Von den zahlreichen Besuchern der Lutherstadt Wittenberg, die jahraus jahrein an den Gedenkstätten der Reformation Erhebung und Erbauung finden, wird immer wieder die Frage nach Luthers Nachkommen aufgeworfen. Da diese Frage auch für die Leser der
„O du Heimatflur!“ großes Interesse besitzt, so werden die nachfolgenden Ausführungen darüber gewiß willkommen sein:
Als Luthers Freund und sein bedeutendster Mitarbeiter Philipp Melanchthon im Jahre 1546 vor den zweiten Band der Wittenberger Ausgabe Lutherischer Schriften ein Lebensbild des Reformators setzte, da schrieb er:
„Die Familie Luther ist eine alte Familie, weit verbreitet im Gebiete der Grafen von Mansfeld, zum Mittelstande gehörig.“
Und Luther selbst schrieb 1521 von der Wartburg mit Stolz, daß sein Fleisch jenseits des Thüringer Waldes fast die ganze Gegend in Besitz habe“.
Die Familien der Luther saßen in Möhra als nicht unbegüterte Grundbauern. „Ich bin eines Bauern Sohn von Möhr bei Eisleben“, sagt Luther später. Für das Jahr 1536 werden uns im Dorfe Möhra 59 Familien bezeugt, von denen 5 den Namen Luther tragen.
Seinen Namen hat der Ort von dem großen auf seiner westlichen Seite liegenden Moor.
In den Urkunden wechselt die Ortsbezeichnung: More, Mora, Morcke, Möhra.
Zur Feier des 400jährigen Geburtstages unseres Dr. Martin Luther am 10. November 1883 veröffentlichte der verstorbene Konsistorialrat und vortragende Rat im Ministerium zu Meiningen, Heinrich Christian Luther (der Vater des Herrn Sanitätsrats Dr. Luther in Bad Schmiedeberg) den Stammbaum des Reformators, dem wir eine Reihe der nachstehenden Angaben entnehmen.
Der Name Luther, der in wechselnder Form als Luther, Lüther, Lüther, Luder, Lüder, Luter und Lutter auftritt, läßt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Im Jahre 1137 wird eine adelige Familie Almont de Lutero erwähnt. Ein Wigand von Luter, der mit seinen Kindern 1308 bis 1380 gelebt hat, und ein Fabian von Luter, der von Kaiser Sigismund im Jahre 1413 geadelt bzw. wiedergeadelt wurde, saß auf dem Hofe Luter bei Möhra. Es ist zum mindesten recht zweifelhaft, ob die Familie unseres Luther mit dem Adelsgeschlecht der „Herren von Luter“ zusammenhängt; wir dürfen vielmehr annehmen, daß er im Volksboden wurzelt.
Unzweifelhaft nachgewiesen sind Luthers Vorfahren bis zu seinem Urgroßvater, welcher 1373 bis 1437 in Möhra lebte, und seinem Großvater Heine Luther, der 1420 in Mõhra erwähnt wird und mit Margarete geb. Lindemann verheiratet war.
Der alte gotische Chor der Möhraer Kirche zeigt noch einen Steinaltar aus der katholischen Zeit; vielleicht ist er der Traualtar von Luthers Eltern gewesen.
Daß „Hans Luder oder Luther mit Wissen und Willen seines Vaters und seiner Mutter sich mit Margarethen Zieglerin in den heiligen Ehestand begeben und beide nach ordentlichem Kirchengebrauch zu Möre öffentlich vertrauet und zusammengegeben worden“, wird von dem Eislebener Geistlichen Cyriacus Spangenberg bezeugt. Leider versäumt dieser aber, das Jahr anzugeben. Im Jahre 1483 finden wir das Luthersche Ehepaar in Eisleben.
Hans Luther war vermutlich ein älterer Sohn – jedenfalls nicht der jüngste.
Da aber nach dem Erbrecht der Thüringer Bauern der väterliche Besitz in die Hand des jüngsten Sohnes überging, so hatte Hans Luther daheim nicht viel zu erwarten. Es kann darum nicht wundern, daß er nach besserem Verdienst ausschaute und diesen in dem nahen Mansfelder Bergbau, der damals in hoher Blüte stand, zu finden hoffte.
Hier in Eisleben wurde als zweites Kind seiner Eltern – ein älterer Bruder ging voran – am 10. November 1483 unser Luther geboren.
Ein Bruder vom Großvater Luthers war Amtsschreiber in Langensalza, ein anderer Kommandant in Ziegenhain. Auch von diesen beiden Großoheimen des Reformators gehen Lutherlinien aus, die jedoch nicht weit verfolgt werden können.
Gleichzeitig mit Luthers Vater wanderte dessen ältester Bruder mit nach Eisleben aus. Dessen Nachkommen weist der Stammbaum bis 1690 nach.
Der jüngste Bruder blieb auf Grund des geltenden Erbrechts in Möhra auf dem väterlichen Besitz. Er ist der Begründer der Möhraer Lutherlinie, welche der Stammbaum ausführlich behandelt. Von ihm stammt der Verfasser des Stammbaumes, der Konsistorialrat Luther in Meiningen in 9. Generation ab,
dessen Sohn, Herr Sanitätsrat Dr. Luther in Schmiedeberg demnach in 10. Generation, ebenso Geheimer Sanitätsrat Dr. Luther in Luckenwalde und Lehrer Paul Luther in Salzungen.
