Heidefahrt durch den Fläming nach den „Rummeln“

1926.09.01. Wittenberger Zeitung

Die Heide blüht!

Auch der Wittenberger kann sich den Genuß einer Heidewanderung billig und schnell verschaffen, wenn er zu diesem Zweck den Fläming aufsucht. Dieses Gebiet hat einen schlechteren Ruf als es verdient; denn es ist nicht nur ein trostloses, unfruchtbares Land, sondern im Gegenteil an vielen Stellen sehr fruchtbar infolge Auftretens von Lößboden. Viele wohlhabende Dörfer mit kleinen Kirchen aus Findlingen laden zur Rast ein, und in den unbebauten Gegenden wechseln Berg und Tal, Laub- und Nadelwald miteinander ab. Hier findet man noch Ruhe und Erholung.
Das schönste Bild bietet der Fläming für das Auge des Wanderers im jetzt beginnenden Herbst – zur Zeit der Heideblüte, wenn die nur mit einzelnen Kiefern oder Birken bestandenen Sandhügel zu glühen anfangen. Die Abendsonne muß ihre letzten Strahlen darauf senden oder der einfame Wanderer liegt in dem roten Polster zur Mittagszeit bei strahlendem blauen Himmel, wenn die Luft still steht und man nichts weiter hört als das Summen der geschäftigen Bienen – dann erst fühlt der Mensch die Schönheit des Herbstes, die Poesie der Heide.
Unsere Wittenberger Gegend bietet so viel Gelegenheit, gerade diese Schönheit auf Wanderungen zu genießen, besonders der Hochfläming in der Gegend von Kropstädt nach Westen und Nordwesten. Ein bequemer Ausgangspunti solcher Heidefahrt ist jetzt auch Straach, wohin man mit der Bahn fahren kann, um dann nordwestlich über Groß-Marzehns nach der romantischen Raubritterburg Rabenstein und Raben zu gelangen. Für einen tüchtigen Fußgänger ist von dort sehr lohnend ein Marsch von 12 Kilometer nach Wiesenburg mit seinem schönen Schloß und Park. Zurück benutzt man abends den Zug über Roßlau.
Ein anderer Weg führt uns über Mochau (Schwarzer- und Michelsberg) Weddin, Boßdorf nach Garrey. Da man hierbei nur auf Fußwegen mitten durch die Heide wandert, erschließt sich die eigenartige Schönheit der Gegend ganz besonders, dazu treten neben größeren Erhebungen tiefe, oft schluchtenartige Talmulden auf.
Die eigenartigsten Bildungen solcher Art sind die „Rummeln“ bei Garrey, auf die wegen ihrer Schönheit in der Zeit der Heideblüte hier ganz besonders eingegangen werden soll. Die Bezeichnung „Rummeln“ kommt her von rumoren (lärmen); um die Entstehung biefer Schluchtes besser zu verstehen, müssen wir eine kurze geologische Betrachtung der Gegend vornehmen.
Die Urform des Flämings entstand erst in der letzten Vereisung. Der Nordrand hob sich später durch inneren Erddruck um 40-60 Meter; daher der Steilabfall nach Norden und die kurzen, tiefen Täler mit zahlreichen Seitentälern, durch die bei starkem Regen ober plötzlicher Schneeschmelze die Waffermassen als Wildwässer dahinstürzen und Sand und Steine mitreißen – so entstanden die Rummeln.
Jetzt sind sie über und über mit blühendem Heidekraut bedeckt, dazwischen wilde Rosen- und Brombeerhecken und Besenginster. Granitblöcke treten zutage, die in der Eiszeit dort abgelagert sind. Besonders fällt ein riesiger Findling in einem nördlichen Seitental der Garreyer Rummeln auf, unter dem mehrere Personen Platz finden. Immer neue Schönheiten entdeckt das Auge bei der Wanderung durch diese wildromantisch wirkenden Schluchten mit ben vielen Seitentälern; denn sie sind kilometerlang und 10-80 Meter breit bei einer Tiefe von 10-20 Meter.
Die Rummeln sind aus dem Lößplateau ausgewaschen, das sich in einer Länge von 50 Kilometer von Rabenstein bis Dahme erstreckt und bis 5 Kilometer breit ist. Freie Kuppen liegen dazwischen, die durch Wind und Wasser abgetragen sind. Entstanden ist der Löß in der Steppenzeit. Südweststürme wehten den Feinsand von den Grundmoränen und häuften ihn im Windschatten auf. Das ist die Kornkammer des Flämings, hier baut man sogar Weizen und Rüben; denn der Boden ist ebenso fruchtbar wie in der Magbeburder Börde oder goldenen Aue bei Nordhausen. Hier liegen die reichen Dörfer Lobbese, Feldheim, Marzahna, Schönefeld, Danna, Edmannsdorf und Blönsdorf.
Bei Lobbese und bei Neuendorf nördlich Garrey gibt es ähnliche Rummeln, die von Lobbese verlaufen nach Süden zum Elbetal, während die von Garrey und Neuendorf ihre Wässer nach Norden zum Planetal führen.
Im Wiesenburger Forst findet man beim Forsthaus Spring solche Rummeln, die aber mit herrlichem Buchenwald bestanden sind. Bekannt sind auch die „Brautrummeln“ bei Grabo, doch keine sind so schön, wie die Garreyer.