Der Teufel musste herhalten

An der Fernverkehrsstraße 2 liegt in der Dübener Heide zwischen dem Heidegasthof „Zum Wachtmeister“ und dem Genesungsheim „Eisenhammer“ ein großer flacher Findling.
Er ist aus Biotitgranit und wurde durch die Eismassen der letzten Eiszeit hier abgesetzt.
Der Mensch schenkte ihm schon in früher Zeit seine Aufmerksamkeit.
Die auf dem Stein „befindlichen kleinen runden Dellen, sogenannte Näpfchen, wurden vermutlich vor etwa 3000 Jahren vom Menschen der jüngeren Bronzezeit eingetieft.
Es wird angenommen, daß diese Näpfchen mit Fett ausgefüllt wurden, in das man dann Wollfäden drückte.
Angezündet entstanden damit kleine Opferflämmchen.
Wir gehen also sicher nicht fehl, wenn wir im Lutherstein eine vorgeschichtliche Kultstätte sehen.
Die in der Umgebung liegenden bronzezeitlichen Hügel- und Flachgräber scheinen das zu bestätigen.

Die Sage hat sich frühzeitig dieses tonnenschweren Steines bemächtigt und versucht, seine Herkunft zu erklären.
Beim Einzug des Christentums war die Kultstätte der Bronzezeit lange vergessen.
Also mußte der Teufel, herhalten.
Wie in Kemberg die große Kirche gebaut wurde, konnte er nicht tatenlos zusehen. Um den Kirchehbau zu zerstören, warf er über Düben hinweg diesen großen Stein, der aber sein Ziel bei weitem nicht erreichte.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Teufelsstein bei Schköna. Der von Pouch geworfene Stein ging nur wenige hundert Meter vor der Kirche nieder.
Die Vertiefungen auf beiden Seiten, also die Näpfchen, wurden als Krallenabdrücke des Teufels gedeutet.
Nachdem Luther allem Bösen, also auch dem Teufel, den Kampf angesagt hatte, erzählte nun die Sage, daß der Teufel in seiner Wut zahllose Steine auf den Reformator schleuderte, als dieser sich auf dem Weg zur Disputation mit Dr. Eck nach Leipzig befand.
Von diesem Ereignis sollen neben den schon genannten Steinen solche bei Reinharz, Moschwig und Sollichau stammen.
Viele Steine sollen noch tief in der Erde stecken.

Als Luther von Leipzig zurückkam, und dies ist nun die dritte Lesart der Sagen um den Lutherstein, erwarteten ihn die Wittenberger Studenten an diesem großen Findling.
Luther mußte ihnen über den Verlauf des Streitgespräches berichten. Er geriet dabei so in Zorn, daß er mit den Fäusten mehrfach auf den Stein schlug, so daß diese Dellen entstanden.

Die schönste und auch geläufigste Sage über diesen Stein hat folgenden Inhalt:
Luther befand sich mit einem Reisewagen auf dem Weg nach Leipzig. Die Pferde hatten auf den sandigen Straßen der Heide ihre ganzen Kräfte einzusetzen. Der Kutscher fluchte und schlug auf die Tiere ein. Er konnte aber nicht verhindern, daß der Wagen immer tiefer, zuletzt bis an die Achsen, einsank.
Da stieg Luther vom Wagen und stemmte sich selbst mit in die Speichen der Räder, bis der Wagen wieder heraus war.
Dabei bemerkte er, daß ein Stein in seinen Schuhen drückte. Er nahm ihn heraus und stellte mit Erstaunen fest, daß dieser immer größer wurde. Er warf ihn mitten auf die Straße, wo er bis zur Größe des heutigen Luthersteines anwuchs.
Luthers Reisewagen, nun der teuflischen Last ledig, rollte schnell in Richtung Düben weiter. Die Straße führte seit dieser Zeit rechts und links am Lutherstein vorbei. Erst beim Neubau der Straße 1926 wurde diese wesentlich vorbeigeführt.
Sicher gibt es noch weitere Sagen um diesen großen Findling.
Es wäre schön, wenn sie der Kreisredaktion unserer Zeitung mitgeteilt würden.

Günter Göricke †

Quellen:
– 0. F. Gandert „Die Entwicklung zweier Näpfchensteine in der Dübener Heide“, Halle.1937
– „Sagen und Geschichten aus dem Kreis Wittenberg“, Wittenberg 1973

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aus: Freiheit vom 15.12.1979

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