Geschichte des Flämings und der Fläminger

Vortrag an der Volkshochschule in Wittenberg

„Zur Heimatgeschichte des Flämings und der Fläminger besonders zwischen den alten Flämingstädten Wittenberg und Jüterbog.“

 Suchet freudig die verborgenen Schönheiten eures Heimatwinkels wie lenzlustige Kinder im Busche die Veilchen.

Otto Bölke – um 1940
21.06.1873 – 05.07.1946
aus: Archiv HV WB

„Freude -rechte Freude – brauchen wir in unseren Tagen, wo die graue Sorge durch Deutschland schleicht und so viele Herzen beschwert und manch bisher frohes Gemüt umdüstert.
Und was könnte schönere und reinere Freude gewähren in all der Not der Zeit als die Freude an der Heimat? – Sie ist für jeden noch da, dem Gottes Sonne noch scheint, und den die Heimaterde noch trägt, die Freude, wenn uns im Suchen und Forschen das Auge aufgeht für die „verborgenen Schönheiten unseres Heimatwinkels“.

Was ich in solchem Suchen und Forschen selbst gefunden habe,
das möchte ich auch andern bieten, um – so es sein möchte! – vielleicht auch manchen noch zu der Freude zu führen,
wie ich sie selbst je länger je mehr an unserer Flämingheimat gewonnen habe.

Deutsche Waldlaufmeisterschaften am 20.06.1929 in Wittenberg, eröffnet durch Bürgermeister Dr. Arnold Wurm
aus: Archiv HV WB

Den meine Heimat darf ich ihn nennen – und nenne ich ihn mit Stolz und mit Dank! – diesen kleinen Erdenwinkel, den Fläming hier bei Wittenberg,
wo seit Jahrhunderten schon meine Vorfahren die Scholle
gepflügt und den Boden bebaut und als angestammtes
Fläminger Erb- Lehn- und Gerichts- Schulzen-Geschlecht – wie auch als des großen Flämings Land- Richter1),
wie die Kirchenbücher bezeugen, ihre Führerstellung behauptet
und ihres Amtes gewaltet, bis mit meinen teuren Vater im Jahre 1894 der letzte Erb- Gerichts- Lehn- Schulze meines Heimatdorfes zur Ruhe ging.
Und über zwei Jahrzehnte durfte ich nunmehr auch als Pfarrer
und Seelsorger auf dem Fläming in Blönsdorf meines Amtes
walten und bin den Spuren der flämischen Siedelungen nachgegangen, um darin der Heimat zu dienen und – soweit
möglich – Sicheres festzustellen über den Fläming und die Fläminger, worüber bisher fast alles fehlte und das wenige Vorhandene zum Teil recht wenig Zuverlässiges bot.
Denn ein lange völlig unbeachteter Erdenwinkel war dieser
unser Fläming.

Nur die alte Flämingstadt Wittenberg,
die seit ältester Zeit
nach ihrer Geschichte zu uns gehört
wie wir zu ihr, konnte nicht verborgen bleiben als eine Stadt,
die auf einem Berge liegt.

Mag dieser Berg auch anderen nicht erkennbar sein, so doch für Augen eines Flämingers, der jede kleine Anhöhe als „Berg“ zu bezeichnen pflegt, wie sie sich ja auch wirklich als solche ausweist bei jeder Hochflut der Elbe, sodaß die Stadt selbst bis heute noch immer sichere Wohnstätte bot.
Gerade hier, wo in der Mitte des 12. Jahrhunderts die durch hereingebrochene Sturmfluten und andere Nöte der Heimat beraubten Flanderer oder Fläminger in und bei Wittenberg und
in und um Jüterbog sich eine neue Heimat schufen, ein
„kleines Flandern in Deutschland“, und wohl in diese einwandernden heimatlosen Fläminger zuerst das Christentum brachten. daß es Licht ward auf des Flämings Höhen, gerade hier in diesem kleinen, unbeachtete!! und unscheinbaren Erdenwinkel erweckt sich der Ewige droben, der die Geschicke der Völker lenkt nach seinem allweiser Rat und Willen, vierhundert Jahre später den Mann eines schlichten, uralten, deutschen Bauerngeschlecht entsproßen.
Daß durch ihn, als seines Propheten Mund, neu
„die Wahrheit werde kund“
und hier neu das Licht des Evangeltums aufgehen sollte für die Welt.
Es will uns beim Blick auf das alte kleine Wittenberg schier schon immer gemahnen an das alte Prophetenwort:

„Und du. Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der über mein Volt Herr sei“.

