Der Schmalkaldische Krieg in unserer Heimat

Schwere Wunden hat der Schmalkaldische Krieg unserer Heimat geschlagen, und dennoch hat sich im Volksbewußtsein keine Spur davon erhalten.
So schlimm auch diese Kriegsnot gewesen ist, sie wurde natürlich übertroffen von dem viel schlimmeren Dreißigjährigen Kriege und geriet wohl nur darum so bald in Vergessenheit.
Hier soll das Andenken an sie aufgefrischt werden.

***

Als der neugewählte, junge Katser Karl V. zum erstenmal die deutschen Fürsten auf dem Wormser Reichstage 1521 um sich versammelte, um mit ihnen des Reiches Wohl zu beraten, war eine seiner Hauptsorgen die Beseitigung der durch Luther verursachten Kirchenspaltung.
Aber sooft er auch zu einem Schlage gegen die evangelische Kirche ausholte, stets wurde er durch irgendein Vorkommnis gehindert.
So wurde dieser Kampf aufgeschoben, jahrzehntelang, aber nicht aufgehoben.
Luther äußerte gegen Ende seines Lebens, daß nach seinem Tode wohl trübe Zeiten kommen würden.
Schon in seinem Todesjahre brach der Schmalkaldische Krieg aus (1546-1547), durch den Kaiser Karl V. die evangelischen Fürsten und Städte unterwarf.
Er besiegte unseren Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen in der Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547.
Der Kurfürst mußte fliehen und wurde in der Lochauer (Annaburger) Heide nach tapferer Gegenwehr, als er einen Säbelhieb über das Gesicht erhalten hatte und durch das herabfließende Blut nicht sehen konnte, gefangengenommen.

Die Festung Torgau ergab sich. Der Kaiser zog mit seinem Heere und dem gefangenen Fürsten über Pretzsch und Kemberg der Hauptstadt Kursachsens, Wittenberg. zu.
Unsere Heimat lernte alle Schrecken des Krieges kennen.
Wenn auch die ersten feindlichen Reiter schon am 1. Mai vor Wittenberg gesehen wurden, so kam der Kaiser doch erst am 5. Mai auf einer Schiffbrücke in der Kleinwittenberger Gegend über die Elbe und bezog bei Piesteritz ein Lager.
Die für die damalige Zeit starke und wohlgerüstete Festung Wittenberg hätte ihm gewiß viel zu schaffen gemacht.
Aber der Kaiser ließ dem Kurfürsten als einem Rebellen am 10. Mai das Todesurteil sprechen.
Um dem Gemahl das Leben zu erhalten, übergab die sonst herzhafte Kurfürstin Sibylle am 19. Mai die Festung.
Das Kurfürstentum Sachsen erhielt als Belohnung für seinen Verrat an der evangelischen Sache, für die dem Kaiser in diesem Kriege gewährte Hilfe der evangelische Vetter unseres Kurfürsten, Herzog Moritz von Sachsen, der bisher den kleineren Teil Sachsens, nämlich das Herzogtum Sachsen mit der Hauptstadt Dresden, regierte.
So wurde Wittenberg feine Residenz los.
Wittenberg wie Dresden waren zu Luthers Zeiten kleine Städte mit weniger als 5 000 Einwohnern.
Wie verschieden haben sich gerade durch diese Folgen des Schmalkaldischen Krieges beider Städte Schicksale gestaltet! Dresden – die Weltstadt, Wittenberg das Landstädtchen! –
Am 7. Juni zog das kaiserliche Heer wieder ab.

Jedoch hier sollen weniger Wittenbergs Schicksale geschildert werden als vielmehr die Kriegsnöte der anderen Ortschaften unseres Kreises.

Wie mögen die Feinde in Dabrun unb Melzwig gehaust haben!
Noch 1555 lagen Kirche, Pfarre und Küsterei in Dabrun in Schutt und Asche; die Glocken waren bei dem Brande zerschmolzen.
Nun aber wollten die beiden Gemeinden endlich an den Wiederaufbau gehen.
„Vor der vehde“, vor dem Kriege, hatte der Patron 100 Gulden Kirchenkapital an sich genommen. Alles andere ist „von den hussern“, das ist wohl von den damals besonders gefürchteten und verschrienen kaiserlichen Husaren, geplündert worden.
Die beiden ausgeraubten Gemeinden – also nicht Kirche, Pfarre und Küsterei allein hatten Schaden erlitten – erbaten und erhielten Hilfe für den Aufbau der geistlichen Gebäude vom neuen Kurfürsten Moritz.

In Seegrehna war 1547 „mit den anderen Häusern“ das Pfarrhaus im Kriege verbrannt worden.
Noch 1555 mußte sich der ledige neue Pfarrer mit seinem Gesinde und seinem Vieh mit in der Küsterei „sehr bekummerlich“ behelfen; sicher wohnte die Küsterfamilie (damals ein Schneider mit zwei Kindern) zu gleicher Zeit darin.
Jeder, der die armseligen alten Dorflehrerwohnungen kennt, mag sich das ausmalen.
Die zum Pfarrinventar gehörigen 4 Kühe und 15 Schafe waren „in der vehde“ geraubt worden.
Auch die Seegrehnaer erbaten vom Kurfürsten Bauholz, und zwar „aus dem streuben“, aus der Straube. –
Von der Filialkirche Selbitz wird zur gleichen Zeit angegeben, daß sie samt dem Kirchengerät verbrannt worden sei, also wohl ein Opfer des Krieges sein wird.

In Pratau „ist in der vehde des 47. jars das Pfarrvihe (4 Kühe) und hausgeret von den Spanigern alles hinweggenommen“.
Wenn sich unsere Nachrichten in der Regel nur auf geistliches Eigentum beziehen, so wird doch auch der Schaden der Einwohner nicht gering gewesen sein, wie einige Angaben andeuten.

