Die Grenzen des Flämings

1925.05.25. Wittenberger Zeitung

Die Grenzen des Flämings – von Hellmut Schmidt

Bodenständig ist der Name Fläming auf den waldlosen Höhen, die sich vom Planetal bei Raben in ostfüdöstlicher Richtung erstrecken, südlich an Jüterbog vorbei bis zum Städtchen Dahme. Reich und breit angelegt sind die Flämingsdörfer, wie sie im Volksmund heißen. Man unterscheidet sie von den Buschdörfern im Norden, bei Treuenbrietzen, und Süden, zwischen Seyda und Jessen, sowie von den Siedlungen im bewaldeten Hügelgebiet (Brandtsheide und Baruther Forst). In der Tat hebt das Volk dadurch eine besonders eigenartige Landschaft hervor. Aus siedlungsgeschichtlicher Sonderstellung erwuchs ihr Name und ihr Begriff: Ansiedlung von Flämingern, d.h. von deutschen Kolonisten aller Stämme, die im Slawenland nach dem ius Flamingorum, dem vlämischen Siedlungsrecht, ansässig wurden. Das war um die Mitte des 12. Jahrhunderts, vor 800 Jahren. Fruchtbarer Boden lößartiger Feinsande lohnte die mühevolle Rodearbeit mit reichen Erträgen. Sogar der Weizen gedeiht hier vortrefflich, die benachbarten Sandgebiete können da nicht mit. Allerdings muß Wassermangel in Kauf genommen werden; man behilft sich mit Windmotoren und künstlichen Teichen. In den meisten Dörfern liegen die Gehöfte rund um den Dorfteich. Im Lauf der Zeit hat sich der Name verschoben und auf ein weiteres Gebiet ausgedehnt. In den Fläming wandern, damit verbindet man heute unwillkürlich die Namen Rabenstein, Wiesenburg, Hagelberg, Belzig. Also die Gegend der prächtigen Mischwälder, die durch die neue Roßlau – Wiesenburger Eisenbahn und hoffentlich bald durch eine Strecke Wittenberg – Straach – Belzig erschlossen wird. Wie weit der Fläming eigentlich reicht, darüber wird sich wohl kaum ein Wanderer klar sein.
Der geographische Fläming ist am weitesten abgegrenzt. Er umfaßt den geschichtlichen nebst den Wanderfläming und noch beträchtlich mehr. An seinem Rand liegen Wittenberg, Burg und Luckenwalde. Maßgebend ist, daß der Fläming als Teillandschaft des norddeutschen Flachlandes aufgefaßt und daher bis an seine natürlichen Grenzen ausgedehnt wird. Die Bodengestalt Norddeutschlands zeigt zwei große Hauptgruppen: Breite Niederungen mit Höheninseln, besonders in einer mittleren Zone, und langgestreckte Bodenschwellen, den baltischen Höhenrücken längs der Küste und den sogenannten südlichen Landrücken, der von den Trebnitzer Bergen in Schlesien bis zur Nordsee zieht. Der Fläming ist das Mittelglied der südlichen Plateauzone. Westwärts reihen sich Altmark und Lüneburger Heide, nach Osten Lausitz, Kazenberge und Trebnitzer Höhen an. Aber diese Gliederung, die im Allgemeinen natürlichen Ausschnitten zwischen Durchbruchstälern entspricht, ist gerade beim Fläming nur einseitlich deutlich , nämlich im Westen, wo die Elbniederung im weiten Bogen markscheidet. Ostwärts dagegen geht der Höhenrücken ohne Unterbrechung in die Lausitz über. Nur dort, wo eine Einschnürung dem Dahmeflüßchen einen schmalen Durchlaß öffnet, finden wir die Ostgrenze wenigstens angedeutet. Man zieht sie durchs Dahmetal südwärts bis zur Quelle bei Kolpien, dann von den Quellteichen bei Korba an längs des Schweinitzer Fließes, an Schönewalde vorbei, nach Schweinitz. Nahebei ragen als