Die Antoniusmühle, früher auch zeitweise Tonnigsmühle genannt, liegt zwischen dem Dorfe Labetz und dem Gutsbezirk Abtsdorf, am faulen Bache an der Specke und gehörte früher zu Wittenberg. Die historischen Aufzeichnungen über diese Mühle sind sehr spärlich. Nur hin und wieder wird sie in den städtischen alten mit Gänsefedern auf dickem Papier geschriebenen Akten erwähnt. Diese Berichte, die mit vielen, zum Teil künstlerischen Schnörkeln und Floskeln versehen sind, zu lesen, ist nicht leicht. Es gehört schon eine gewisse Übung dazu, sich aus all dem schmückenden Beiwerk den Kern der Sache herauszuschälen.
Im 15. Jahrhundert wird die „Antoniusmohle“ zum ersten Male erwähnt. Sie ist aber sicher viel älteren Datums. Sie wurde auch nach den Angaben des im Hauptstaatsarchiv zu Dresden aufbewahrten Erbbuche des Amtes Wittenberg (verfaßt 1513 von Anton von Niemeck, Amtmann zu Wittenberg)
Plattnermühle genannt.
Unter Plattnern verstand man Harnischmacher. Diese Harnischmacher müssen in den damaligen unruhigen Zeiten stets vollauf Beschäftigung gehabt haben. Denn über die militärische Ausrüstung berichtet die Chronik, daß für ein allgemeines Aufgebot 100 Harnische auf dem Rathause in Wittenberg, 20 gute, neue Harnische beim Rat von Schmiedeberg, 18 neue Harnische für die „Buddelinge“ (Bürger 2. Ordnung) und 50 gute Harnische mit „rucken krebes“, Armschienen und Hirnhäublein für die Brauerben (Bürger 1. Ordnung, welche die Brauergerechtigkeit besaßen) und außerdem 14 neue Harnische mit allem Zubehör im Rathause in Kemberg vorhanden waren. Ferner besaß Zahna für die Brauerben 38, für die Buddelinge 6 und auf dem Rathause weitere 6 neue Harnische mit allem Zubehör „als rucken krebes“, eine Armschiene und ein blank Hirnhäublein.
Wie aus einer Urkunde der Antoniusmühle vom St. Margarethentage (13. Juli) 1514 hervorgeht, vergab der Kurfürst diese „Arbeiten“ an die Besitzer der Plattnermühle.
Die Antoniusmühle gehörte früher mit einem freien Hause in Wittenberg dem Sankt Antonienstift von Lichtenberg (auch die Probstei und die Abtsdorfer Mühle gehörten ebendahin).
Der Präzeptor von diesem Stift, der Meister des Hauses St. Antonii Goswin von Orson, hatte Mühle und Haus um 1500 gegen eine im Amte Schweinitz angewiesene Rente von 60 Scheffel (zu je 16 Metzen) Korn dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen, Herzog zu Sachsen, des Heiligen römischen Reichs Erzmarschall, Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meißen überlassen.
Dieser hatte beides 1501 den Wittenberger Plattnern Hans Eryngk und Andreas Rockenburger auf Lebzeiten für 120 rheinische Gulden übergeben, von denen 30 sofort, der Rest in jährlichen Raten von 15 Gulden bezahlt werden sollte. (ein rheinischer Gulden wurde zu 21 sächsischen Groschen, 1 Groschen zu 9 alten Pfennigen [Denar], 1 Pfennig zu 2 Hellern gerechnet). Außerdem sollten die beiden Plattner jährlich 24 Scheffel Korn aus dem Amte Wittenberg erhalten. Für den Fall jedoch, daß die beiden Plattnern oder ihre Erben die Mühle und das Haus verkaufen wollten, hatte sich der Kurfürst das Vorkaufsrecht vorbehalten.