Und gerade von hier, von des Flämings Höhen und von der alten Flämingstadt Wittenberg – das ist ein so wunderbares Herüber
und Hinüber noch garnicht oder viel zu wenig beachtet als wunderbare Fügung, daß wir nur voll Bewunderung und
Anbetung still stehen können!
Gerade von hier wirft vierhundert Jahre später das hier neu aufgegangene Licht zuerst seinen hellen Schein wieder hinüber
in das alte Flandernland, in die alte Heimat unserer Väter,
von wo sie einst als die Ersten die große Frohbotschaft von
Christo hierhergebracht hatten.
Dort im alten Flandernland auf dem Marktplatz zu Brüssel besteigen am 1. Juli 1523 die ersten Blutzeugen der Reformation Hendrik Vos und Johannes van Essche den Scheiterhaufen und sterben mutig den Flammentod um des Evangelii willen, daß Martin Luther hier in der alten Flämingstadt Wittenberg darüber zwar mit tiefem Weh im Herzen,
– als Martin Luther von der Hinrichtung der beiden Augustiner erfuhr dichtete er

„Ein neues Lied wir heben an“

aber doch zugleich frohlockend, weil sich das Evangelium neu als eine sieghafte Kraft Gottes erweist, sein großes Triumphlied anstimmt mit jenem herrlichen Ausklang:

„Wir sollen danken Gott darin,
sein wort ist wieder komen:
der somer ist hart für der thür,
der winter ist vergangen,
die zarten blümlin gehn erfür.
der das hat angefangen,
der wird es wol volenden.“

(der Text wurde exakt übernommen)

„Een klein Vlaanderen in Duitschland!“
so rief es an meiner Seite stehend der als Führer der flämischen Bewegung bekannte flämische Pastor Domela Rieuwenthuis Rijegaard aus Gent aus bei dem ersten Anschauen unserer Flämingheimat und beim Vernehmen der ersten Klänge unserer Fläminger Mundart und bei dem Anblick der eben zur Schule eilenden frischen, frohen Kinderschar, Knaben und Mädchen,
mit ihren helleuchtenden blauen Augen und ihrem schönen
blonden Haar mit einem aus tiefster Seele kommenden, immer wiederholten, wie ein Juchzer erklingenden: „heerlijk! heerlijk!“
Wie vielen aber ist nichts bekannt von dieser Herrlichkeit dieses unseres Heimatwinkels, die auch mir selbst als Kind des Flämings
– ich gestehe es offen! –
erst je länger je mehr mit dem Suchen und Forschen in der Geschichte der Heimat, bei Land und Leuten aufgegangen ist.
Bietet doch dieser unser Fläming äußerslich an sich so wenig an Reizen, wie es schon in all den Redensarten und Sprichwörtern
von ihm zum Ausdruck kommt, wie wenn man ihn seit alter Zeit bezeichnet als
„den dürren Fläming“ und von ihm spricht:

Fläming arm an Born!“ oder:
„Nur Handwerksburschen und Bettler
Gehn auch über den Fläming.“
und:
„Das ist das gelobte Land,
wenn der Wind weht, stiebt der Sand!“

Wie uns ja auch das alte Verslein aus Luthers Tischreden von dieser Gegen hier bei Wittenberg noch überliefert ist in folgendem Zusammenhang von Martin Luther erwähnt:
„Wir müssen’s allhier zu Wittenberg auch bekennen“
(nämlich daß Gott, wie in Psalm 78,15 ff. ausgesprochen ist, auch aus steinigem und unfruchtbarem Boden den Menschen Nahrung gibt)
„da unser Land gar sandig ist und anders nichts denn eitel Steine; denn es ist nicht ein fettes, köstliches Erdreich.“
Darum hat, sprach Martin Luther, einmal einer von Wittenberg gesagt
(und damit führt er es als ein Wort an, das zu seiner Zeit im Volke sozusagen als alter Bauernspruch und auch wohl schon seit der Zeit der ersten Ansiedlung der Ackerbau treibenden Fläminger von Mund zu Mund ging, und was auch noch oft über die Lippen meines eigenen lieben Vaters ging, wenn er den Ackerbearbeitete oder vor den seiner Zeit oft noch so spärlich fstehenden Halmen seines Erntefeldes stand):

„Ländiken, Ländiken,
Du bist ein Sändicken!
Wenn ik dit arbeite,
So bist du licht;
Wenn ik dich egge,
Bist du schlicht;
Wenn ik dick meie,
So finde ik nicht. “

Und dennoch – trotz Sand und Stein! – ja, gerade mit diesem
Sand und Stein:

