Die Weltwirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf die Elbeschifffahrt
Der Versailler Vertrag von 1919 besiegelte die Niederlage des deutschen Imperialismus im 1. Weltkrieg.
Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges wurden auf das arbeitende Volk abgewälzt.
Auch die Elbschifffahrt blieb davon nicht verschont, da ein Teil der Betriebsmittel (Dampfer und Kähne) als Reparationsleistung an die Siegerstaaten abgetreten werden mussten.
Durch die eintretende Geldentwertung wurden die Reallöhne der Schifffahrttreibenden fortwährend gesenkt.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass im April 1920 die Elbschiffer die Arbeit niederlegten und in den Streik traten.
Da sich die Schiffer der märkischen Gewässer und der Oder diesem Kampf anschlossen, streikten gleichzeitig mehr als 10 000 Schiffer zwischen Elbe und Oder.
Selbst die Privatschiffer schlossen sich der Streikbewegung an.
Die gesamte Frachtschifffahrt ruhte.
Ziel des Streiks waren die Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Schiffer, die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden, mindestens drei freie Tage im Monat, die Regelung der Bezahlung von Überstunden und die Garantie, wenigstens nachts 8 Stunden schlafen zu können.
Nach fünf Wochen, am 31. Mai 1920, wurde dann der Schifffahrtsbetrieb wieder aufgenommen, nachdem einige opportunistische Gewerkschaftsführer ihre streikenden Kollegen verraten hatten.
Dennoch war der Streik nicht erfolglos, denn zumindest ein Teil der Forderungen der Schiffer musste erfüllt werden.
In der Folgezeit rangen die Elbschiffer. ihren Unternehmern weitere Lohnerhöhungen ab, allein 1922 17mal.
Trotz dieser Erfolge hinkten die Reallöhne den Preiserhöhungen stark nach.
1925, zwei Jahre nach Beendigung der Inflation, galten für die Elbschifffahrt folgende, tariflich festgelegte Wochenlöhne:
– Decksleute 38 RM,
– Heizer 41,50 RM,
– Steuerleute 45 RM,
– Maschinisten 52 RM und
– Kapitäne 56,70 RM,
zuzüglich der jeweiligen Vergütung für Überstunden und Arbeiten während der Nachtzeit.
Während die Schiffer um ihre sozialen Rechte kämpften, konnten die Schifffahrtsgesellschaften schon wieder 3-6 Prozent Dividende an die Aktionäre ausschütten.
Erbarmungslose Konkurrenz.
Nachdem sich 1923 die Währung stabilisierte, hatten sich die Schifffahrtsunternehmen auf der Elbe mit der staatsmonopolistischen Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, die einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf lieferte, auseinanderzusetzen.
Durch ein geschickt ausgeklügeltes Staffeltarifsystem nutzte die Reichsbahn alle Möglichkeiten, den Transport der Güter auf die Schiene zu ziehen, lediglich die unlukrativen Massengüter verblieben auf dem Wasser.
Bei diesem ruinösen Wettbewerb konnten selbst die großen Schifffahrtsgesellschaften nicht bestehen.
Sie bildeten ihrerseits und gezwungenermaßen ein großes Kartell und konnten dadurch den noch auf der Elbe stattfindenden Frachttransport kontrollieren.
Dies aber auch nur bis 1929, denn durch die Weltwirtschaftskrise (1929-1932) sank zwangsläufig das Ladungsangebot auf der Elbe. Unglücklicherweise fiel der Beginn der Krise auch mit ungünstigen Wasser- und Eisverhältnissen zusammen.
Viele Schiffe wurden stillgelegt und die Besatzungen entlassen. Allein im Bereich Mittelelbe und Saale gab es am 1. Juli 1932 2300 arbeitslose Schiffer, einen Monat später weitere 250.
Viele dieser Arbeitslosen suchten sich in Fabriken eine neue Arbeitsstelle und kehrten nicht zur Binnenschifffahrt zurück.
Dies traf auch auf viele Schiffer unseres Kreisgebietes zu.
Kurzzeitigen Aufschwung erlebte die Elbschifffahrt durch die Vorbereitungen auf den 2. Weltkrieg.
Die Militarisierung stellte plötzlich große Anforderungen an die Binnenschifffahrt, der trotzdem verbleibende überschüssige Transportraum (Kähne) wurde zur Donau und zum Rhein umgesetzt.
1944 zerstörte die anglo-amerikanische Luftoffensive zunehmend auch Schiffe, Brücken und Schleusen.
Nach opferreichem Kampf trafen am 25. April 1945 Soldaten der sowjetischen und der amerikanischen Streitkräfte an der Elbe bei Torgau zusammen.
Das Ende des faschistischen Krieges nahte.
Gleichzeitig eröffnete sich den Schiffern die Chance, eine neue, demokratische Ordnung aufzubauen und den Schiffsverkehr nach Beseitigung der Trümmer und Wracks neu zu gestalten.
Karl Jüngel †
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aus: Freiheit vom Juli 1981