Im Jahre 1514 abends brannte die Mühle nieder und der Kurfürst überließ sie auf Bitten der Inhaber ihnen zum zinsfreien Eigentum, um ihnen den Wiederaufbau zu ermöglichen. Dagegen wurde ihnen die Kornspende aus dem Amte Wittenberg nicht mehr gewährt. Ihre Erben aber mußten die Mühle jährlich mit 96 Scheffel Korn Wittenbergsches Maß verzinsen. Außerdem war angeordnet, daß die Mühle nie mehr als zwei Räder haben durfte, nämlich eins zum Schleifen und Polieren und das andere zum Mahlen. Dieses war vielleicht aus dem Grunde vereinbart, daß sie niemals der „großen Mühle“ in Wittenberg, die mit 7 Rädern ausgestattet war, von denen aber der schlechten Wasserverhältnisse wegen nur 3, höchstens 4, gleichzeitig in Betrieb sein konnten, Konkurrenz machen konnte.
Als Plattnermühle diente sie noch bis zum Jahre 1532, wo sie von Rockenburgers Erben verkauft wurde. Die Nachfolger machten aus ihr eine Mahlmühle.
160 Jahre hört man aus den Akten von der Antoniusmühle nichts mehr. Ob der dreißigjährige Krieg, währenddem die Vorstädte Wittenbergs angezündet und viele der umliegenden Dörfer zerstört und wüste Marken wurden, auch der Antoniusmühle geschadet hat, ist nicht bekannt. Dagegen muß der siebenjährige Krieg, der große Drangsale über das Kurfürstentum Sachsen und besonders über Wittenberg und Umgegend brachte, die Mühle arg mithenommen haben, denn die Akten melden, daß sie im Jahre 1742 wüste gelegen habe und daß sie in diesem Jahre wieder als Mahlmühle aufgebaut worden sei. Besitzer war der Müller Meister Johann Adam Nietzschke.
Sein „Eheweib war Anna Dorothea geb. Wollschlägerin.
Aus ihrer „ruhig und vergnügt geführten Ehe“, so meldet ein Kaufvertrag, sind fünf Kinder hervorgegangen. 67 Jahre alt, setzte sich Meister Johann Adam Nietzschke zur Ruhe und übergab für 1300 Taler seinem einzigen, 25 Jahre alten Sohne, dem Meister Johann Gottfried Nietzschke, die Mühle nebst Zubehör kraft Kaufbriefs vom 4. November 1772.
Auf Grund dieses Kaufbriefes wurde er von dem Kreisamte zu Wittenberg mit der Antoniusmühle beliehen. Sie bestand damals aus Mahl-, Oel- und Schneidemühle.
Zu der Mühle gehörten noch Wohngebäude, Ställe, Scheunen, Auszugshaus, Äcker, Wiesen und eine Hufe in der Bruder Annendorfer Feldmark.
Am 15. Juni 1807 verkaufte Nitzschke sein gesamtes Besitztum an seine zweite Frau, Johanne Christiane Nitzschkin geb. Schröterin für 2000 Taler, weil er durch seine „Schwäche in den Füßen“ nicht mehr in der Lage war, seinen Arbeiten nachgehen zu können.
Die Frau war aber gehalten, ihn bis an sein Lebensende zu unterhalten, zu verpflegen, wenn er krank wurde kurieren und auf eigene Kosten begraben zu lassen.
Bemerkenswert ist es, daß in der Urkunde vom 15. Juni 1807 Nitzschke und Nitzschkin und nicht Nietzsche und Nietzschkin, wie in der Urkunde von 4. November 1772 von Amtswegen geschrieben, steht.
Um sich nach einem arbeitsreichen Leben zur Ruhe zu setzen, verkaufte Frau Johanna Nitzschke geb. Schröter – ihr Mann war mittlerweile gestorben – die Antoniusmühle mit allem Zubehör an lebendem und totem Inventar für 3000 Taler Preußisch Courrant an ihre Tochter Charlotte Ernestine Nitschke und an deren Bräutigam und späteren Ehemann, den Müllermeister Karl Friedrich Sacher,
am 17. Juli 1828.
