Im frühen Mittelalter waren Seuchen und ansteckende Krankheiten eine Geißel der Menschheit. Eine sehr verbreitete Krankheit war die Mutterkornvergiftung (Ergotismus). Der Mutterkornpilz befällt vorwiegend, wenn während der Reifezeit ein feuchtwarmes Klima herrscht, den Roggen und ist von erheblicher toxischer Wirkung.
In einer Zeit, da sich die Menschen meist von Getreide, Brot, Grütze und Brei ernährten, und angesichts der vielen Hungersnöte und einer nichtentwickelten Vorratswirtschaft, wurde auch das befallene Getreide einer neuen Ernte in Unkenntnis der Folgen gierig verbraucht.
Man kennt zwei Erscheinungsformen dieser Mutterkornvergiftung: die Krampfseuche und die Brandseuche. Bei erster kommt es zu schweren Krämpfen ganzer Muskelgruppen bis hin zum Muskelschwund. Bei der anderen Form der Vergiftung gibt es durch Verengung der Blutgefäße eine Unterbrechung der Blutzirkulation, was ein Absterben der Gliedmaßen zur Folge hat.
Schon Ende des 11. Jahrhunderts bildete sich im heutigen St. Antoine (Frankreich) eine Spitalbruderschaft von Laien, die sich der Pflege der an der Mutterkornvergiftung Erkrankten annahm. Aus der Laienbruderschaft wurde im 13. Jahrhundert ein Orden von regulierten Chorherren, der Antoniterorden. Seinen Namen hatte der Orden von St. Antonius Eremita (ca. 251- 356), dessen Gebeine von Ägyptern nach Frankreich gelangt waren. Diese Begräbnisstätte wurde von Pilgern und Kranken aufgesucht, um vom ,,Heiligen“ Hilfe und Beistand gegen das ,,Antoniusfeuer“ zu erbitten.
Mit der ungeheuren Verbreitung der Mutterkornvergiftung über ganz Europa erfuhr auch der Antoniterorden an Bedeutung und Ausdehnung, die dazu führte, daß im 15. Jahrhundert in ganz Europa etwa 370 Niederlassungen bestanden.
Die Antoniter brachten den von schweren Schmerzen und körperlich entstellten Patienten große Hilfe, Linderung und Pflege. So entwickelte sich auch auf dem „lichten Berg“ bei Prettin aus einer Samariterherberge ein Antoniterkloster. Die Mönche wirkten auch in der hiesigen Gegend vorwiegend in der Kranken- und Armenpflege. Viele Kranke, wie die vom Mutterkornbrand befallenen und entstellten, verstümmelten, wurden zu Langzeitpatienten. Um diese Pflegedienste leisten zu können und die nötigen Mittel zu beschaffen, gingen die Antoniter von Ort zu Ort und baten um Spenden. In der Zeit der Naturalwirtschaft erhielten sie von der Bevölkerung Getreide, Früchte, Räucherwaren und häufig auch ein Schwein. Oftmals war dies ein Ferkel, welches die Antoniter dann bis zur Schlachtreife hielten.
Die den Mönchen gespendeten Schweine durften, im Gegensatz zu den Schweinen der Ortsbewohner, frei in der Stadt herumlaufen und ernährten sich von den vielen herumliegenden Abfällen. Als Kennzeichen erhielten die Antoniusschweine ein „T“ auf den Rücken gemalt, das Zeichen der Antoniter. Ein „T“ trugen die Antonius-Brüder in hellblauer Farbe auf ihrem Gewand. Das „T“ sollte eine Krücke der vom Antoniusfeuer Verstümmelten, Verkrüppelten darstellen.
Bei ihren Sammelfahrten trugen die Mönche einen langen Wanderstab in Form eines „T“, an dessen oberem Ende Glöckchen aufgehängt waren. Damit machten sie auf ihre Sammeltätigkeit aufmerksam.
In der heutigen Zeit, wo wir in einer großen Solidargemeinschaft krankenversichert sind, und selbst teure, langwierige ärztliche Behandlungen von Krankenkassen getragen werden, kann man sich kaum vorstellen, wie hilfreich und wichtig die Dienste der Antonitermönche damals Zeit waren.
Der Antoniterorden war so reich, daß sich Luther, der häufig in dem Hause Lichtenbergk zu Gast war, äußerte:
„Den Reichtum der Lichtenberger Mönche könne man schwer mit drei Tonnen Gold aufwiegen.“
In der Zeit der Reformation bekannten sich Mönche und selbst der Klostervorsteher zum Lutherglauben. Da Luther Augustiner war, hatte er auch Zugang zum Antoniterkloster.
Im Kloster Lichtenbergk fanden wichtige Unterredungen zwischen Luther und einem Vertreter des Kurfürsten Friedrich des Weisen 1518, und zwischen Luther und dem Abgesandten des Papstes 1520, nach Androhung der Bannbulle, statt. 1530 brannten Teile des Klosters nieder.
Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters ließ der Kurfürst August von Sachsen das Schloß Lichtenburg als Witwensitz für seine Gattin Anna errichten.
Als Sachzeugen findet man heute noch im ehemaligen Wirtschaftsteil des Schlosses eine Sandsteintafel vom Klosterpräzeptor von Orsoy (1493).
Karl Hennig
aus: „Elbe-Elster-Rundschau“ vom 29.10.1994