„Du mein lieb Heimatland.“
Sind diesem unserem Heimatwinkel auch nicht besondere
äußere Reize verliehen – es geht ihm , wie manchem Menschenkind! – so ist ihm doch eine verborgene Schönheit eigen, eine Schönheit, die sich nicht aufdrängt, sondern die man suchen muß, wirklich suchen, freudig suchen: wie lenzlustige Kinder im Busche die Veilchen.
Und ist solche Schönheit erst entdeckt und recht erkannt,
so erfreut sie Herz und Gemüt ebenso: „

wie das im Verborgenen blühende Veilchen, das man erst suchen muß, und zu dem man sich niederbücken muß, um es zu pflücken, als erster Frühlingsbote freudig begrüßt uns mit seinem tiefen schönen Blau nicht minder erfreut und mit seinem eigenen lieblichen Duft das Herz erquickt wie die in des Sommers heißen Tagen von Weitem schon in ihrer ganzen Glut uns entgegenleuchtende und in ihrer ganzen Schöne als der Blumen Königin sich uns zeigende glühend rote Rose am Strauch, die mit ihrem berauschenden Duft den Garten erfüllt und uns entzückt und beglückt.
Es trifft auch für unsere Flämingheimat zu, was Kohl in seinen „Reisen in den Niederlanden“,
im Jahre 1850 erschienen, wie ich hier und absichtlich immer
wieder hinüberweise in die alte Heimat umserer Väter, um anzudeuten, wieviel Gleichartiges seit alter Zeit bis heute hier
und dort sich findet wie in der Natur des Landes, so auch in Sitten, Bräuchen und Charakter der Bewohner:

„Die niederländische Natur darf man nicht bloß beschauen, man muß in ihr längere Zeit gelebt haben, man muß womöglich in ihr geboren und aufgewachsen sein, um ganz mit ihr vertraut zu werden und die versteckten Reize an ihr zu entdecken. – Sie ist keine imposante Schönheit, die Jedermanns Beifall heischt.“

In der Landschaftsmalerei wie auch in der Kunst, die Menschen
mit Worten zu malen, ist es ein besonders wichtiges Geschäft,
der Natur die kleineren Züge abzulauschen.
 Wer das Schönste schauen will von dem, was an äußerer Naturschönheit unser Fläming zu bieten hat, der unternehme
einmal eine Wanderung hin nach meinem lieben trauten
Heimatdorf Berkau und genieße einmal in Ruhe und Stille den
Blick von dem Hirseberg2) und von dem Weinberg bei Berkau
auf die Höhen ringsum, er innernd an das Thüringer Land,
und auf das drunten im Tal liegende traute Dörflein,
das besonders im Frühling von einem dichten Kranz blühender  Bäume umgeben, einen wundervollen Anblick bietet.

Burg Rabenstein – Burg Eingang
aus: Archiv HV WB

Und dann wandere man hin durch den herrlichen Wald zu der
alten Bergfeste Burg Rabenstein und weiter zu der einsam gelegenen Waldschöne der alten Wasserburg Wiesenburg und dann zur Burg Eisenhardt bei Belzig.
Da ist uns auch in unserer Flämingheimat etwas ganz Eigenes an Naturschönheit gegeben, was noch viel mehr Beachtung verdient.
Sonst aber gilt es in allem bei uns, die verborgene Schönheit zu suchen. Und was ich einst in meiner Jugendzeit nach einer ersten Wanderung über den Fläming als Abschluß zu meinen  Aufzeichnungen setzte, das möchte ich auch heute noch jedem zurufen, es auf seine Flämingwanderung stets mitzunehmen, damit er nicht enttäuscht davon heimkehrt, und stets zu beherzigen jenes Wort Goethes:


„Kleine Blumen, kleine Blätter
Finden sich auf jedem Pfad.
Jeder kann sich ihrer freuen,
Wer nur Augen dafür hat.
Offnen Blickes, offnen Herzens
Mach mit einem Kleinem dich vertraut,
Ist aus tausend kleinen Dingen
Doch das Leben aufgebaut.“