Sacher war der Sohn des Besitzers der Kornmühle bei Wittenberg und Reinsdorf.
Bis zum 12. November 1850 hat Karl Friedrich Sacher die Antoniusmühle und die dazu gehörigen Grundstücke bewirtschaftet. Die Öelmühle muß er bald nach seiner Übernahme haben eingehen lassen, denn in dem späteren Erbauseinandersetzungs-Vertrag vom 18. November 1863 bekundet der Bäckermeister Karl Stolle aus Wittenberg, als Vormund der minderjährigen Kinder Sachers, daß die Ölmühle „schon seit langer Zeit und an 30 Jahre nicht mehr bei der Mühle befindlich sei.“
Ferner gibt er in demselbe Vertrage ausdrücklich an, daß die Mühle z.Z. in einem ganz schlechten Zustande sich befinde.
Karl Friedrich Sacher hinterlich sechs Kinder:
2 Töchter und 4 Söhne. Da der älteste Sohn als Werkführer in Rußland (Podolien) Beschäftigung gefunden hatte, übernahm nach des Vaters Tode 1830 der zweite Sohn, der Müller David Lebrecht Sacher, auf Grund eines Erb-Auseinandersetzungs- und Kaufvertrags die Antoniusmühle mit allem Zubehör für 3400 Taler.
Sacher nahm als Unteroffizier an dem Feldzuge 1866 teil, aus dem er krank zurückkehrte. An den Folgen starb er im Jahre 1867. Seine Witwe heiratete 1868 den Müllermeister Friedrich August Ferdinand Rühlicke, der aus einer Bauernwirtschaft in Gallin stammte. Aus nicht aufgeklärter Ursache brannte 1889 die Antoniusmühle vollständig nieder. Rühlicke baute sie wieder auf, aber auf der anderen (rechten) Seite des faulen Baches, des besseren Zufahrtsweges halber; denn der frühere Verkehr über die Brücke war namentlich nach reichhaltigen Niederschlägen nach dem tiefer gelegenen Gelände beschwerlich gewesen.
Die abgebrannte Mühle hatte sich in seinem guten baulichen Zustande befunden, die vorgenommenen Ausbesserungen waren stets nur Flickwerk gewesen. Die neue Mühle wurde nach neuzeitlichen Erfahrungen erbaut und mit modernen Maschinen und Innen-Einrichtungen versehen.
1909 starb Ferdinand Rühlicke. Er hinterließ 1 Sohn und 5 Töchter. Sein einziger Sohn Paul Emil Rühlicke übernahm kraft Erbauseinandersetzungs- und Kaufvertrages die Mühle nebst Zubehör, Äckern und Wiesen in der Bruder Annendorfer Feldmark und bewirtschaftet sie heute noch. Dies Anwesen besteht heute aus der Mühle mit angebauten schönem massiven Wohnhaus und Auszüglerräumen, Scheune, Stallungen und Backofen.
Die Mühle hat einen Walzenstuhl, einen Steinmahlgang, einen Schwertgang und Reinigungsmaschinen.
Ihre Leitungsfähigkeit in 24 Stunden ist 3 Tonnen.
Das Gefälle des faulen Baches auf das Wasserrad beträgt
18 Fuß oder etwa 6 Meter.
Die Antoniusmühle gehört seit etwa Anfang des vorigen Jahrhunderts zu dem Dorfe Wiesigk. Die genaue Zeit,
wann die Abtrennung von Wittenberg erfolgt ist,
hat sich aus den Grundbüchern des hiesigen Amtsgerichts nicht mehr ermitteln lassen. Aus einem alten Rezesse vom Jahre 1836
ist ersichtlich, daß sie schon damals zu Wiesigk gehörte. Diese Überschreibung wird vielleicht infolge einer Separation der Bruder Annendorfer Feldmark, die teilweise zu Wittenberg und teilweise zu Wiesigk gehört, geschehen sein.
Johannes Fehling †
aus: O du Heimatflur! vom 25.03.1925