Hochzeitslied

1926.09.02. Wittenberger Zeitung

Hochzeitslied aus dem Fläming

In den Lledern und Weisen eines Volkes spiegelt sich seine Seele wieder. Um so mehr müssen wir es bedauerlich finden, daß uns so herzlich wenig Lieder und Gedichte aus dem Fläming erhalten und bekannt sind. Es hält auch ungeheuer schwer, solche zu bekommen, da dieselben nur in den langen Abenden leben ober auf dem Heimweg vom Felde oder auch bei den heimischen Festen, aber nirgends aufgezeichnet wurden und zu lesen sind. Untenstehendes Lied stammt von einer der echten Flämingshochzeiten, bei der das ganze Dorf beteiligt ist und Du kein Haus ohne Gäste und Kuchen findest. Die Verwandten des Brautpaares werden zumeift von den Nachbarn aufgenommen und bekommen das junge Paar vor der eigentlichen Kirchenfeier nicht zu Gesicht. – Das Gedicht wird von einem jungen Mädchen aufgesagt, das dem Brautpaar einige Eier und ein Stück Butter überreicht:


Ick hän jehiert, je wollen Hochtied macken,
Unn derr Brielijen1 helle ok feste versproacken,
Dette de junge Fraun wolle nn Mäken mieten,
Det schoapschören kann, haken unn wieten
Unn alles wäten antufoaten,
Det sich de junge Fraun nich brukt so suer te loapen.
Hn‘ kieken je moal, ick bünn joa sonn Mäken!
Ich kann jar ok noch ville mehr verspråken.
Ich koann häkeln, schtoppen unn schticken,
Koann jrouben , maschen unn flicken.
Unn wat ick nich koann, det währ ick schon noch lehren,
Unn wenn se wat soat, ick wärit schon hären.
Ick denke je wären schon derfrinnen2 sinn,
Na, wenn ick moan ehr en Woche doa bünn!
Unn, unn unse Muddr ehr! Die hätt ‚ ne Fröhle3!
Die kennt joa de Brutliete4 ok alle beele!
Die sähnt: Mäken, dat kann ick dei seihen,
Doa loapste mei henn den Dienst mußte kreihen.
Ick hähn gebuddert, don nämmste Dei n‘ Sticken,
Kannst Dei ok noch n‘ paar Eier sinken5.
So , nun loap unn tuck alles vertellen
Unn wennet ehr jebbst, denn tuste bustellen,
Det ick de Brutliete winschen däle,
Det je Flicke hänn frühe unn späte,
Unn dat je jefund sinn, munter unn quick6;
Denn det iß joa dat größte Läbensjlick!“
Ach so, hier sinn jou noch die paar Eier unn dat Stickchen
Je wärnnt schon bruken, ment unse Mudder. (Budder)

1Brielijen = Bräutigam ,
2derfrinnen = zufrieden,
3Fröhle = Freude,
4Brutliete = Brautleute,
6sinken = suchen,
6quick = fröhlich .

von Karl Brüsch

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