ansehnliche Eckpfeiler die Jessener und Arnsdorfer Berge empor, weite Vorsprünge der eigentlichen Flämingplatte, die beiderseits in zwei schön geschwungenen Bögen weit nach Norden zurückweicht. Ihr Vorland, eine flache Niederung, fällt kaum merklich zur Talsohle ab, in der die Schwarze Elster ihre Schlingen zieht. Mit rechtwinkligem Knick nimmt nun der Elbstrom, der von Süden her in den Talzug einlenkt, die Ostwestrichtung auf, behält sie bis Aken bei und setzt dann zur Westkurve an, dem nach seinem Scheitelpunkt benannten Magdeburger Bogen. Auf dieser ganzen Strecke tritt der Flämingsrand mehrfach sinnfällig in Erscheinung, weil die Hochfläche von Wittenberg an dicht an die Elbaue herantritt und vom Fluß angeschnitten wird, sodaß steile Prallhänge entstehen. Am eindrucksvollsten ist der Westsporn des Flämings, der 25m über den Elbspiegel aufragende Steilrand von Hohenwarthe. Auch die Nordgrenze ist klar und scharf, ein langgestreckter Talzug, der in der Genthiner Gegend in die Elbniederung einmündet. Kein einheitlicher Strom durchfließt ihn, nur kleinere Wasserläufe, die vom Fläming kommen, folgen streckenweise seiner Tiefenlinie. Trotzdem ist sein Südrand durchgehend steil, ganz besonders im Abschnitt zwischen Ragösen und Treuenbrietzen, auch östlich Luckenwalde. Von der Zauche aus gesehen, wenn man auf der Landstraße von Brandenburg her kurz vor Golzow halt macht, wirkt der Fläming geradezu als Gebirgsnatur. Das hängt auch damit zusammen, daß sein Bau nicht ganz symmetrisch ist. Die Haupterhebungen, der Hagelsberg (201 m) und der Golmberg (178 m), liegen nämlich nah am Nordrand. Bei Belzig fallen übrigens mehr als der eigentliche Talrand zwei Geländestufen ins Auge, die an der oberen Plane, etwa beim Dorf Rädigke südwestlich Niemegk, rechtwinklig aufeinanderstoßen und aus der Hochfläche ein Dreieck ausschneiden, die sogenannte Belziger Vorstufe. Kommt man von Süden her gewandert, so glaubt man unwillkürlich, kurz vor Belzig am Flämingsrand zu sein. Der ist aber erst dort, wo die weiten Wiesenflächen beginnen, von denen das ganze Grenztal erfüllt ist. Ehemals war hier Sumpfland und Morast, und heute wird noch viel Torf gewonnen. Den Fiener Bruch zwischen Ziesar und Genthin hat erst Friedrich der Große urbar machen lassen. An der mittleren Plane dehnen sich die Belziger Landschaftswiesen, zwischen Luckenwalde und Baruth die Flemmingwiesen. Bei Holtzen erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Grenzwanderung, bie Dahmesenke.
Innerhalb dieser Grenzen, im Mittel 40 km breit und etwa dreimal so lang, dehnt sich der Flämingrücken. Eine starke Einschnürung zwischen Seyda und Jüterbog gliedert seine Masse in eine westliche Haupterhebung und eine weniger bedeutende im Osten mit dem Golmberg. Es ist üblich geworden, sie auch im Namen als Hohen und Niederen Fläming von einander zu scheiden. Bleibt als dritter Abschnitt die bachreiche Westabdachung, etwa westlich einer Linie Coswig – Loburg – Magdeburgerforth – Ziesar. Es wird noch etwas dauern, bis der Name Fläming auch für diesen Landschaftsteil volkstümlich wird. Fehlt ihm doch abgesehen von den Leitzkauer Höhen das Bergige, das nun einmal aus guter alter Gewohnheit in dem Namen ausklingt.

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