Der Pfarrer von Bergwitz verlor die Hälfte seines Viehes, wohl 2 Kühe, sowie einige Schweine.
Ferner wurde ihm ein Tisch „in der vehde von den Spanigern zerschlagen“.

Die Rottaer Kirche hatte 200 Schafe. Durch den Krieg ging diese Zahl auf 69 herab. Das Pfarrinventar in Trebitz bestand in 2 Kühen, einem verschließbaren Tisch und einem Spannbett;
alles haben die Spanier zerschlagen und weggenommen.

Die Bemeinden Bleddin und Bösewig beklagen 1555, daß sie die 5 Rinder zum Pfarrinventar nicht beschaffen könnten, weil sie auch Kirche und Pfarrscheune in diesem Jahre aufbauen müßten.
Wenn wir aus dieser Nachricht auch nicht ersehen können, ob diese Schäden durch den Krieg entstanden sind, so dürfen wir das doch so gut wie sicher annehmen, um so mehr, als die Einwohner als Grund ihrer Unfähigkeit den Schaden angeben, „den sie in der vehde erlitten“ hätten, also im Schmalkaldischen Kriege.
Hier haben wir wieder einmal eine Andeutung über große Kriegsnöte der Dorfbewohner.

In diesen Zusammenhang paßt auch eine Angabe über Schmiedeberg:
Der alte Diakonus Bartholomäus Schade bat um diese Zeit für den Fall, daß er später sein Amt aufgeben müßte, um eine Pension von etwa 100 Gulden, und der Rat der Stadt gewährte sie ihm mit dem ausdrücklichen Bemerken, weil „er in krieg (im Schmalkaldischen Kriege) und sterbens nöten treulich bei ihnen gestanden und gedienet hab“.
Der Kaiser lagerte mit einem Teile des spanischen Heeres der Schmiedeberger Chronik zufolge in Patzschwig.
Plünderung und Brand der Stadt jedoch verhinderte der Herzog Moritz, so daß nur die Vorstädte geplündert wurden;
auch mußte die Stadt einige hundert Faß Bier ins Lager bringen. Etliche Wochen darauf kam des Kaisers Bruder Ferdinand, König von Böhmen, auf dem Rückzuge von Wittenberg nach Böhmen wieder über Schmiedeberg.
Der König übernachtete am 25. Mai in der Stadt.
In der Nacht brach eine Feuersbrunst aus; es ist „viel Volks verbrannt“, ebenso des Königs Geld, sein Silbergeschirr usw.

Soviel über Ortschaften links der Elbe. –
Dem Pfarrer von Elster wurden „durch feinds gewalt“ genommen 4 melkende Kühe, ein verschließbarer Tisch und ein Spannbett.

Manche Orte hatten vor dem Anrücken des Feindes ihre Kostbarkeiten in die Festung Wittenberg gebracht.
Seyda beschwert sich 1555. sein Silberwerk und 316 Gulden nicht wieder zurüdbekommen zu haben;
Klebiz bittet um Bauholz zur Kirche, weil der Kirche aller Vorrat an Kleinodien und Geld zur Zeit der „Vehde“ nach Wittenberg in die Verwarung genommen“, also wohl ebenfalls nicht wieder herausgegeben worden war.

Dem Pfarrer von Kurzlipsdorf wurde der silberne Kelch „von den hussern“ weggenommen; das werden wieder die kaiserlichen Husaren wie bei Dabrun und Melzwig sein.

Besonders schlimm hat Zahna gelitten.
1548 handelt ein Schriftstück von dem Einkommen der Pfarrer und Kirchendiener „des ausgebranten stedleins“ Zahna.
1555 wird berichtet, daß viele Jahre keine Kirchrechnungslegung erfolgen konnte, „nachdem das Städtlein ganz rein ausgebrannt mit allen Gemeinde- und Bürgergebäuden“, daß aber jetzt fast alle Bürger ihre Häuser wieder aufgebaut hätten.
In Anbetracht der großen Not ist im Lande für Zahna gesammelt worden durch ausgesandte Bürger.
Wie weit mögen sich diese Bittgänge erstreckt haben, wenn der Rat ein Bittschreiben sogar nach Danzig richtet?
Die Sammlungen betrugen:

1548          99 Schock          29 Groschen       9 Pfennige
1549          98      “                      9       “                     8         “
1550          43     “                    27      “                       –           “
___________________________________________________
Summa   341 Schock            6 Groschen       5 Pfennige
oder         688 Gulden           18 Groschen     5 Pfennige

gewiß eine ganze Menge in einer Zeit, wo man für 3 bis 4 Gulden eine Kuh kaufen konnte.
Dieses Geld verwendete man zum Aufbau von Kirche, Pfarre und Schule; doch war die Summe bei weitem nicht ausreichend.
Um die Not zu lindern, ordnete Kurfürst Moritz an, daß das Wittenberger Amt der Stadt Zahna 400 Scheffel Korn zu ermäßigtem Preise ve kaufte und ihr zugleich 15 Schock Groschen Tranksteuer erlassen wurde. —

Schon diese kurzen Nachrichten zeigen, wie furchtbar der Schmalkaldische Krieg die Einwohnerschaft unserer Heimat traf. Wieviel Angst und Sorgen, ohnmächtige Wut, Leid und Tränen stecken hinter diesen dürren Angaben!
So schwer die Gegenwart auch auf uns lastet, es hat noch viel schwerere Zeiten bei uns gegeben. –

Paul Hinneburg †

aus: Glaube und Heimat 1931

************************************************************************