Die Geschichte vom Verleger Wunderlich

Einst kam. ein Bäuerlein aus der Heide mit einer Fuhre Holz
gefahren. Da es nötig Gold brauchte, wollte es diese in der
großen Stadt Leipzig verhandeln. Der Weg war gar beschwerlich und weit, deshalb fuhr der Bauer schon im Dunkeln noch
aus seinem Heidedorf los. Doch nun kamen die ersten Häuser
Leipzigs in Sicht, deren Anblick bei ihm ein beklemmendes
Gefühl aufkommen ließ. So erreichte er die Schenke in Gohlis,
wo er hielt, um abzufüttern. Er schirrte die Tiere los, schüttete ihnen Hafer vor und schickte sich an, an einem der runden
Tische Platz zu nehmen und sein Vesperbrot aus dem großen
bunten Tuch auszuwickeln, als ein vornehm gekleideter Herr
ihn ansprach,
„He, Bauer, wollt ihr das Holz verkaufen? Was soll’s denn kosten?“ „Drei Taler, Herr, es ist gutes Buchener!“
stotterte das Bäuerlein, so unvorbereitet zum Reden gezwungen.
„Es ist gut, fahrt das Holz zum Verleger Wunderlich!
Jedes Kind zeigt euch den Weg.“
Mit diesen Worten drückte ihm der Herr drei Taler in die Hand und ging weiter!
Ganz verdattert stand das Bäuerlein da. War das ein Spuk?
Doch nein, seine Hand umfaßte ja krampfhaft die Geldstücke.
Drei Talerstücke, welch ein Glück, aber das war doch zu viel Geld. Warum hatte nur der vornehme Herr nicht gehandelt, wie es die Juden auf dem Brühl taten, da mußte er doch immer mit dem Preis heruntergehen auf zwei Taler.
Er war ganz konsterniert, unser Bauer, und konnte nicht essen.
So schirrte er denn die Pferde wieder an und fuhr los.
Ja, wohin denn?, lief es ihm mit eisigem Schreck durch die Glieder. Wie hieß doch der Herr? Ratlos starrte das Bäuerlein auf den Weg, kein Kopfkratzen und Mützerücken half, der Name des Käufers war ihm entfallen. Kreuz und quer fuhr er durch die Stadt, immer ratloser und ängstlicher wurde sein Gesicht im ungewohnten Lärm des Verkehrs. Das Peitschenknallen und Hü und Hott der Fuhrleute nahm ihm den letzten Rest Besinnung, und mitten auf dem großen Augustusplatz blieb er mit seinem Wagen stehen, eingekeilt von dem ihn umbrandenden fremden Stadtleben.

Da kam ein Trupp Studenten daher, sie sahen den ratlos um sich blickenden Bauern und witterten gleich einen Spaß.
„He, Bäuerlein, kannst du nicht weiter, sollen wir dir schieben helfen oder wo drückt der Stiefel?“ schricken sie ihm entgegen.
Da faßte sich das Bäuerlein ein Herz und berichtete von seiner Not ob des vergessenen Namens.
„Wenn’s weiter nichts ist“, sagte einer,
„so kann dir bald geholfen werden. Siehst du das große Haus da drüben, da drinnen wohnt ein sehr gelehrter Mann, der weiß alles. Dem trage deine Sache vor, der gibt dir Rat“.
Unter Lachen und Johlen schoben sie das Bäuerlein zur Universität und zeigten ihm das Zimmer, in das er getrost hineingehen sollte. Das würde ein Gaudium geben, wenn der vor dem Professor stand, dachten die Studenten, indeß unser Bäuerlein zaghaft das Zimmer betrat und sein Begehr vorbrachte. Der Professor sah von seinem Buch auf, rückte die Brille zurecht, wollte ausholen zu einer Belehrung über die Schlechtigkeit der Menschen im allgemeinen und die der Studenten im besonderen und begann:
„Es ist gar wunderlich … “
Da schrie das Bäuerlein auf:
„Richtig, so hieß erl O Herr, was seid Ihr doch für ein gelehrter Mann!“
Zufrieden lief er davon und fuhr sein Holz zum Verleger Wunderlich.

Hans Baumann