Entflammtes Herz – gebacken
Mit glänzendem Braun, mit lockeren Farben und Formen zaubern uns die Gebäcke in den Schaufenstern und in den Kaufhallen eine Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Und dennoch duftet es hier und da noch in altgewohnter Weise, wenn Hausfrauen sich die Mühe machen und nach den zahlreichen angebotenen Rezepten oder frei nach Großmutters Überlieferung Plätzchen und
ausgestochenes Gebäck für den Weihnachtsteller und für den Christbaum herstellen. Hier wollen wir uns einmal mit den ausgestochenen Plätzchen befassen
Jeder kennt die kleinen Blechformen, die beim Backvorgang unbedingt vorhanden sein müssen, um formgerechte Figuren zu zaubern.
In den Beständen des Stadtgeschichtlichen Museum in Wittenberg befindet sich eine Platte, auf der solche Blechformen von einem volkskundlich interessierten Bürger zusammengestellt wurden, um sie der Nachwelt zu erhalten. Sie sind heute schon rund 120 Jahre alt.
Auf langer Reihe stehen sie festgemacht nebeneinander als symbolhafte Figuren. Es sind: Herz, Rabe, Hahn, Adler, Hand und sogar zwei Männer, von denen einer einen Zylinder trägt. Diese Stücke sind verschieden groß, manche haben eine Rückwand und dienten vermutlich
zur Herstellung von Lebkuchen. Andere wiederum tragen sogar einen handlichen Bügel von Seite zu Seite, was bestimmt bei der großen Anzahl der zu backenden Plätzchen für die Hausfrau ein leichteres Handhaben zur Folge hatte.
Kleinere Ausstechformen zeigen uns Huhn, Ente, Hase, Hahn, ein Kreuz und auch eine Frau in einer alten Tracht um 1850, wie sie damals in Wittenberg getragen wurde, mit einem Häubchen als Kopfbedeckung!
Solche Ausstechformen haben auch ihre Geschichte. In einem umfangreichen Werk werden sie schon im 18. Jahrhundert von den Franzosen Diderot und d‘ Alembert erwähnt. Darin finden wir die bekannten Sterne und Herzen abgebildet – ein Herz mit einem Pfeil, was sicherlich für
den Beschenkten ein wichtiger Hinweis war. Aus dem oberen Einschnitt lodern helle Flammen der Liebe auf, wodurch eine noch größere Wirkung erzielt wurde.
Noch 1960 wurden Ausstechformen im Handel angeboten. Ein sächsischer Betrieb belieferte die einschlägigen Geschäfte damals mit den Blechformen. Da erschienen in der Kollektion Halbmond, Baumblatt, Dreipass, Kreuz, Fisch, Vogel, Katze, Herz, Pilz, Hufeisen und geometrische Figuren, die wahrscheinlich in der Packung als Lückenfüller anzusehen waren.
Der Volkskundler konnte auch hier alte Begriffe, alte Symbole, die als Glücksbringer bekannt sind, aber auch solche Figuren erkennen, die als Abwehrkräfte von Unheil anzusehen sind. Man bestätigte mir damals, dass diese Ausstechformen ausschließlich für das Inland bestimmt waren. Man wusste aber auch, dass diese und ähnliche Formen von Holland und Italien hergestellt wurden.
Zu gleicher Zeit versuchte ein Berliner Betrieb, Ausstechformen aus Plaste herzustellen, wobei wiederum einige der bekannten Symbole zur Anwendung kamen. Doch – so sagte mir ein Vertreter der Firma – lief die Produktion schon 1960 aus, weil diese Ausstechformen keinen Anklang fanden.
Die maschinelle Herstellung in den Backwaren- und Lebkuchenfabriken hat sich manche Formen aus der Hausbäckerei zunutze gemacht.
Vor allem leben sie weiter als Sterne, Herzen,
Männlein und als Tierfiguren.
Heinrich Kühne †