Außerdem nennt der Stammbaum noch eine Reihe weiterer Personen, die ihre Abstammung von diesem jüngsten Onkel Luthers herleiten.
Ueber die Nachkommen unseres Reformators Dr. Martin Luther selbst, ist folgendes zu bemerken:
Seine männlichen Nachkommen sind im Jahre 1759 mit dem Rechtsanwalt Martin Gottlob Luther in Dresden ausgestorben. Luther hatte aus seiner Ehe mit Katharina von Bora 6 Kinder:
– Johannes,
– Elisabeth,
– Magdalena,
– Martin,
– Paul,
– Margarete.
1. Johannes Luther studierte die Rechtswissenschaft und trat als weltlicher Rat in den Dienst des Kurfürsten Friedrich II. von Sachsen, später in den des Herzogs Albrecht von Preußen.
Er vermählte sich mit Elisabeth Cruciger, der einzigen Tochter des Wittenberger Pfarrers Dr. Cruciger, der als der Freund und Mitarbeiter seines Vaters bekannt ist.
Der Ehe entsproß ein einziges Kind – Elisabeth – die sich mit Nikolaus Böhme in Eilenburg verheiratete.
Aus dieser Ehe mögen noch direkte Nachkommen vorhanden sein, die aber nicht den Namen Luther führen.
2. Elisabeth Luther starb im zarten AIter.
Ihr Grab befand sich auf unserm ältesten Friedhofe rechts der Dresdener Straße. Dort ist noch dicht hinter dem Tore in der Mauer eingelassen die Grabsteinplatte zu sehen.
Diese trägt die Inschrift:
Hic dormit Elisabeth filiola M. Lutheri Anno MDCC VIII. III. Augusti.
(Zu deutsch: Hier schläft Elisabeth, M. Luthers Töchterlein,
gestorben im Jahre 1528 den 3. August.)
3. Magdalene Luther, sein geliebtes Lenchen, starb im Alter von etwa 14 Jahren.
4. Martin Luther widmete sich der Theologie.
Er verheiratete sich mit der Tochter des Wittenberger
Bürgermeisters Heiliger. Die Ehe blieb aber kinderlos.
5. Paulus Luther, wohl der begabteste von Luthers Söhnen, erwählte das Studium der Medizin. Er wurde Professor an der Universität Jena, später in Leipzig Leibarzt verschiedener Fürsten. Er ist in der Pauliner-Kirche in Leipzig begraben. Er vermählte sich mit Anna von Werbeck, der Tochter des sächsischen Kanzlers.
Dieser Ehe sind 6 Kinder entsprossen. Von diesen stammt auch der bereits erwähnte Rechtsanwalt Martin Gottlob Luther in Dresden ab, mit dessen Tode 1759 die männlichen Nachkommen des Reformators ausstarben.
Direkte Nachkommen desselben mit dem Namen Luther gibt es also nicht mehr. Alle anderslautenden Angaben sind also mit größter Vorsicht aufzunehmen.
6. Margarete Luther, die jüngste Tochter, verheiratete sich mit Georg von Kuenheim aus Ostpreußen, der den Herzog Albrecht von Preußen auf seiner Reise durch Mitteldeutschland begleitete und hierbei Margarete Luther kennen lernte, mit der er sich am 5. August 1555 vermählte.
Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor. In den Nachkommen
dieser Kinder, ebenso in den weiblichen Nachkommen von
Luthers Söhnen Johannes und Paul sind noch direkte Nachkommen des Reformators vorhanden, die aber nicht den Namen Luther tragen. Nach dem geneologischen Handbuche Nobbes führen sie folgende Namen:
Avenarius, d’Arrest, Berg, Marschall von Bieberstein, Bieling, von Buchholtz, von Buttlar, Carach, Clare, Crüger, Döring, Einich, Eschenbach, Gerhardt, von Glockmann, Gottschalg, von Gröben, Grubner, Haberland, Hoffmann, Hommel, Kästner, Heil, von Kemphen, Kiertz, Kolde, Lange, Lieskau, Lindner. Meyer, Möbius, Wolter, Nenhaus, Niepold, Noppe, Ophal, Peipelmann, Petersen, Plöktner, von Reibniz, Richter, Rudolf Ruppe, von Saucken, Schade, Schmatz, Schönewerk, Schrimpf, Schubert, Schweingel, Spanger, von Syburg, von Tettau, Teubner, von Tippelskirch, von Trabenfeld, Vogel, Warnatz, Weber, von Wegnern, Zeitz, Zollmann, von Kuenheim.
Mögen auch – wie bereits bemerkt – direkte Nachkommen unseres großen Reformators, die seinen Namen tragen, nicht mehr vorhanden sein:
sein Name und seine Taten werden leben, solange es noch einen evangelischen Christen gibt. Von ihm gilt das Dichterwort:
„Es wird die Spur von seinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.“
„Du sätest die Körner und warfest sie weit
In die dunklen, die schwellenden Furchen der Zeit.
Du säest noch immer, du säest noch fort,
Und es bleibt und gedeihet das göttliche Wort.“
Richard Erfurth †
aus: O du Heimatflur! vom 21.10.1925