Der Reichtum unserer Flüsse an Fischen ermöglichte es noch in unserem Jahrhundert, den Fischfang gewerbemäßig zu betreiben. Jeder Fischer freute sich natürlich, wenn er einmal einen guten Fang gemacht hatte.
Einen solchen hatten die Pretzscher Fischermeister Wilhelm Budewell und sein Sohn Otto im Juni 1907.
Am Nachmittag des 7. Juni fuhren sie zum Auslegen der Nachtschnüre in ihr gepachtetes Fischgebiet oberhalb von Dommitzsch. Diese weite Strecke ließen sie sich fast immer von einem bergwärts fahrenden Schleppzug ziehen.
So auch an diesem späten Nachmittag.
In der Nähe von Polbitz, oberhalb von Dommitzsch, entdeckten sie gegen 20 Uhr im flachen Wasser eines Buhnenfeldes ein auffällig langes, dunkles Ungeheuer, das dort regungslos lag.
Schnell lösten sie sich vom Schleppzug und ruderten mit kräftigen Schlägen auf die angrenzende Buhne zu.
Dass es sich dabei um einen großen Stör handelte, hatten die bei-den sofort erkannt.
Vorsichtig wateten die Fischer auf die Sandbank zu.
Da ein Störnetz nicht zur Verfügung stand, hatten sie die Bootsleine mitgenommen.
Sie fielen über den Riesenfisch her, der zu einem Drittel aus dem Wasser ragte, und fesselten ihn zwischen den Kiemendecken und den Brustflossen.
Trotz seines Gewichtes von 3 Zentnern wurde er von den Männern in den Kahn bugsiert und zu ihrer Fischerhütte gebracht. Hier warfen sie ihn über Bord und banden ihn an einen Buhnenpfahl.
Nachdem die Nachtschnüre nachgesehen und gelegt waren, ging die Fahrt elbabwärts nach Pretzsch, den Stör außenbords angebunden. Bis zum 11. Juni lag das gebundene Tier in der Elbe, da ja erst Käufer gefunden werden mußten.
Im Garten des Gasthofes „Goldener Stern“ wurde das seltene Exemplar in einem mit Wasser gefüllten Kahn ausgestellt.
Viele Leute besichtigten den 3,05 m langen Fisch‘, dessen Brustumfang 1 m betrug.
Auf dem Gehöft der Fischer Budewell wurde er anschließend geschlachtet und in Portionen von 2-15 Pfund verkauft.
Die „Goldene Sonne“ in Schmiedeberg kaufte für ihre Gäste sogar 30 Pfund. Der Rogen allein wog 42 Pfund und wurde als echter Pretzscher Elbkaviar abgegeben.
Nach dem Urteil von Fachleuten soll er vorzüglich geschmeckt haben. Auch der 40 Pfund schwere Kopf und das Skelett wurden verwertet.
Zerhackt ergab es prima Hühnerfutter.
Günter Göricke †
Quelle:
„Als wir vor 30 Jahren den letzten Elbkaviar aßen“, Ferdinand Borst in „Heide und Heimat“, September 1937
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Freiheit vom 27.09.1980