Schloss Wiesenburg 2021
privat

Bieten möchte ich hier etwas von dieser unserer Flämingheimat  nach dem, was ich beim Wandern von Land und Leuten erfahren
und im Laufe von Jahrzehnten im Suchen und Forschen erlauscht,
nach dem, was ich in lebendigen Menschenseelen gelesen von denen, die mir Stamm- und Blutsverwandt sind, nach dem, was ich in alten vergilbten Urkunden entziffert in oft unsagbar mühevoller Kleinarbeit
(wo das letzte Ergebnis oft so unbedeutend erscheint dem, der nun keck das das wenige mühsam Festgestellte entnimmt und als sein eigen in die Welt hinausschreibt, wie es so oft geschieht!)
und nach dem, was ich tief im Schoß der Erde verborgen fand auf unserer Heimatflur und an das Tageslicht hob nicht nur von vergangenen Jahrhunderten, nein, von vergangenen Jahrtausenden uns Kunde gebend.
Bieten möchte ich hier etwas von dieser unserer Flämingheimat auch nach dem, was ich von den Vätern her übernommen und überkommen, wie es weitergegeben ward von und zu Mund zu Mund – wie ja unsere ganze Fläminger Sprache, unsere Mundart, durch die Jahrhunderte hindurch bis heute auch nur von Mund zu Mund weitergegeben ward wie alles das, was uns zur „Gewohnheit“ warb, und wie es nun eben bei uns Flämingern „Brauch“ ist von Geschlecht zu Geschlecht, nach dem, was so von Mund zu Mund gesagt, auch in dem, was wir nun „Sage“ heißen, sich noch erhalten hat und wie es von Kind auf vernommen und nach dem – und wenn auch zuletzt genannt, so doch wohl nicht das Letzte bei einem, der über den Fläming und die Fläminger mit ihrem so eigenen und an sich so verschlossenen Charakter etwas sagen will! – was mir im Blute liegt als Kind des Flämings und eines alten Fläminger Bauerngeschlechtes.
Erzählen will ich von alledem schlicht und einfach, wie hier Land und Leute miteinander in Beziehung stehen, gleichsam miteinander verwachsen sind:
Wie dem Lande – unserem Fläming – sein besonderes Gepräge gegeben ward durch seine Bewohner und wiederum die Bewohner ihr besonderes Gepräge – ihre scharf ausgeprägte Eigenart – mit erhielten durch das Land, aus dem sie kamen, und das sie nun hier bewohnen und bebauen als die Fläminger auf dem Fläming.
So denke ich in den folgenden Ausführungen einen kleinen Beitrag zu bieten:

Zur Heimatgeschichte des Flämings und der Fläminger

Nichts weiter eigentlich als:
„Von daheim ein Gruß“
ist es, den ich biete, oder wenn ich es in unserer schönen Fläminger Mundart sagen darf, denn:

„Weh dem, der keine Heimat hat!“ –
„Heimatlos, nur der ist arm!“

– und kein Ton ergreift so mächtig unser Herz wie der Klang in unseren Volksliedern:

„Ich kann nicht nach Hause
Hab keine Heimat mehr!“

Wie es uns schon bei unserem deutschen Dichter Walther von der Vogelweide entgegenklingt in seinem:

„Sit willekomen, her wirt!“: sit hinaht hie! sit morgen dort!“ waz gougelsuore ist daz? „ich bin heime“ ode ich wil heim“, daz troestet daz“.

Wie auch nirgends der Jubel heller klingt, als wenn des Herzens Sehnen gestillt und das Heim und die Heimstätte endlich gefunden ist wie bei Walther, wo er jauchzend ausruft:

„Ich han min lehen, al die werlt! ich han min lehen!“
Nu enfürhte ich niht den hornunc an die zehen.“

Erst in diesen Tagen schrieb ein Wissenschaftler in einem Aufsatz über:
„Heimat und Volkstum“:
„Es ist gewiß kein Zufall, daß noch keinem Wissenschaftler eine befriedigende Bestimmung des Begriffes „Heimat“ gelingen wollte.
Die Heimat wird nicht durch den Verstand, sondern durch das Herz des Menschen empfunden und ist somit nur gefühlsmäßig, nicht begrifflich zu ergründen.“ –
In dem Heimatgefühl wurzelt alles Gute, Schöne, Große, Wahre, Hohe, Edle und nicht zum Letzten:
die Religion, unser Glaube, wie wir ja auch vom Jenseits sprechen als von der oberen oder der ewigen Heimat und vom Sterben reden als von einem heimgehn, wie Heim
– das nur die deutsche Sprache kennt und in keine andere Sprache übersetzt werden kann! –
Heimat und Himmel wohl auch auf ein und denselben Stamm zurückgehen und denselben Ursprung haben.
Und was ist es anderes im letzten Grunde als das tiefste Heimatsehnen des deutschen Gemütes, das sich in all den
großen mächtigen Bewegungen unserer Tage auspricht wie
der „Eigen-Heim-Bewegung“, der „Boden-Reformer“ und vieler anderer, welchen Namen sie auch tragen mögen, soweit sie echt und wahr sind.“ 
Niemand aber hat des deutschen Herzens tiefstes Heimatsehnen ergreifender ausgesprochen als der treue Deutsche Mann
Ernst Moritz Arndt mit seinem Wort:

