besten ihres Stammes zur letzten Ruhe bestattete? Wer sieht, wie damals jenseits des breiten, sumpfig – wässerigen Tales mehrere Sippschaften, ein ganzer Stamm in liebevoller Gemeinschaft ihrem Oberhaupte die letzten Ehren erwies? Auf Tage, vielleicht auf Wochen war man versammelt. Man türmte einen Holzstoß auf und verbrannte die irdischen Reste des Häuptlings. Steine, die sich zur Herstellung der letzten Wohnung des Toten eigneten, wurden in der Umgebung gesammelt. (Und das wird in der steinarmen Gegend nicht mühelos gewesen sein!) Auf der ebenen Erde stellte man nun in gemeinsamer Arbeit aus flachen Steinen eine Platte her und umgab dieses Grablager mit einem Steinwall. Feierlich wurden die Reste der Verbrennung mit Lieblingsschmuckstücken des Toten in dieser Grabkammer untergebracht. Und wenn man auch nicht mehr Essen und Trinken dem Toten mit ins Grab gab, so hielt man doch an dem alten Brauche fest und stellte wohl geformte Urnen in die Asche. Tagelang wurde Sand herbei geschafft und über dem Grabe aufgetürmt, bis ein kleiner Berg entstanden war. Wem sind solche Bilder aufgestiegen, wenn er von der Landstraße ins schöne Zahnatal hinabschaute?
Ein Mann, der die Heimat und ihre Vorgeschichte liebt, ging eines Tages durch Rahndorfs Wälder mit allerlei bunten Gedanken über uralte Zeiten und sah auf einer Anhöhe, nicht weit von den erwähnten Urstromtälern der Eiszeit mehrere Hügel, alle beieinander und doch jeder für sich, größere, kleinere, der eine steil ansteigend, der andere flach, einige sogar mit einem Graben umgeben.
„Das sind keine Schutthügel der Eiszeit. Menschen müssen die zwerghaften Berge geschaffen haben; die Gegend muß bewohnt gewesen sein; der Talrand gab dem Hausvieh und den Menschen genug Nahrung.“ Sein Forschertrieb ließ dem Manne keine Ruhe. „Werden in den Hügeln nicht jahrtausende alte Geheimnisse ruhen? „In seiner Freude über den Fund suchte er andere Männer, die auch die Heimat und ihre Vorfahren lieben, und begeistert zogen alle eines Tages aus, mit rüstigen Armen und wachsamen Augen das Innere der geheimnisvollen Erhebungen zu ergründen. Zwei Tage lang wurde geschaufelt und gewühlt. Die Mühe ist reich belohnt worden. Sieben Hügel wurden in rastloser Arbeit geöffnet, und von vier Gräbern kann man sagen, daß sie noch nie seit 3000 Jahren berührt worden sind. Die beiden schönsten Gräber wurden im photographischen Bilde festgehalten, sind sie doch mit ihrem Inhalte für das Provinzialmuseum wertvolle Gegenstände aus alter Zeit. Das erste Bild (auf den Bilder ist nichts zu erkennen) zeigt ein Grab mit einer plattenähnlichen Steingrundlage, das mit hellfarbener Asche, Holzkohlenteilen und Knochenresten angefüllt war. An Schmuckstücken fand man zwei Bronzeperlen und ein Stück einer Bronzenadel, die natürlich vollständig mit Grünspan überzogen waren. An der Westseite des Grabes lagen außer einigen Scherben zwei Urnen, die sich durch ihre kunstvolle Form auszeichneten. Leider war es trotz größter Vorsicht nicht möglich, sie unbeschädigt zutage zu bringen, da sie sehr mürbe waren und beim Zuschütten des Grabes wahrscheinlich schon beschädigt worden sind. Es müssen Meisterwerke ihrer Art gewesen sein. Und mit wieviel Sorgfalt müssen sie hergestellt sein, – ohne Drehscheibe, durch bloßes Formen mit den Händen! Merkwürdigerweise ist der linke Rand des Grabes durch besonders aufgerichtete Steine erhöht und findet nach vorn zu eine Fortsetzung. In der Mitte und am unteren Ende dieser Steinreihe sind seitlich einige Steine angesetzt, so daß folgende Figur entsteht:

Runen gab es in damaliger Zeit noch nicht; ob es ein heiliges Zeichen darstellen soll?
Das 2. Grab enthielt keine Schmuckstücke. Dagegen stand in der Mitte auf der Asche eine vollkommen erhaltene, große Urne, die auf ihrem unteren Rande zwei ringförmige Einzeichnungen aufweist. Hervorzuheben ist der eigenartige Bau des Steinkranzes. Er zeigt im Vordergrunde einen wohl bewußt hergestellten Eingang zum Grabe. Ob die Grabanlage den Grundriß des Hauses darstellen soll, in dem der Verstorbene gewohnt hat? Im 3. Grab wurden Scherben und zwei bronzene Perlen gefunden. Mit dem 4. Grabe hat das Provinzialmuſeum in Halle die größte Bereicherung erfahren. Es enthielt außer einer großen Urne eine ungefähr 20 cm lange Bronzenadel, die an einem Ende verdickt und mit gleichlaufenden, ringförmigen Verzierungen verſsehen war. Außerdem rollte beim vorsichtigen Suchen in der Asche ein unversehrter, spiralförmiger, goldner Ring in den Sand. Nichts hatte der Ring von seinem Goldglanze eingebüßt! Dieses Kleinod löste die hellste Begeisterung aus.
Von dem Erfolge beglückt, verließen die Heimatfreunde ihre Arbeitsstätte. Vor ihrer Seele stiegen die wunderlichsten Bilder über Landschaft und Bewohner unserer Heimat vor 3000 Jahren auf, in Herz und Gemüt spiegelte sich die Heimatliebe wieder, die unsere Vorjahren einstmals beseelt hat.