Ein Leben im Dienste der Heimatforschung

Unserem ehrenamtlichen Mitarbeiter P. Hinneburg gewidmet

 Personalkarte für Lehrer

Ein vollkommen zerlesenes Heimatbuch über Pretzsch hatte
esPaul Hinneburg schon als zehnjährigen Jungen angetan.
Er nahm es immer wieder zur Hand, durchblätterte es und studierte darin. Hier in Pretzsch mit dem alten Schloß, den weiten Wiesen an der Elbe und der nahen Dübener Heide
verlebte er seine frühen Jugendjahre.
Diese schöne Geburtsheimat hat sein ganzes Leben mit Heimatliebe erfüllt. Schon früh erwacht in ihm die Erkenntnis, daß wahre Heimatliebe nur aus dem Wissen um die Heimat erwachsen kann.
Es ist der historisch-fruchtbare Boden, aus dem er schöpft:
die Vielseitige und interessante Geschichte unseres Heimatkreises, der durch seine geographisch-politische Lage viele Jahrhunderte hindurch geschichtlicher Brennpunkt bleibt.
Hinneburgs Forschungsdrang wurde bis auf den heutigen Tag angeregt. Somit gehört er zu den besten Kennern unserer Heimat.

 Personalkarte für Lehrer

Von 1898 bis 1944 war Hinneburg als Pädagoge im Schuldienst tätig. 1903 kam er aus Thüringen zu uns,
wurde unter 125 Bewerbern ausgewählt und an der Friedrichstädter Schule (der heutigen Geschwister-Scholl-Schule) angestellt.
Über 40 Jahre hat er hier treue Dienste geleistet und der heranwachsenden Jugend vieler Generationen das Rüstzeug fürs Leben vermittelt. Viele seiner ehemaligen Schüler verbindet noch heute das Band der Freundschaft mit ihm. Neben dem Schuldienst (an der damals größten Schule im Bezirk Merseburg) fand er Zeit, seinem Steckenpferd, der Vorgeschichte, nachzugehen und sich mit ihr intensiv zu beschäftigen.
Vorgeschichte war damals ein noch wenig bekannter Begriff. Welche wertvollen Dienste seine Laienforschung der Wissenschaft leistete, wird erst heute anerkannt.
Hinneburgs vielseitiges Interessengebiet wird allein durch die
Liebe zur Heimat bestimmt.
Besonders die Bodenfunde sind es, die ihn interessieren:
Urnen und Scherben aus grauer Vorzeit, aus deren Rillungen
er zu lesen versteht, und die er mit Liebe, Sachkenntnis und unendlich viel Mühe zu ihren ursprünglichen Formen wieder zusammensetzt.
Durch seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle auf ihn aufmerksam
und bestellte ihn (als zuständige Institution) zum Bodendenkmalpfleger für unser Kreisgebiet.
Diese ehrenamtliche Tätigkeit führte er gewissenhaft und treuhänderisch durch und hat somit wertvollstes Material
über die früheste Besiedelung unseres Gebietes, das als Studienmaterial von der Landesuniversität ausgewertet wurde,
dem Museum zugeführt.
Mit welchem Eifer er seiner Berufung nachging, ist daran zu ermessen, daß er auf Grund einer Fundmeldung auf der Baustelle eines unserer großen Industriebetriebe schon nach anderthalb Stunden erschien. Er hatte den sechs Kilometer langen Weg trotz seines hohen Alters zu Fuß zurückgelegt.
Hier wurde unter seiner Leitung ein besonders seltener Fund geborgen. Durch sein sofortiges Erscheinen trat auch keine
Stockung in der Bautätigkeit ein.
(Bodenfunde sind It. Naturschutzgesetz vom 4. August 1955
beim Rat des Kreises sofort zu melden.
Der Meldepflichtige hat den entdeckten Gegenstand und die Fundstätte fünf Tage in unverändertem Zustand zu erhalten.)

Paul Hinneburg regte die 1934 durchgeführten Grabungen
auf dem Michelsberg bei Jahmo an, die die Freilegung der alten Weddiner Kirche  ergaben.
Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, wollten wir seine
verdienstvollen Arbeiten bei der Anschneidung der Hünengräber, (und vieles andere mehr) würdigen, dies ist an anderer Stelle von berufenerer Seite bereits geschehen.
Alle diese Arbeiten sind der Öffentlichkeit wenig
bekannt.
Weit populärer sind Hinneburgs seit Jahrzehnten in den Tageszeitungen und nunmehr auch in unserem
„Wittenberger Rundblick“ erschienenen Heimatartikel.
Von tiefschürfender Erkenntnis, geschöpft aus den Quellen,
stellen sie wertvolle Beiträge zu unserer Heimatgeschichte dar. Diese Niederschriften sind wissenschaftlich fundiert und von
der Liebe zur Heimat durchpulst.
Daneben hat Hinneburgs Sammeltätigkeit umfangreiches
Material zusammengetragen.
Eine lange Reihe von ihm behandelter Themen der Heimatgeschichte ist bereits im Druck erschienen, aber ein
noch größerer Teil harrt der Veröffentlichung.
Bei der Durchsicht des umfangreichen Materials wird einem
voll bewußt, daß hier ein Leben intensivster Forschungsarbeit dahinter steht, einer Arbeit, die neben anstrengender
Berufstätigkeit durchgeführt wurde.
Unser Bundesfreund Paul Hinneburg, der schon 1910 bei der Neugründung des Wittenberger Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz zu den ersten Mitgliedern zählte, hat sich auch 1948, als der Kulturbund dazu aufrief, eine Fachgruppe „Geschichte und Heimatkunde“ zu gründen, sofort zur Verfügung gestellt.
In vielen Vorträgen hat er sein Wissen, seine Forschungsergebnisse selbstlos weitergegeben, wofür ihm an dieser Stelle besonders gedankt sei. Die von ihm durchgeführten heimatkundlichen
Wanderungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Täglich sind die Besucher des Heimatmuseums oder die Wittenbergfahrer bei den Stadtführungen dankbare Zuhörer.
Die Stadtverwaltung hat ihm und seiner Ehefrau bei der Unterbringung in einem der städtischen Feierabendheime besondere Fürsorge zugesichert.
Jetzt steht unser Paul Hinneburg im 79. Lebensjahr.
Stets war und ist er in selbstlosem Einsatz für die Heimat tätig.
Sein reger Geist und seine gesunde Natur mögen ihm noch
recht lange beschieden sein.
Aus dieser inneren Kraft heraus versicherte er mir, als ich mich
von ihm verabschiedete:
„Für die Heimat bin ich immer da“.
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Die Klarheit seines Innern ist für den Menschen das höchste Gut

Adalbert Stifter
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Johs. Spremberg

aus: Wittenberger Rundblick – 2.Jhrg. 10.1956