Die „staatsfeindliche“ Zigarre

Die „staatsfeindliche“ Zigarre

Sollte man das für möglich halten?
Jawohl; doch da müssen wir uns einmal mit der Geschichte der Zigarre beschäftigen.

Die Zigarre und das Rauchen waren schon den Entdeckern Amerikas bekannt. Kolumbus schrieb am 6. November 1492 in sein Tagebuch:

„Gestern in der Nacht waren die beiden in das Innere abgeschickt gewesenen Spanier zurückgekehrt. – Die beiden Spanier begegneten vielen heimkehrenden Indianern, Männern sowohl als Frauen. Die Männer trugen brennende Kohlen in der Hand, die von gewissen Kräutern unterhalten wurden. Es waren trockene Kräuter, in ein trockenes Blatt eingewickelt. An einem Ende waren sie angezündet, am anderen Ende saugten die Leute und schluckten Rauch. Sie schläfern sich damit ein, berauschen sich gleichsam und fühlen keine Anstrengung. Sie nennen die Röhren ,tabacoe´“

Natürlich wird jeder Leser in diesen Röhren die geliebte Zigarre erkennen. Doch hat sich die Zigarre nur langsam ihre Beliebtheit erringen können. Die ersten Tabakpflanzen kamen um 1550 nach Europa und wurden nur ihrer arzneilichen Kräfte wegen verwendet. Als man endlich die Wirkungen des Rauchens erkannte und schätzen lernte, genoss man den Tabak auf folgende Weise: Tabakblätter wurden auf glühende Kohlen gelegt, ein Trichter darübergestülpt und der Rauch wurde durch die Trichteröffnung eingesogen. Englische Seeleute brachten die Mode des Rauchens aus Tonpfeifen auf, wie sie es bei den Indianern Virginiens (Nordamerika) gesehen hatten. Englische Hilfstruppen, die im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) dem Winterkönig Friedrich von Böhmen durch unser Sachsen zu Hilfe zogen, machten das Rauchen in unserer Heimat bekannt, und es wurde bald sehr beliebt.
Im Kurfürstentum Brandenburg war es zur Zeit Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640 bis 1688) anscheinend noch nicht bekannt. Unter der Reisegesellschaft dieses Fürsten befand sich auch ein Neger, der beim Aufenthalt in einem Dorfe zum maßlosen Erstaunen der Bauern Tabak rauchte. Als er nun einem Bauer im Scherz eine Pfeife Tabak hinhielt, wandte sich dieser entsetzt ab,

„Nee, gnädiger Herr Düvel; ich fräte keen Füer!“

Doch bald glaubten die Sittenrichter Front gegen das Tabakrauchen machen zu müssen. Besonders die Kirche ereiferte sich dagegen.
So wurde z. B. bei einer Kirchenvisitation in Zschornewitz 1673 der, Schulmeister beschuldigt, er „trinke Tabak“, d. h. er rauche Tabak,
ein damals sehr gebräuchlicher sonderbarer Ausdruck.
Das „ist ihm, davon sich zu enthalten, sub poena remotionis angedeutet“, als bei Androhung der Amtsentlassung.
Welch harte Strafe!
Jedoch hat alles Eifern gegen das Rauchen nichts geholfen.
Im Gegenteil: Deutschland wurde für 200 Jahre geradezu das klassische Land der Tabakspfeife. Dann erst kam nach und nach
„die gedrehte Tabaksstange“, die Zigarre, in Mode.
Bei durchziehenden Soldaten Napoleons sah man sie in unserer Heimat zuerst. Die Kontinentalsperre aber verteuerte derartige Genüsse dermaßen, dass das Zigarrenrauchen erst nach 1813 allgemeiner wurde,

„denn auch Direktor Achards gutgemeinter Vorschlag scheint keinen Anklang gefunden zu haben. Er hat der Kontinentalsperre wegen die ersten Fabriken zur Gewinnung von Rübenzucker gegründet und empfahl im Wittenberger Wochenblatt (1806; S. 273), die gelbwerdenden Runkelrübenblätter als Tabak zu verwenden!“

Desto schneller breitete sich die neue Zigarre nach den Freiheitskriegen aus. Jedoch auch jetzt fanden sich Widersacher.
So schrieb die damalige Zeitschrift ,,Hamburg und Altoas“:

„Modisch und schmutzig, ekelhaft und gewissermaßen gefährlich ist die Mode unserer jungen Herren, mit brennenden Zigarren im Munde in Zimmern, auf Promenaden, kurz überall sich zu produzieren.“

Allerlei gesundheitliche Schäden schrieb man dem Zigarrenrauchen zu. Besonders aber sollte es – man höre und staune – politisch gefährlich sein, weil es nämlich damals noch keine Zündhölzer oder andere bequeme Feuererzeuger gab, wurde es unter den Rauchern üblich, seine Zigarre an der des anderen – ohne Ansehen des Standesunterschiedes – anzuzünden, und eben dieses Verwischen aller Standesunterschiede erschien in der Zeit der Reaktion (also nach der Franzosenzeit) als außerordentlich gefährlich.
„Der Feuerkuss“ der Zigarre war das Sinnbild der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das Tabakrauchen auf den Berliner Straßen, im Berliner Tiergarten und gewiss wohl auch in anderen preußischen Ortschaften war bis 1848 bei hoher Geldstrafe verboten.
Von nun an aber wimmelte es in den Berliner Straßen und im Tiergarten von Rauchern, und jeder glaubte die gute Luft noch verbessern zu müssen und qualmte nach Herzenslust.
Sehr bequem wurde das Rauchen durch die Erfindung der Zündhölzer, und der staatsgefährliche „Feuerkuss“ erübrigte sich mehr und mehr. Ganz, ganz langsam erwuchs der angebeteten Zigarre ein kleiner Rivale in der Zigarette, die in der letzten Zeit
zum Endspurt anzusetzen scheint und sogar die Frauenwelt,
die der Zigarre keinerlei Geschmack, abgewinnen konnte, mit in
den Strudel zog.

aus: Freiheit 1953, von Paul Hinneburg

Bearbeitet: Elke Hurdelbrink.

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