Der Wachtmeister in der Dübener Heide

Jeder Besucher der Dübener Heide kennt den alten Gasthof „Zum Wachtmeister“ in der Talsenke an der linken Seite der alten nach Leipzig führenden Heerstraße, die in neuerer Zeit zu einer schönen Autostraße ausgebaut worden ist. Und selten wird einer der vielen Heidewanderer an der mit Recht allgemein beliebten Gaststätte vorüber gehen.
Schon mancher wird gefragt haben:
Wie kommt dieser große Gasthof mitten in die Heide, und woher rührt sein eigenartiger Name?
Die nachfolgenden Zeilen sollen darüber Auskunft geben.

In den Jahren 1685 und 1686 wurde auf Anordnung des kurfürstlichen Amtmanns in Wittenberg auf der Gommloer Waldmark bei Kemberg nach Salzquellen gebohrt.
Da diese sich aber nicht ergiebig zeigten, so wurden die Arbeiten bald eingestellt, aber im Jahre 1715 von neuem aufgenommen.
Jetzt aber ging man großzügiger vor.
Man zog erfahrene Bergleute hinzu und verpflichtete die Hüfner von Pratau, Lammsdorf, Bietegast, Globig, Bleddin, Bösewig, Dorna, Merkwitz, Moschwig, Pannigkau, Seegrehna, Selbitz, Klitzschena, Bergwitz, Schleesen, Rotta, Gniest, Lubast, Gommlo und Sackwitz im Frondienst für den Bau des Salzbrunnens und der Siedehütte die erforderlichen Fuhren zu leisten.
Aber auch diesmal wurden die Erwartungen getäuscht;
die Sole war durch Vitriol verunreinigt, für das man keine Verwendung hatte.
Da die Kosten den Ertrag ganz erheblich überstiegen, so stellte man den Betrieb auch jetzt bald wieder ein.
Während man noch mitten in der Arbeit war, im Jahre 1715, suchte der Schankwirt Starke in Gommlo die Erlaubnis nach, an der an der Arbeitsstelle vorüberführenden Straße auf der wüsten Mark Schmelz, ein Haus bauen zu dürfen.
Er versprach, dafür einen jährlichen Erbzins von vier Gulden an das kurfürstliche Amt Wittenberg zu zahlen, die Bewirtung der am Salzwerk tätigen Arbeiter sowie der Reisenden zu übernehmen und an diese nur Kemberger Bier auszuschänken.
Der Amtsschreiber in Wittenberg empfahl der kurfürstlichen Kammer die Genehmigung des Gesuches unter nachstehender Begründung:

– 1. Die bei den Salzquellen tätigen Bergleute müßten ihre Wohnung und ihr Unterkommen fast dreiviertel Wegs von dem Ort der Arbeit in dem so genannten Köbelshause (Köplitzhause) oder in der Oppiner Mühle nach dem Feierabend nehmen, weil keine nähere Herberge sei.
Müde und spät kämen sie daher des Morgens zur Arbeit.
– 2. Ein Zechen-oder Zehrhaus sei daher zur Beschleunigung der Arbeit fast unentbehrlich;
auf kurfürstliche Kosten es zu bauen, sei jedoch nicht zweckmäßig.
Das beim Beginn der ersten Arbeiten an der Salzquelle 1685 erbaute Haus, das später abgebrochen und in Tornau als Wohnhaus für den Grenzschützen wieder errichtet sei, habe 200 Gulden verursacht.
– 3. Durch das Verzapfen des Kemberger Bieres würde der verarmten Stadt Kemberg ein Vorteil erwachsen.
– 4. Der Gastwirt Starke, der nur eine halbe Stunde von dem Salzwerk entfernt wohne und ein geschickter Mann sei,
früher längere Zeit als Wachtmeister Dienste getan habe, könne zugleich die Aussicht über die Bergleute führen.

Als aber die Bürger von Schmiedeberg von dem Bau dieses neuen Gasthauses hörten, waren sie höchst entrüstet, weil sie meinten, dadurch geschädigt zu werden.
Zum Ausspannen und Einkehren sei ohnehin mehr als notwendig Gelegenheit in der Nähe vorhanden, und viele Fuhrleute rasten ohnehin lieber auf dem Lande denn in der Stadt, weil hier infolge der hohen Steuern alles teurer sei. Außerdem liege die Gommloer Heide, in welcher das Zechenhaus und der Gasthof errichtet werden sollen, innerhalb der Meile von Schmiedeberg, und nach der Landesordnung dürfe niemand um eine Stadt herum innerhalb einer Meile weder Bier brauen noch fremdes Bier ausschänken, noch andere bürgerliche Hantierungen, wozu eine Gastwirtschaft doch unstreitig gehöre, treiben.

Trotz dieses Einspruchs verfügte der sächsische Kurfürst unterm 4. März 1717:

„Wir genehmigen, daß Johann Starke auf der Gommloer Mark Schmelz einen Gasthof erbaut, wenn er 12 Gulden Erbzins jährlich entrichtet und für die Arbeiter bei den Salzquellen eine Stube und Kammer zu ihrer Unterkunft unentgeltlich hergibt, auch daneben das bei den Werken gebrauchte Material unter seiner Aufsicht nimmt. Er soll ferner gehalten sein, nur versteuertes Bier von Kemberg oder Schmiedeberg auszuschänken.“

Daraufhin erbaute der Gommloer Krüger Johann Starke den Gasthof.
Nach dem Range, den er einst bei dem kurfürstlichen Militär bekleidete, gab er diesem den Namen „Wachtmeister“.
Wenn nun auch diesem mit dem Eingange des Salzwerkes eine Einnahmequelle verloren ging, so zog er doch von den auf der alten Handelsstraße nach Leipzig verkehrenden zahlreichen Kaufleuten und Fuhrleuten hinreichend Verdienst.
Und auch nachdem mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Berlin-Wittenberg-Leipzig im Jahre 1859 der Verkehr zu einem erheblichen Teile auf die Eisenbahn überging, wußte sich der „Wachtmeister“ zu behaupten.
In der Gegenwart, da die Dübener Heide mit ihren schönen Wäldern immer mehr Ausflugs- und Wanderziel wird, dürfte der alten berühmten Gaststätte verdientermaßen eine neue Blüte beschieden sein.
Keiner, der in ihr Einkehr hält, wird sie unbefriedigt verlassen.

Richard Erfurth †

aus: Unser Heimatland vom 25.01.1936

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