Der winterharte Katzenpelz

Im Dezember Kreisblatt des Jahres 1900 wird aus dem östlichen Teile der Stadt Klage über das Überhandnehmen herrenloser Katzen geführt. Wilhelm Gierts, im städtischen Volksmund die „Katsche“ genannt, wohnhaft Kupfergasse 10, war nach der Entlassung
von den Naumburger Jägern als Raubtier‐Bekämpfer bestellt worden. Um zu einem winterharten Katzenpelz zu kommen, machte er in das Dach der leeren Seilerbude
von Robert Esbach in der Feuergasse ein großes Loch, unter welches
er einen nach Baldrian duftenden Spiegel hing.
Um 10 Uhr abends lockte er mit eigener Schnauze die Katzen auf das Dach der Seilerbude, in welcher der Lock‐Kater miaute.
Die Katze, die den Spiegel betrat, lag unten.
Als letzter kroch Wilhelm selbst durch das Loch und zog der
16‐köpfigen Besatzung das Fell über die Ohren.
Am Montag, den 16. Dezember, fand die Beerdigung der
Besatzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit in aller Stille statt.

Aushang in der Feuergasse
Am Sonntag, den 15. Dezember 1900, nachts 12 Uhr, findet in der Wittenberger Feuergasse unsere letzte diesjährige Schönheit Konkurrenz, verbunden mit Generalskonzert der Kapelle des gesamten Wittenberger Ostbezirks Stadt. Eingang nur von der Mittelstraße.
Der Vorverkauf findet auf dem Dach der Seilerbude von Robert Esbach statt. Jugend unter drei Monaten nicht erwünscht.
Als Preisrichter fungieren:
1. Kater Murr, Freiherr von Hochschwanz,
2. Kater Beißerich vom Schwanenteich,
3. Schieläuglein von der Kupfergasse.
Um 10 Uhr wird in den Anlagen am Lutherhaus letztmalig miaut.
Um 12 Uhr betritt die diesjährige Schönheitskönigin „Miezi‐Schnurri“
die Sprossen der städtischen Feuerleitern als erstes Mannequin und Konkurrentin für das Jahr 1901.
Alles Kratzen, Beißen, Spucken während der Vorführung wird an
Ort und Stelle gesühnt.
Im Paul Gerhardt Stift, Poststraße 2, stehen diverse Betten für
die schwer Verwundeten bereit.
Um zahlreiche Beteiligung bittet: Der Vorstand der Katzen
des Wittenberger Ostbezirks.

Im Auftrag Wilhelm Giertz
Städtischer Raubtier‐Bekämpfer

Gefunden in Archivtexten von Günter Göricke †
Bearbeitet von Elke Hurdelbrink

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