Die Flussschifffahrt morgen

Lange bevor es Straßen und Eisenbahnen gab, waren Wasserstraßen bereits leistungsfähige Verkehrswege.
Heute ist und auch morgen wird die Wasserstraße der billigste und zugleich der umweltfreundlichste Transportweg sein.
Er fordert den geringsten Einsatz an Arbeitskraft, Material und Energie, er verursacht weder Lärm noch Schmutz.
Ausbau und Pflege der Wasserstraßen, einschließlich Umschlagstellen, haben eine entscheidende Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, als Transportwege wie auch für die Wasserwirtschaft.
Auf der 11.Tagung des ZK der SED stand der rationelle Transport mit im Vordergrund der Beratungen.
Nachdrücklich wurde auf die Bedeutung der Binnenschifffahrt bei der Lösung von Transportproblemen und hier speziell bei Massengütern hingewiesen.
Unser Staat verfügt immerhin über ein stattliches schiffbares Wasserstraßennetz von 1500 km.
Die Vorzüge der Binnenschifffahrt sind ganz einfach mathematisch zu ermitteln.
Ein einziger Schubprahm hat den Laderaum von etwa 100 LKW oder einem ganzen Güterzug. Was das für den stark überlasteten Schienen- und Straßentransport bedeutet, liegt auf der Hand, gar nicht zu sprechen vom Kraftstoffverbrauch.
Für eine Tonne Schiffsfrachtgut ist er noch nicht einmal halb so hoch wie für eine Tonne LKW-Fracht.
Mit der Einführung der Schubschifffahrt auf Europas Flüssen begann eine neue Epoche in der Binnenschifffahrt.
Es wird nicht mehr fern sein und die beladenen Schubprahme werden von großen Seeschiffen übernommen und ähnlich dem Containertransportsystem bis zu den Empfängern auf allen Erdteilen gebracht.
Die Anfänge dieser Transportrationalisierung sind bereits gemacht Das verlangt aber von allen internationalen Handelspartnern eine Umstellung der Umschlagtechnologie und gegenseitige Abstimmungen bei der Entwicklung der Fahrzeuge, sowohl für die Binnen- als auch für die Seeschifffahrt.
Im Zuge dieser Perspektive ist auch die Reparatur- und Instandhaltungstechnologie der Fahrzeuge inbegriffen.
Das erste Schwimmdock (bisher nur in Seewerften bekannt) für Schubschiffe ist deshalb schon in Erprobung.
Es wird auch notwendig werden, in unserem Kreisgebiet und speziell in unserer Industriestadt wieder einen leistungsfähigen Umschlagplatz zu errichten, um die Vorteile der Binnenschifffahrt im volkswirtschaftlichen Interesse nutzen zu können.
Nur wenige Industriestädte haben derart günstige Voraussetzungen wie Wittenberg, verkörpert durch einen der bequemsten und größten, zur Zeit aber ungenügend genutzten, Binnenhafen in unserer Republik.

Das war die Dampfschifffahrt auf der Elbe. Der Seitenraddampfer „Würtemberg“ beendete mit dieser Fahrt den einstigen Siegeszug der Seitenraddampfer und ging zum letzten mal im April 1974 in Kleinwittenberg vor Anker.
46 Magdeburger Betriebe gestalteten diesen Veteran zu einem sehenswerten Museum und einer Gaststätte um, dessen Besuch sich im Rothehorn-Park in Magdeburg lohnt.

Karl Jüngel †

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aus: Freiheit vom Juli 1980