Die Schifffahrt heute

Die Zeit der Dampfschifffahrt gehört, abgesehen von den sechs übrig gebliebenen Personendampfschiffen der Weißen Flotte Dresden, der Vergangenheit an.
Technischer Fortschritt und besonders der Verschleiß der Dampferzeugungsanlagen (Dampfkessel) drängte den Flussdampfschlepper immer mehr zurück.
Fehlende Arbeitskräfte begünstigten diesen Vorgang, denn zur Beförderung von ca. 2 500 t waren auf dem Schleppdampfer und den drei geschleppten Kähnen 19 Mann Besatzung notwendig.
Mitte der fünfziger Jahre begann die Rekonstruktion unserer Binnenflotte.
104 Schleppkähne wurden zu Selbstfahrern umgerüstet und 1961 begann der Bau einer Serie von ca. 100 Motorgüterschiffen mit einer Tragfähigkeit zwischen 800-1100 t. Diese bestimmen heute, neben vielen Schubeinheiten, das Bild unserer Wasserstraßen.
Dort wo vor 100 Jahren erste Versuche mit Kettendampfern auf der Elbe durchgeführt wurden, wurde auch 1962 fast an gleicher Stelle das Versuchsmuster eines Stromschubschiffes erprobt.
Diese Schubschifffahrt hat sich seitdem, trotz anfänglicher Abneigung bei den alten Schiffern, voll durchgesetzt, denn ein Schubverband verlangt nur noch eine dreiköpfige Besatzung für 2500 t Ladung. Zwei Drittel der gesamten Güter werden heute mit Schubeinheiten transportiert.
Eine Schubeinheit besteht aus der Antriebseinheit (Schubboot) und der besatzungslosen Ladeeinheit (Prahm).
Je nach Fahrwasserverhältnissen können im Schubverband bis zu acht Prahme gekoppelt werden.
In unserem Flussbereich sind es meistens vier.
Neben der beträchtlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität sinken gleichzeitig die Baukosten eines Schubverbandes erheblich, da ein großer Teil der Besatzungsunterkünfte entfällt und Schubprahme kostengünstiger und materialsparender als ein Kahn gebaut werden können.
Diese Schubschiffe sind vornehmlich in Pendelverkehrsrelationen eingesetzt, das heißt, sie befahren eine bestimmte Strecke.
Dadurch kommt es zu einer großen Kenntnis über die befahrende Stromstrecke und der Schiffer selbst kann besser den sozialen und kulturellen Bedürfnissen nachgehen.
Der VEB Kombinat Binnenschifffahrt und Wasserstraßen verfügt zurzeit über vier verschiedene Typen von Stromschubschiffen, die sich nur hinsichtlich der installierten Antriebsleistungen und der Tiefgänge unterscheiden.
Ein fünfter Typ ist ein sehr flachgehendes Schiff und besonders für unseren Strombereich entwickelt, um auch bei Niedrigwasserständen den Schiffsverkehr aufrechterhalten zu können.

Ein Schubverband auf der Elbe. Er besteht aus der Antriegseinheit Nr. 2629 (26 Baureihe, 29 Baunummer) und vier starr gekoppelten Prahmen. Ein solcher Verband vereint auf vorteilhafte Weise Elemente eines Schleppzuges und eines Motorgüterschiffes, denn das Schubboot kann während des Be- und Entladens der Prahme bereits wieder anderweitig eingesetzt werden.

Karl Jüngel †

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aus: Freiheit vom Juni 1980