„Gebt mir ein freies, glorreiches Vaterland, und nie mag mein Name genannt werden als in meinem Hause und bei meinen Nachbarn; gebt mir nur ein Plätzchen in Germanien, wo die Lerche über mir singen darf, ohne daß ein Franzose sie herabschießt; gebt mir ein Häuschen mit einem Gartenzaun, wo mein Hahn krähen darf, ohne daß ein Franzose ihn bei den Fittichen fasse und in seinen Topf stecke!
Und ich will fröhlich sein wie die Lerche und krähen wie der Hahn, wenn auch ein Leinenkittel meinen Leib bedeckt“.

So gedenke ich im Folgenden etwas zu bieten:
Zur Heimatgeschichte des Flämings und der Fläminger.
Und zwar wollen wir:

I. Einen Gang tun zu drei Begräbnisstätten aus vorgeschichtlicher Zeit auf unserer Heimatflur:
1. aus der Steinzeit,
2. aus der Bronzezeit und
3. aus der Eisenzeit.
Sodann sprechen :
II. Ueber die ersten Fläminger Siedelungen im 12. Jahrhundert und ihre Bedeutung für unfere Heimat.
III. Ueber die Flamen in Belgien und die Flamen in Deutschland.
IV. über die Mundert der Fläminger mit Sprachproben in Fläminger Mundart.

Und so möchte ich es bieten – soweit es in meinen Kräften steht – aus wahrer Liebe zur dieser unserer Flämingheimat mit der alten Flämingstadt Wittenberg zu diesem unseren Heimatwinkel – und deshalb wollte ich in dieser besonderen Einleitung wenigstens kurz sagen, wie eine nur Heimatgeschichte und insbesondere Heimatgeschichte vom Fläming und von den Flämingern geben kann, und welchen Wert diese Heimatgeschichte für uns gerade in unseren Tagen hat – daß in vielen Herzen die Liebe zur Heimat geweckt: oder neu entfacht werden möge, und es für uns alle zur frohen Lebenserfahrung wird, wie es mir ein Heimatdichter
(es ist der Neffe eines früheren von mir hochverehrten Lehrers des Wittenberger Gymnasiums Dr. Hitzigraths: Martin Jentzsch)
als Gegengruß übersandte:

„Von daheim ein Grüßen
Macht die Seele stark,
Strömt in Herz und Glieder
Heimaterdenmark.
Heimat – gabst mir, was ich bin,
Geb dir gern mein Leben hin.
Von dahelm ein Grüßen
Macht die Seele stark.

Von daheim ein Grüßen
Das tut jedem not.
In den Heimatgründen
Wächst uns Lebensbrot.
Füllst mit Leuchten diese Zeit
Heimatgruß der Ewigkeit.
Von daheim ein Grüßen
Das tut jedem not.

Von daheim ein Grüßen
Selig, wer das hat!
Der geht wanderfreudig,
Schreitet stark und satt:
Sandweg wird zu grünen Matten.
Blutpfad überdeckt von Schatten.
Von daheim ein Grüßen
Selig, wer das hat.“

Darum:

Otto Bölke – Grabstein
auf dem Friedhof in Blönsdorf
aus: Archiv HV WB

„Suchet freudig
die verborgenen
Schönheiten eures Heimatwinkels wie
lenzlustige Kinder
im Busche die
Veilchen!“

 

Otto Bölke

aus: „Wittenberger Zeitung“ vom 01.03.1927

 

 


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1) Dem „Land- Richter“ oder „Land- Schulzen“ war ein größerer Bezirk zugewiesen; ihm waren mehrere Schulzen unterstellt, doch war er nicht bloß Beamter; der nächte nach dem zur Ritterschaft des Landes gehörende „Amtmann“ oder „Schoffer“, früher „Vogt“, später „Landrat“ genannt, der seinen Sitz in der Stadt hatte, für die Dorfgemeinden gleich dem späteren „Amts- Vorsteher“;
2) Nächst dem Golm bei Stülpe und dem Hagelberg (201 Meter) bei Belzig ist der Hirseberg einer der höchsten Berge des Flämings (186 Meter). Oft erstiegen wir als Kinder den Berg, um von hier aus bei klarer Fernsicht den Petersberg bei Halle an sehen. Heute ist leider diese herrliche Fernsicht durch hochgewachsenen Wald ganz verdeckt. Von dem einst hier errichte trigonometrischen Punkt ist auch nur noch als Ueberrest der hochgerichtete Sandstein vorhanden, der zum Aufschrauben des Fernrohrs diente.